Düsseldorf. Durchmischte Bilanz in NRW ein Jahr nach dem Hochwasser. Die Landesregierung verweist auf Erfolge, die Opposition auf Lücken.
Ein Jahr nach der schlimmsten Naturkatastrophe in der NRW-Geschichte ziehen Landespolitiker und Hilfskräfte eine durchmischte Bilanz. Einig sind sich alle, dass die Bewältigung der Folgen jener Flut, die in NRW 49 Menschen das Leben kostete, noch Jahre dauern dürfte. „Die Menschen brauchen Zeit. Es werden nicht alle Wunden geheilt werden können“, sagte NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU). An der Frage, ob in NRW alles Mögliche getan wird, um den Betroffenen zu helfen und das Land auf künftige Extremwetter vorzubereiten, scheiden sich die Geister.
Kutschaty (SPD) dringt auf besseren Katastrophen- und Bevölkerungsschutz
„Die Katastrophe wirkt nach. Das Land muss die Menschen beim Wiederaufbau effektiv und niederschwellig unterstützen“, sagte NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty. Leider seien „die Antragsverfahren für Hilfen immer noch zu bürokratisch, zeitaufwändig und nervenaufreibend organisiert“. Diese Hürden müsse die Landesregierung abbauen. Zudem gelte es nun, den Hochwasserschutz organisatorisch und technisch auf den besten Stand zu bringen und den Bevölkerungsschutz auszubauen.
FDP mahnt: "Aus der Jahrhundertflut lernen"
Die FDP-Landtagsfraktion erinnerte an ihre erfolgreiche Initiative, den Untersuchungsausschuss „Hochwasserkatastrophe“ fortzusetzen. „Wir sind es den 49 Menschen, die durch die Flut in NRW starben, schuldig, dass wir aus dieser Jahrhundertflut lernen. Das darf sich nicht wiederholen“, sagte Werner Pfeil, FDP-Obmann im U-Ausschuss, dieser Redaktion.
Warnsysteme zum Schutz der Bevölkerung müssten ausgebaut, geländegängige Fahrzeuge für die Katastrophenhelfer zur Verfügung gestellt, Drohnen für ein Echtzeit-Lagebild neu angeschafft und die Ausrüstung der Katastrophenhelfer generell verbessert werden“, so Pfeil.
Der liberale Landtagsabgeordnete sagte weiter: „Wir begrüßen es, dass sich nicht nur die SPD-Landtagsfraktion, sondern auch CDU und Grüne unserer Initiative angeschlossen haben, den PUA ,Hochwasserkatastrophe' fortzusetzen und zu einem ergebnisorientierten Abschlussbericht zu führen mit umsetzbaren Verbesserungsvorschlägen. Die Hochwasserkatastrophe gehört für uns als FDP-Landtagsfraktion vollständig aufgeklärt. Die Erkenntnisse aus Akten, Zeugenaussagen und Gutachten sind für einen notwendigerweise zu verbessernden Katastrophenschutz besonders wertvoll."
Hilfsorganisationen und Kirchen engagieren sich weiter
Während die Landesregierung der Ansicht ist, man komme beim Wiederaufbau der betroffenen Regionen und bei den Auszahlungen von Hilfsgeldern „gut voran“, erinnern Hilfsorganisationen an die ungelösten Probleme in den Flutgebieten. "Viele Menschen brauchen auch jetzt noch Unterstützung beim Wiederbeschaffen grundlegender Dinge wie Möbel und Haushaltsgeräte", erklärt Kirsten Schwenke, Vorständin des Diakonischen Werks Rheinland-Westfalen-Lippe. Christoph Pistorius, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, erklärte: "Der Seelsorgebedarf in der zermürbenden, sich hinziehenden Wiederaufbauphase ist enorm.“
Laut der Verbraucherzentrale NRW sind viele Betroffene „frustriert und enttäuscht“. Handwerker und Gutachter fehlten, steigende Baukosten bremsten den Aufbau und selbst bewilligte Gelder seien nicht schnell verfügbar.
Betroffene im Ahrtal (Rheinland-Pfalz) fühlen sich vergessen
Auch im Ahrtal in Rehinland-Pfalz bleibt die Lage schwierig. Viele Menschen dort fürchten ein Jahr nach der Flut ein weiteres Schwinden der überregionalen Aufmerksamkeit und Unterstützung. Angesichts der vielen Krisen – Krieg, Inflation, Energiepreise, Corona – machen die Worte von der "vergessenen Katastrophe" die Runde.