Washington. .
Wikileaks hat eine geheime Liste von wichtigen Infrastrukturen veröffentlicht, die aus Sicht der USA „in besonderem Maße“ vor Terrorangriffen geschützt werden müssen. Genannt werden auch deutsche Firmen.
WikiLeaks hat eine Liste mit sicherheitsrelevanten Einrichtungen außerhalb der USA veröffentlicht. Das Dokument, das nach Angaben der Enthüllungsplattform vom US-Außenministerium erstellt wurde, enthält auch deutsche Einrichtungen, etwa Chemie- und Pharmafabriken, eine Ölpipeline und Überseekabel. Namentlich genannt werden darin die Konzerne BASF und Siemens.
Die Liste wurde innerhalb eines Plans des Heimatschutzministeriums erstellt, um wichtige Infrastruktur in den USA und im Ausland zu schützen. Dabei handele es sich um Einrichtungen, deren Zerstörung die öffentliche Gesundheit, Wirtschaft oder nationale Sicherheit der USA beeinflussen könnte, heißt es in der Mitteilung. Die Liste ist demnach auf dem Stand vom Jahr 2008.
BASF-Zentrale und Pipelines auf der Liste
Aufgeführt ist etwa die Zentrale des Chemiekonzerns BASF in Ludwigshafen oder ein Siemens-Werk in Erlangen. Die Liste enthält aber auch weitgehend unbekannte Firmen, etwa ein Unternehmen aus Bayern, das für die Herstellung von Patriot-Flugabwehrraketen wichtig sei, heißt es in dem Dokument. Auch wurden Produktionsstätten von Pharma- und Impfstofffirmen genannt. Zudem sind zwei Trassen von Transatlantikkabeln aufgeführt, die über die Stadt Norden in Niedersachsen und die Nordseeinsel Sylt führen. Auch die russische Ölpipeline „Freundschaft“ nach Schwedt an der Oder steht in der Liste.
In der Mitteilung werden Vertretungen der USA gebeten, an einer Aktualisierung der Liste mitzuarbeiten. Regierungen der Gastländer dürften nicht um Mithilfe gebeten werden. Einrichtungen wie Kasernen oder diplomatische Vertretungen sind in der Liste nicht aufgeführt.
Unternehmen reagieren gelassen
Eine BASF-Sprecherin sagte auf Anfrage: „Es gibt keine Notwendigkeit, die Sicherheitsmaßnahmen in Ludwigshafen zu verändern.“ Das Unternehmen stehe mit den Behörden in Kontakt, sollten neue Erkenntnisse vorliegen. Ein Siemens-Sprecher lehnte einen Kommentar zu der Veröffentlichung ab. Über Sicherheitsaspekte werde grundsätzlich nicht in der Öffentlichkeit diskutiert.
Ein Sprecher des in der Liste aufgeführten Lübecker Unternehmens Drägerwerk erklärte in einer Mitteilung, man nehme die Hinweise sehr ernst und sei mit allen wichtigen Behörden in Verbindung. „Zurzeit sehen wir uns nicht veranlasst, unsere grundsätzlich sehr umfangreichen Sicherheitsstandards zu erhöhen.“ Die Drägerwerk-Sparte Dräger Safety wurde wegen Apparaten zur Erkennung von Gasen genannt.
Für die Veröffentlichung handelte sich WikiLeaks erneut Kritik ein. Der frühere britische Außenminister Malcolm Rifkind sagte der Londoner „Times“, die Enthüllungsseite sei allgemein unverantwortlich und an der Grenze zur Strafbarkeit. „Das sind die Informationen, an denen Terroristen interessiert sind.“Die von WikiLeaks veröffentlichte Depesche ist eines von Tausenden Dokumenten, die seit einer Woche schrittweise von Medien und auf der Webseite von Wikileaks veröffentlicht werden. Wegen der Dokumente geriet die US-Diplomatie in eine peinliche Lage. Mehrere Ministerien erhöhten ihre Sicherheitsvorkehrungen. Das US-Justizministerium ermittelt..
„Hunderte Todesdrohungen“ gegen Assange
Unterdessen sieht sich Wikileaks-Boss Julian Assange offenbar immer neuen Anfeindungen und Drohungen ausgesetzt. Assange wurde in der spanischen Zeitung „El Pais“ mit den Worten zitiert, er habe „Hunderte von Todesdrohungen“ erhalten. Einige seien auch gegen seine Kinder und Anwälte gerichtet gewesen.
Assange soll sich derzeit in Großbritannien aufhalten. Schweden hat ihn zur Fahndung ausgeschrieben, weil er dort zwei Frauen sexuell belästigt und vergewaltigt haben soll.
Konsularische Hilfe bei Festnahme
Im Falle einer Festnahme kann Assange die konsularische Hilfe seines Heimatlandes Australien in Anspruch nehmen. Das teilte der australische Justizminister Robert McClelland am Montag vor Journalisten in Sydney mit. Australien sei aber auch verpflichtet, bei den internationalen Ermittlungen gegen Assange zu helfen, betonte er.
McClelland verurteilte zugleich erneut die Veröffentlichung geheimer amerikanischer Diplomaten-Dokumente als unverantwortlich, weil sie Informanten enttarnen könnten. „Freie Meinungsäußerung ist eine Sache, das respektieren wir alle, aber wir respektieren auch die Freiheit und das Recht der Menschen, ohne Angst zu leben“, erklärte er. Die australischen Behörden leisteten den US-Ermittlern Amtshilfe und prüften zudem, ob Wikileaks mit den Veröffentlichungen vertraulicher Dokumente gegen australische Gesetze verstoßen habe.
Mehrere sogenannte Spiegel der Seite auf anderen Servern eingerichtet
Wikileaks aber macht mit den Enthüllungen weiter. Nachdem mehrere Webbetreiber Wikileaks abgeschaltet haben, stellt die Internetplattform ihre Informationen zunehmend über eine Schweizer Adresse ins Netz.
Außerdem würden sogenannte Spiegel der Seite auf anderen Servern eingerichtet, so dass der Inhalt selbst dann im Internet bleibe, wenn die offizielle Wikileaks-Seite geschlossen werden sollte. “Selbst wenn man den Server in Schweden abschaltet, ist es zu spät“, sagte der Vizepräsident der Piratenpartei, Pascal Goor, der Nachrichtenagentur AP. „Es gibt jetzt Hunderte von Wikileaks-Spiegeln.“ Goor sprach von einem Testfall für Zensur im Internet. „Können Regierungen etwas vom Netz nehmen? Ich denke nicht. Überall sind Kopien der Webseite.“ (rtr/dapd)