Düsseldorf. Der Landtag beginnt die Aufarbeitung der Flut-Katastrophe. Für die Landesregierung ist der Zeitpunkt kurz vor der Landtagswahl heikel.
Der Untersuchungsausschuss des Landtags zur Aufarbeitung der Flut-Katastrophe soll mit Hochdruck die Arbeit aufnehmen. Bereits in der konstituierenden Sitzung des Aufklärungsgremiums am Freitag hat die Opposition aus SPD und Grünen die ersten 13 Beweisanträge gestellt, um schnell Sachverständige und Zeugen zu hören. Konkret eingeladen wurden der bekannte Meteorologe Jörg Kachelmann, die britische Hydrologin Hannah Cloke und der Rechtsprofessor Christoph Gusy.
Noch in diesem Jahr soll auch die Prominenz der Landesregierung auf den Zeugenstuhl, darunter der scheidende Ministerpräsident Armin Laschet, sein designierter Nachfolger Hendrik Wüst, Staatskanzleichef Nathanael Liminski sowie die Kabinettsmitglieder Herbert Reul (Innen), Ursula Heinen-Esser (Umwelt) und Ina Scharrenbach (Heimat). Ausschussvorsitzender ist der Essener FDP-Abgeordnete Ralf Witzel.
"Wir dürfen keine Zeit verlieren"
„Uns stehen bis Mai 2022 nur wenige Monate für unsere Untersuchungsarbeit zur Verfügung. Deshalb dürfen wir keine Zeit verlieren und müssen sofort mit der Arbeit beginnen“, sagte SPD-Obmann Stefan Kämmerling. Formal endet ein Untersuchungsausschuss immer mit der nächsten Landtagswahl. Die Landtagsfraktionen haben sich jedoch intern darauf verständigt, dass sich auch im neuen Parlament ein Folge-Ausschuss konstituieren soll.
Die Opposition will vor allem der Frage nachgehen, ab wann die zuständigen Behörden über das drohende Unwetter informiert waren und ob entsprechende Vorkehrungen getroffen wurden. Bei der Hochwasser-Katastrophe waren im Juli allein in NRW 49 Menschen ums Leben gekommen. Durch die Zerstörung von Häusern, Geschäften und Straßen entstand ein Gesamtschaden von rund 30 Milliarden Euro.
U-Ausschüsse als schärfstes Schwert der Opposition
Untersuchungsausschüsse haben gerichtsähnliche Befugnisse und gelten als das „schärfste Schwert“ der Opposition. Zeugen können geladen und interne Regierungsakten ausgewertet werden. Der Untersuchungsausschuss zur Hochwasser-Katastrohe dürfte deshalb stark in den bevorstehenden Landtagswahlkampf hineinwirken. Die Opposition solle nicht der Versuchung erliegen, die Arbeit „allzu sehr parteipolitisch aufzuladen“, warnte CDU-Obmann Thomas Schnelle.
Normalerweise steht am Beginn der Aufklärungsarbeit ein umfassendes Aktenstudium. Die SPD-Opposition drückt jedoch aufs Tempo, um rasch sichtbare Ergebnisse zu produzieren. Noch vor den Herbstferien sollen Landesministerien, Unterbehörden, Wasser- und Talsperren-Verbände sowie diverse Bundesstellen Aktenanforderungen erhalten. „Wir wollen, dass sie die Akten binnen 14 Tagen vorlegen – falls nicht anders möglich mindestens in Teillieferungen“, so SPD-Obmann Kämmerling.
Wiedersehen mit einem alten Bekannten in vertauschten Rollen
Der Landesregierung wird vorgeworfen, frühzeitige Warnungen vor einem Jahrhundert-Regen nicht ernst genug genommen zu haben. Zudem seien Erkenntnisse über extreme Hochwasser-Gefahren entlang von kleinen Bachläufen nicht in Warnungen an die Bevölkerung übersetzt worden. Innenminister Reul hat es bereits als Fehler eingeräumt, dass kein landesweiter Krisenstab eingerichtet wurde.
Zunächst soll sich der Untersuchungsausschuss mit Hilfe von Wetterexperten über die üblichen meteorologischen Warnsysteme informieren. Hierzu gehört werden „Wetterfrosch“ Kachelmann und die britische Wissenschaftlerin Cloke, die das Europäischen Hochwasserwarnsystems (EFAS) mitentwickelt hat. Da beide Experten nicht in der Europäischen Union leben, müssten sie nicht vor dem Untersuchungsausschuss aussagen, werden dies aber vermutlich als Sachverständige gerne tun.
Die Zeitabfolge erinnert an den U-Ausschuss zum Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri, der kurz vor der Landtagswahl 2017 eingesetzt wurde. Damals nutzten CDU und FDP das Gremium, um dem angeschlagenen SPD-Innenminister Ralf Jäger Versäumnisse vorzuhalten. Diesmal könnte die Aufklärungsarbeit unangenehm für den designierten Ministerpräsidenten Hendrik Wüst werden, wenn er im Zeugenstand zu internen Abläufen innerhalb der Landesregierung während der sich anbahnenden Katastrophe Stellung nehmen soll. Einer der Fragensteller auf Seiten der SPD ist übrigens das ordentliche Ausschussmitglied Ralf Jäger.