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Gegen den Wikileaks-Chef ist internationaler Haftbefehl erlassen worden. Julian Assange werde wegen der gegen ihn in Schweden erhobenen Vergewaltigungsvorwürfe gesucht, teilte Interpol mit.

Sein Name ist in aller Munde, Julian Assange selbst aber ist verschwunden. Körperlich und örtlich nicht fassbar. Wie so oft in den letzten Jahren, in denen er meist nur über das Internet Kontakt zur realen Welt gehalten hat. Weil er sich immer verfolgt fühlt. In diesen Tagen sogar zu Recht. Interpol hat den Wikileaks-Chef auf seine Liste meistgesuchter Verdächtiger gesetzt.

Denn seit dem jüngsten Wikileaks-Coup wird er förmlich gejagt. Dabei ist nicht einmal klar, wie sich Assange strafbar gemacht hat. Oder ob überhaupt. Schließlich hat er die rund 250 000 Kommunikationsprotokolle, die nach und nach veröffentlicht werden sollen, nicht gestohlen oder stehlen lassen. Eigentlich hilft er nur dabei, die nicht als „Top Secret” eingestuften Dokumente ins Netz zu stellen. Weil er schon seit seiner Teenagerzeit der Meinung ist: „Alle Informationen sind frei.“

Amerikanische Politiker und Behörden sehen das erwartungsgemäß anders, wissen aber bisher offenbar nicht, wie sie juristisch vorgehen können. Deshalb greifen sie zu juristischen Klimmzügen. So fordert etwa der designierte Vorsitzende des Homeland Security Committee, Peter King, die US-Regierung solle untersuchen, „ob Wikileaks zu einer ausländischen terroristischen Organisation erklärt werden kann“, weil sie eine „Gefahr für die nationale Sicherheit” sei.

Mehr noch. Man solle den „Espionage Act”, ein Anti-Spionage-Gesetz, anwenden und Assange festnehmen, fordert King weiter. Unterstützung erhält der Politiker aus Assanges Heimat Australien. Sein Land werde alle rechtlichen Schritte der USA gegen Wikileaks unterstützen, beteuert Australiens Justizminister Robert McClelland. In Schweden sind sie schon einen Schritt weiter. Dort wird Assange per Haftbefehl gesucht. Allerdings nicht wegen Geheimnisverrats, sondern wegen des Verdachts der Vergewaltigung. Ein Gericht in Stockholm hatte kürzlich einen Haftbefehl gegen den 39-Jährigen wegen Vergewaltigung und sexueller Belästigung von zwei Frauen ausgestellt. Assange bestreitet das und spricht von einer Verschwörung und einer Schmutzkampagne. Wenige Stunden vor Verkündung des internationalen Haftbefehls durch Interpol hatte sein Anwalt noch in Schweden ein Berufungsgericht angerufen und die Aufhebung des schwedischen Haftbefehls beantragt. Mit dem internationalen Haftbefehl werden alle 188 Interpol-Staaten aufgefordert, den Haftbefehl zu vollstrecken, wenn der Gesuchte bei ihnen im Land ist.

Neue Richtlinien

Dabei würde selbst seine Festnahme wenig ändern. Denn zumindest technisch funktioniert seine Plattform längst ohne ihn. Einfach abschalten oder löschen, wie US-Senatoren immer wieder fordern, lässt sie sich nämlich nicht. Schon weil die Seiten auf ausländischen Servern gelagert sind, deren Betreiber sich herzlich wenig dafür interessieren, was amerikanische Senatoren fordern. Außerdem ist das System so geschickt gesichert, dass es bisher offenbar von keinem Geheimdienst geknackt werden konnte.

Wohl auch deshalb hat die US-Regierung jetzt die Daten-Vorschriften für Regierungsbehörden verschärft. „Warum muss ein 23-jähriger Gefreiter wissen, was Saudi-Arabiens König über den Iran denkt?“, fragt Joel Brenner, der frühere Chef der US-Spionageabwehr.

Das Pentagon und das Weiße Haus haben nun neue Sicherheitsrichtlinien herausgegeben. Künftig soll der Zugang zu sensiblen Informationen auch wieder strenger hierarchisch geregelt werden. Jeder soll nur noch lesen dürfen, was er für seinen Job wirklich braucht. Bislang haben etwa drei Millionen Offizielle Zugang zu dem Netzwerk, das nach außen abgeschottet, aber offenkundig nicht genügend gegen Sabotage von innen geschützt ist.

Informationen breit zu teilen, war zuvor politisch gewollt. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte sich gezeigt, dass die diversen Sicherheitsbehörden zwar Infos über einen bevorstehenden Anschlag hatten. Doch weil sie ihre Erkenntnisse nicht teilten, ließen sich die Puzzlestücke nicht zu einem schlüssigen Bild formen. Eine Alternative sehen Experten darin, weit mehr Dossiers als bislang mit der höchsten Geheimhaltungsstufe zu versehen. Das würde den Kreis der Nutzer einschränken, da Dokumente mit dem „top-secret“-Stempel über andere Kanäle versandt werden.