Berlin. Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus lieferten sich die SPD und die Grünen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Nun gibt es einen Sieger.

Die SPD hat die Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin gewonnen - damit bekommt die Hauptstadt erstmals eine Regierende Bürgermeisterin. Die Partei mit Spitzenkandidatin Franziska Giffey erreichte am Sonntag nach Auszählung aller Stimmbezirke 21,4 Prozent und landete damit vor den Grünen, die mit 18,9 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Berlin-Wahl bekamen.

Noch am Abend schienen sich SPD und Grüne ein Kopf-an-Kopf-Rennen zu liefern - beide lagen in ersten Prognosen über 20 Prozent. Die CDU erreichte laut Angaben der Landeswahlleitung 18,1 Prozent, Die Linke kam auf 14,0 Prozent, die  AfD erreichte 8,0 Prozent, die FDP 7,1 Prozent.

Der bisherige Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) trat nicht mehr für das Amt an bemühte sich um ein Mandat für den Bundestag.

Berlin: Wahl zum Abgeordnetenhaus verlief teils chaotisch

Die Berlinwahl verlief zum Teil chaotisch. Vor einigen Wahllokalen gab es lange Schlangen. In Berlin wurden neben dem Bundestag und dem Landesparlament die Bezirksverordnetenversammlung gewählt. Darüber hinaus gab es einen Volksentscheid zum Thema Mieten.

Zudem fand am Sonntag der international besetzte Berlin-Marathon statt. Mehrere Wahllokale mussten zeitweise schließen, weil vor Ort die Stimmzettel ausgegangen waren. Manche Lokale bekamen zudem falsche Stimmzettel geliefert. Der Nachschub blieb wegen des Marathons und den damit verbundenen Straßensperrungen im Straßenverkehr stecken.

Der Bundeswahlleiter twitterte: „Die Landeswahlleiterin Berlin hat uns mitgeteilt, dass in Wahllokalen in Berlin Zweitstimmzettel der Wahl zum Abgeordnetenhaus fehlen. Wahllokale hatten, wie sich erst am Wahltag herausstellte, Zweitstimmzettel eines anderen Bezirks erhalten.“

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Mögliche Koalitionsverhandlungen könnten durch den Volksentscheid zum Mega-Thema Mietpreisexplosion erschwert werden. Parallel zur Abgeordnetenhauswahl waren die Wählerinnen und Wähler zu einem Referendum der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ aufgerufen. Dabei ging es darum, ob Immobilienkonzerne vergesellschaftet werden sollen, die mehr als 3000 Wohnungen besitzen. Während die Linkspartei mit ihrem Spitzenmann Klaus Lederer das Volksbegehren für die Enteignung unterstützte, hatte sich die SPD-Kandidatin Franziska Giffey klar dagegen gestellt.

Großes Thema war die Wohnungspolitik

Giffey suchte im Wahlkampf die Nähe zur Wirtschaft. Die geschätzten 30 Milliarden Euro, die Berlin den Firmen als Entschädigung für Enteignungen zahlen müsse, sollten lieber in den Wohnungsneubau fließen. Giffey will den Neubau durch ein Bündnis mit der Wohnungswirtschaft voranbringen. Die SPD-Spitzenfrau unterstrich zudem ihr Ziel, Berlin zu einem Zentrum für Start-up-Unternehmen und Kreativwirtschaft zu machen. 

Die Grünen wollen Wohnungsunternehmen hingegen zu einem Mietenschutzschirm zwingen. Das Kalkül: Wenn sich die Firmen zu einer gemeinwohlorientierten Wohnungspolitik bekennen, soll es im Gegenzug keine Enteignung geben. Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sah aber den Volksentscheid als letztes Druckmittel an. CDU, FDP und AfD waren hingegen für mehr Wohnungsneubau und gegen die Enteignung.

Giffey für alle Formen der Mobilität

Auch beim zweiten heiß umstrittenen Berliner Thema, der Verkehrspolitik, fuhr Giffey einen eigenen Kurs. In der Hauptstadt stehen viele täglich im Stau, vom Stadtrand bietet der öffentliche Nahverkehr oft keine Alternative zum Auto.

Hatte Giffey beim Thema Wohnen den Konflikt mit der Linken gesucht, legte sie sich in der Verkehrspolitik mit den Grünen an. Diese wollen eine weitgehend autofreie Innenstadt. Dafür soll der Parkraum um die Hälfte und auch der Platz für den Autoverkehr reduziert werden, Wege für Radfahrer verbreitert und eine City-Maut eingeführt werden. Giffey plädierte hingegen dafür, alle Formen der Mobilität zu akzeptieren und den U-Bahn-Ausbau voranzutreiben.

Viel Kritik an Franziska Giffey wegen Doktortitel

Giffey machte ab 2015 als Bürgermeisterin im Berliner Problembezirk Neukölln von sich reden. Im März 2018 folgte dann ihr Wechsel in die Bundespolitik - Giffey wurde Bundesfamilienministerin. In dieser Funktion setzte sie Themen wie Kinderbetreuung, Familienpolitik und Gleichberechtigung um und war zeitweilig eines der beliebtesten Kabinettsmitglieder. Bei den Sozialdemokraten stieg sie deshalb zur Hoffnungsträgerin für höhere Ämter auf.

Doch dann wurde die beliebte Ministerin von den Plagiatsvorwürfen um ihre Doktorarbeit eingeholt. Nach einer neuerlichen Überprüfung der Arbeit entzog die Freie Universität Berlin Giffey im Juni den Doktorgrad. Diese war der Entscheidung bereits zuvorgekommen und im Mai als Bundesfamilienministerin zurückgetreten. In der Landespolitik blieb Giffey aber aktiv.

Schon vor der Entscheidung der Universität machte sie deutlich, auch bei einer Aberkennung des Doktortitels an der Berliner Spitzenkandidatur festhalten zu wollen. Im August kamen weitere Negativschlagzeilen hinzu: Giffey soll auch bei ihrer Masterarbeit abgeschrieben haben. Einem die Arbeit untersuchenden Wissenschaftler zufolge soll sie „einfachste Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens verletzt“ haben.

(mit fmg)