Düsseldorf. Die Pandemie hat das Leben von Prostituierten in NRW noch gefährlicher gemacht. Landesregierung warnt vor einem Prostitutionsverbot.

Die Pandemie hat die Lebenssituation vieler Prostituierter in NRW weiter verschlechtert. Die Zahl der angemeldeten und damit für Behörden sichtbaren Sexarbeiterinnen und -arbeiter ging um ein Drittel zurück, das „Dunkelfeld“ dürfte noch größer geworden sein. Das Land NRW will Betroffenen mit einem Onlineportal und einer neuen Beratungsstelle helfen.

Wie wirkt sich die Pandemie auf die Prostitution in NRW aus?

„In der Corona-Pandemie ist Prostitution ins Dunkelfeld verschwunden. Letztendlich waren die Frauen schutzlos“, sagte NRW-Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) am Mittwoch. Zwischen März 2020 und Mai 2021 war Prostitution wegen der Infektionsschutz-Regeln praktisch verboten. Viele Frauen seien in ihrer wirtschaftlichen Not bei Freiern untergekommen und dort sexuell ausgenutzt worden. Aus Sicht der Ministerin ist diese Situation „ein Vorgeschmack auf das, was passieren würde, wenn man in Deutschland ein Sexkaufverbot ausspricht.“ Man schütze Frauen dadurch nicht, sondern setze sie Gefährdungen aus.

Wer fordert ein Prostitutionsverbot?

Zum Beispiel Teile der CDU, also der Partei, der Scharrenbach angehört. Die Bundesvorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz, spricht sich für ein Sexkaufverbot nach schwedischem Vorbild aus: Die meisten Prostituierten würden dieser Arbeit nicht freiwillig machen, und die angemeldete Prostitution bilde nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit ab. Ina Scharrenbach, Chefin der Frauen-Union in NRW, widerspricht: Man müsse freiwillige Prostitution und Zwangsprostitution unterscheiden. Das 2017 in Kraft getretene Bundesprostituiertenschutzgesetz ziele darauf, Frauen, die freiwillig in der Prostitution tätig sind, in das Hellfeld zu rücken, um sie besser zu schützen. „Mit einem Sexkaufverbot würden diese Frauen ins Dunkelfeld verschoben und unerreichbar für Beratung“, so Scharrenbach.

Die Ministerin kritisiert allerdings auch den Umgang des Bundes mit dem Prostituiertenschutzgesetz. Seine Wirkung müsse besser überprüft werden. Außerdem müsse der Menschenhandel intensiver bekämpft werden.

Wie viele Prostituierte gibt es in NRW?

Dazu gibt es keine belastbaren Zahlen, nur sehr grobe Schätzungen. 2017, in der Vorbereitung des Bundesprostituiertenschutzgesetzes, kursierte für NRW die Zahl 42.000. Die Zahl der angemeldeten Prostituierten sank jedenfalls in NRW deutlich von 9472 (Jahr 2019) auf 6303 im vergangenen Jahr. Die Gründe dafür laut Scharrenbach: Viele ausländische Prostituierte seien wegen des pandemiebedingten Prostitutionsverbots in ihre Herkunftsländer gereist. Außerdem seien die Behörden in NRW nicht immer erreichbar gewesen.

Die häufigsten Herkunftsländer unter den gemeldeten Prostituierten sind Rumänien, Deutschland und Bulgarien. Fast alle Gemeldeten (96,3 Prozent) sind älter als 21 Jahre, und fast alle sind Frauen. Im Jahr 2018 hatte sich sogar nur ein männlicher Sexarbeiter in NRW angemeldet. Männliche Prostituierte sind praktisch nur im „Dunkelfeld“ tätig.

Welche Corona-Regeln gelten aktuell für Prostituierte und ihre Kunden?

Laut Schutzverordnung müssen Kunden, die weder geimpft noch genesen sind, ab einem Inzidenzwert von 35 einen negativen PCR-Test haben. Für nicht immunisierte Prostituierte reicht ein Antigen-Schnelltest, und sie müssen eine medizinische Maske oder eine FFP2-Maske tragen. Betreiber von Bordellbetrieben protestieren gegen diese relativ strengen Regeln. Andere, ebenfalls körpernahe Dienstleistungen wie Friseur und Fußpflege werde es nicht so schwer gemacht. Kunden dort müssten keinen teuren PCR-Test vorzeigen.

Was sagt die Landesregierung dazu?

Ministerin Scharrenbach lässt die Argumente der Betreiber von Prostitutionsstätten nicht gelten. „Prostitution ist kein Ladeneinkauf, sondern sehr körpernah“, sagte sie. Die Regeln dienten auch dem Schutz der Prostituierten.

Wie reagiert NRW auf die zunehmenden Probleme der Prostituierten?

Es will die Beratung verbessern. Am Mittwoch ging ein neues Online-Portal an den Start: www.cara.nrw. Hier finden Prostituierte in neun Sprachen anonym Informationen über Themen wie Gesundheit, Finanzen, Wohnen, Recht und Arbeit. Auch eine neu geschaffene „Landeskoordinierungsstelle“ ist über dieses Portal zu erreichen. Sie soll vor allem die persönliche Erstinformation und die Beratung für Prostituierte übernehmen und eine Brücke zu bereits vorhandenen Hilfsangeboten schlagen. NRW fördert schon seit Langem die Beratungsstellen Kober SkF in Dortmund und Madonna e.V. in Bochum.