Essen. Der RRX hat den Deutschen Mobilitätspreis gewonnen. Gerhard Greiter vom Erbauer Siemens meint, darüber könne sich auch das Ruhrgebiet freuen.

Über 300 Start-ups, Unternehmen, Verbände und Forschungsinstitutionen haben sich mit ihren Projekten um den Deutschen Mobilitätsspreis 2020 beworben. Gewonnen hat ihn der Rhein-Ruhr-Express (RRX). Und damit eine ganze Region, meint Gerhard Greiter, Deutschland-Chef des RRX-Herstellers Siemens Mobility.

Dass Züge Preise gewinnen, ist eher ungewöhnlich. Was bedeutet das für Siemens und den RRX?

Gerhard Greiter, Siemens
Gerhard Greiter, Siemens © Handout | Siemens

Gerhard Greiter: Der Deutsche Mobilitätspreis hat für uns eine ganz besondere Bedeutung. Er unterstreicht noch einmal, dass der RRX ein Vorzeigeprojekt deutscher Ingenieurskunst ist. Ausgezeichnet fühlen dürfen sich aber auch die beteiligten Verkehrsverbünde und die gesamte Rhein-Ruhr-Region. Der RRX verbindet hier nicht nur Menschen und Städte. Er wird in Krefeld gebaut, in Wegberg-Wildenrath getestet und in Dortmund gewartet. Der RRX ist ein Zug aus der Region für die Region.

Das 2018 eröffnete RRX-Instandhaltungswerk in Dortmund-Eving hat der Region 100 neue Arbeitsplätze gebracht und Siemens 30 Millionen Euro gekostet. Sind Sie zufrieden mit der Investition?

Absolut. Nach Eving pilgert inzwischen die gesamte Branche. Bahnexperten aus aller Welt wollen sich vor Ort anschauen, wie unser Konzept einer vorausblickenden Wartung funktioniert. Für Siemens ist der RRX dadurch zum Aushängeschild geworden.

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Was ist das Besondere am RRX-Konzept?

Wir bauen und liefern nicht nur die Züge. Wir übernehmen für den Betriebszyklus von 32 Jahren ja auch die Wartung und Instandhaltung der RRX-Flotte. Diese Kombination mit der digitalen Vernetzung von Zug und Service-Depot ist deutschlandweit einmalig.

Was haben der Betreiber und die RRX-Fahrgäste davon?

Siemens kann beim RRX seine Kompetenz im Zugbau und in der Digitalisierungstechnik zusammenführen. Die RRX-Fahrzeuge sind mit einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet, die Verschleiß frühzeitig erkennen und melden. So kann beispielsweise die Türsteuerung schon gewartet werden, bevor sie überhaupt ausfällt. Die Instandhaltung wird zudem erleichtert, weil wesentliche Teile der Antriebstechnik auf dem RRX-Dach montiert und somit für die Wartung besser zugänglich sind. Die Wartungszeit der Züge fällt also deutlich kürzer aus. Dadurch können wir eine nahezu 100-prozentige Verfügbarkeit der RRX-Flotte im Betrieb garantieren, ein sehr hoher Wert. Die Züge werden in der Folge pünktlicher und fallen seltener aus.

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Die Corona-Pandemie verändert gerade das Verhalten vieler Verkehrsteilnehmer. Öffentliche Verkehrsmittel geraten ins Hintertreffen. Was sagen Sie dazu?

Wir sehen, dass Corona das Mobilitätsverhalten der Menschen verändert hat. Es gab eine Verlagerung weg von der Schiene zum privaten PKW und zum Rad. Doch die Fahrgäste kommen Stück für Stück zurück. Nach Lage der Dinge gibt es in öffentlichen Verkehrsmitteln kein erhöhtes Infektionsrisiko. Klar ist auch: Eine Wende zu einer klimaschonenderen Mobilität ist ohne öffentliche Verkehrsmittel nicht denkbar.

Welche Rolle spielt dabei der Schienenverkehr?

Die Bahn ist energetisch eines der effizientesten Verkehrsmittel überhaupt, was auch an der weitgehend ausgereiften Elektromotor-Technik liegt. Züge haben zudem fast keinen Rollwiderstand. Auf nicht elektrifizierten Strecken kommen derzeit Batterien und in Zukunft auch Wasserstoff als Antriebsquelle in Frage. Wasserstofftechnik ist aber noch nicht ausgereift. Große Ersparnisse wird noch einmal das autonome Fahren bringen.

Warum?

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Durch intelligente Steuerung des Fahrbetriebs rechnen wir mit energetischen Einsparungen von bis zu 20 Prozent. Zudem steigt die Kapazität. Der Computer kann die Züge einfach besser takten und Strecken effizienter befahren als die besten Lokführer.

Wird es also bald überall Züge ohne Fahrer geben?

Fahrerlose Bahnen sind eher für den Nahverkehr geeignet, Modellprojekte bei U-Bahnen gibt es ja bereits. In Hamburg startet im Rahmen eines Pilotprojektes von Hansestadt, DB und Siemens im nächsten Jahr ein hochautomatisierter S-Bahn-Betrieb. Das heißt, der Zugführer steuert nicht mehr selbst, kann aber im Notfall eingreifen. Diese Betriebsart wird ab 2025 wahrscheinlich auch auf anderen Strecken vermehrt zum Einsatz kommen.

>>>>>> Der Deutscher Mobilitätspreis gilt als prestigeträchtige bundesweite Auszeichnung für digitale Innovationen im Mobilitätsbereich. Verliehen wird er vom Bundesverkehrsministerium und der Initiative „Deutschland - Land der Ideen“. In diesem Jahr stand der Wettbewerb unter dem Motto „Intelligent unterwegs: Gemeinsam. Vernetzt. Mobil.“ Insgesamt gibt es zehn Preisträger. Der RRX ist einziger Gewinner aus NRW. Der von Siemens gebaute Zug ist derzeit das größte Infrastrukturprojekt in NRW.