Essen. Das Verkehrsministerium will NRW zum Bahnland Nummer eins machen. Die Opposition spricht von einer Aktion “kurz vor Toresschluss“.
Ein flächendeckender 15-Minuten-Takt in ganz NRW, mehr Direktverbindungen von Stadt zu Stadt, aufwendige Neu- und Ausbaumaßnahmen: Im Düsseldorfer Verkehrsministerium kursieren nach WAZ-Informationen derzeit ehrgeizige Pläne für einen „Idealfahrplan“, der NRW bis 2040 zum Bahnland Nummer eins machen soll.
„Zielnetzkonzeption 2032/2040“
„Durch dieses erstmalig gesamthafte Konzept für ganz Nordrhein-Westfalen kann landesweit der Schienenverkehr enorm gestärkt werden, können die Angebote signifikant verbessert und besser aufeinander abgestimmt werden“, heißt es in der im Hause von Verkehrsministerin Ina Brandes (CDU) verfassten „Zielnetzkonzeption 2032/2040“ für den regionalen Schienenverkehr. Das Papier soll am Mittwoch im Verkehrsausschuss des Landtages erstmals öffentlich vorgestellt werden.
NRW sieht sich als Vorreiter in Deutschland
Mit dem Vorhaben will das Land den Bahnverkehr in NRW attraktiver machen und dazu beitragen, die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen. „Insellösungen“ sollen vermieden und geplante Projekte im regionalen Personenbahnverkehr besser miteinander verzahnt werden. Mit dieser Vorgehensweise sieht sich das Land in einer bundesweiten Vorreiterrolle.
336 Einzelmaßnahmen
Konkret geht es um 336 Einzelmaßnahmen, die in den nächsten 18 Jahren umgesetzt werden sollen, darunter auch solche, die wie der RRX bereits im Bau sind. Die meisten Projekte waren bislang aber nur Zukunftsmusik. Die Liste reicht vom schlichten Weichenneubau bis hin zu Großvorhaben wie den Aufbau komplett neuer S-Bahn-Netze im Münsterland und in Ostwestfalen inklusive neuer Haltestellen, Direktverbindungen und beschleunigter Fahrzeiten.
Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken
Weiterer zentraler Bestandteil des Konzepts ist die von Klimaschützern und vielen Verkehrsexperten seit langem geforderte Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken. Als Beispiel hierfür nennt das Papier unter anderem die Walsum-Bahn (Duisburg – Wesel) und die Ratinger Weststrecke (Duisburg – Ratingen – Düsseldorf). Zudem soll es zu einer Taktverdichtung auf zentralen Linien kommen. Bis 2032 sollen überdies zwölf NRW-Kommunen neu ans Schienennetz angeschlossen und insgesamt 96 neue Bahnstationen gebaut werden.
Kosten wohl bei 40 Milliarden Euro
Von den über 300 Einzelmaßnahmen sind den Angaben zufolge bislang 81 Projekte gebündelt in 34 Paketen beim Bund für eine Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz angemeldet und stehen damit bereits schon jetzt vor der konkreten Umsetzungsphase. Kosten nennt die Landtagsvorlage nicht. Nach Informationen dieser Redaktion taxiert man im Ministerium den Kostenrahmen für alle Maßnahmen auf 40 Milliarden Euro.
Welches Rad im NRW-Regionalverkehr dabei gedreht werden soll, zeigt ein Vergleich: Das bereits eingepreiste Riesenprojekt RRX schlägt im Gesamtbudget mit lediglich zwei Milliarden Euro zu Buche.
Hoffnung ruht auf Bundeshilfe
Finanziert werden kann das Ganze nur mit Bundeshilfe. Angesichts der Herausforderungen in der Klima- und Verkehrspolitik und der Versprechen der Ampelkoalitionäre gibt man sich in Düsseldorf mit Blick auf Berliner Rückenwind freilich zuversichtlich.
Gleichsam als Fingerübung für den großen Aufschlag hat das Haus von NRW-Verkehrsministerin Ina Brandes (CDU) unterdessen soeben mehr als eine halbe Milliarde für aktuelle Bahnprojekte freigegeben. Fürs Ruhrgebiet unter anderem relevant: Spätestens ab 2031 sollen Züge zwischen Gelsenkirchen und Münster öfter pendeln.
Vorbild ist der Deutschlandtakt der Bahn
Vorbild für das NRW-Bahnkonzept ist übrigens der Deutschlandtakt der Deutschen Bahn. Der Staatskonzern will ab 2030 Fernzüge im Halbstundentakt fahren lassen.
Schlagzeilen macht die DB derzeit allerdings eher mit Unpünktlichkeit. Der Essener Bundestagsabgeordnete Kai Gehring (Grüne) sieht vor allem das Ruhrgebiet abgehängt. Auf der stark frequentierten Strecke Essen – Berlin seien aktuell Verspätungen bis zu einer Stunde keine Seltenheit, sagte Gehring dieser Redaktion.
Grüne und SPD reagieren mit Kritik
Die Düsseldorfer Landtagsopposition hat die „Zielkonzeption“ des Verkehrsministeriums inzwischen scharf kritisiert. Verkehrsministerin Ina Brandes (CDU) lege „auf den letzten Drücker“ kurz vor den Landtagswahlen einen Plan vor mit Maßnahmen, die eigentlich schon lange hätten geplant und umgesetzt sein müssten, betonte der verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Arndt Klocke.
Das liege auch daran, dass Bund und Land unter CDU-Führung Prioritäten im Verkehrssektor falsch gesetzt und zu wenig finanzielle und personelle Ressourcen bereitgestellt hätten, so Klocke.
SPD-Vizefraktionschef André Stinka nannte die Vorlage des Papiers für den heute tagenden Verkehrssauschuss eine Maßnahme der amtierenden Landesregierung „kurz vor Toresschluss“.