Düsseldorf. Die Landesregierung lud am Dienstag zum “Innenstadtgipfel“: Ziel: Die Verödung der Zentren stoppen. Kommunen fordern Hilfe in der Not.

Schon vor Corona litten viele Innenstädte in NRW unter Leerständen. Jetzt, in der Pandemie, erscheinen sie mancherorts „wie Bilder aus einem schlechten Science-Fiction-Film“, warnte die Vizepräsidentin der Industrie- und Handelskammern in NRW, Jutta Kruft-Lohrengel, am Dienstag bei einem „digitalen Innenstadtgipfel“ der Landesregierung. NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) hatte Akteure aus Politik und Wirtschaft eingeladen, die gemeinsam die sterbenden Innenstädte wiederbeleben sollen.

Das Hauptproblem ist derzeit der Lockdown. „Der Handel leidet unter Umsatzrückgängen von 70 Prozent“, sagte Michael Radau, Präsident des Handelsverbandes NRW. Laut Kurt Wehner vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga NRW sind 75 Prozent der Gaststätten und Beherbergungsbetriebe in ihrer Existenz bedroht. Die zähe Auszahlung von Überbrückungshilfen treibe viele in die Verzweiflung. „Wir sind drei Monate im harten Lockdown, und es geht noch um die Auszahlung der Novemberhilfe“, wetterte Wehner.

Verödung der Städte setzte lange vor Corona ein

Aber die Verödung der City hat schon lange eingesetzt. Zwischen 2010 und 2018 seien in NRW-Innenstädten 6500 Geschäfte „verloren gegangen“, bilanzierte Scharrenbach. „Die Innenstädte sind die Seele jeder Stadt“, sagte der Vorsitzende des Städtetags NRW, Bielefelds Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD). Um sie zu retten, müsste der Fokus nicht mehr nur auf dem Einkauf liegen, sondern auf einer Mischung aus Handel, Wohnen, Gastronomie, Kultur und Bildung, erklärten viele Teilnehmer.  

Die Städte rufen nach mehr finanzieller und rechtlicher Hilfe. Städtetag NRW-Chef Clausen forderte eine Ausweitung und Verlängerung des Sofortprogramms des Landes zur Stärkung der Innenstädte und Zentren: „Dann wäre es zum Beispiel für mehr Städte möglich, relevante Schlüsselimmobilien, etwa aufgegebene Kauf- und Geschäftshäuser, zur vorübergehenden Zwischennutzung zu erwerben“, sagte Clausen unserer Redaktion. Die Landesregierung hatte das Hilfsprogramm im Sommer mit einem Gesamtvolumen von 70 Millionen Euro aufgelegt.

Reform des Baurechts gefordert

Clausen forderte überdies mehr Tempo bei der Reform des Baurechts. Die Städte benötigten ein gestärktes Vorkaufsrecht, um Flächen leichter erwerben und diese für Folgenutzungen wie den Bau bezahlbarer Wohnungen anbieten zu können. Das Land solle sich beim Bund für einen schnellen Abschluss der Novelle stark machen, so Clausen.

Als „gutes Signal“ bezeichnete der Städtetag die neuen Pandemie-Vorschriften des Miet- und Pachtrechts. Gewerbemieter, die aufgrund der staatlich verordneten Corona-Maßnahmen ihr Geschäft nicht mehr öffnen dürfen, können eine Mietanpassung verlangen.

Die Minister Scharrenbach, Andreas Pinkwart (Wirtschaft, FDP) und Lutz Lienenkämper (Finanzen, CDU) nahmen diese Gedanken auf und stellten Hilfen in Aussicht.