Gütersloh. Nach langer Pause ist Hans-Dietrich Genscher am Sonntag erstmals wieder bei einem FDP-Parteitag aufgetreten. Und der 85-Jährige erteilte dem frisch gewählten Landeschef sogleich den politischen Ritterschlag: Christian Lindner sei der “Hoffnungsträger der Liberalen in Deutschland“, sagte Genscher.

Auf der Krönungsmesse des neuen FDP-Landeschefs Christian Lindner erteilt der große alte Mann der Liberalen, Hans-Dietrich Genscher, dem jungen „Heilsbringer“ den politischen Ritterschlag. Der 85-Jährige tritt nach Jahren erstmals wieder auf einem Parteitag auf und nennt Lindner den „Hoffnungsträger der  Liberalen in Deutschland“. Ein Affront gegen den glücklosen FDP-Bundeschef Philipp Rösler? Der „Spiegel“ berichtet über  Putschgerüchte gegen Rösler. Vor der Bundestagswahl soll Rainer Brüderle übernehmen.

Auf dem FDP-Landesparteitag in Gütersloh dreht sich aber alles um den neuen Leitwolf Lindner. Der 33-jährige wird gefeiert wie ein Popstar. Lindner hat den  Wiederaufstieg der Liberalen nach dem Absturz eingeläutet. Seither erlebt die FDP ihr blau-gelbes Wunder in NRW – in Umfragen stieg die FDP von zwei auf jetzt sechs Prozent.  Lindners One-Man-Show wirkt. Die 375 Delegierten in Gütersloh danken dem neuen FDP-Landeschef bei dessen Wahl mit fast 98 Prozent Zustimmung.

Hans-Dietrich Genscher ist "stolz" auf Christian Lindner

Fast überschwänglich lobt Genscher Mut, Charakter, Glaubwürdigkeit und den klaren Kurs des Spitzenkandidaten. „Ich bin stolz auf Sie.“ Lindner zitiert dankbar Genschers Lebensmotto: „Niemals aufgeben, immer für Überzeugungen kämpfen.“ Der neue FDP-Landeschef setzt auf solide Finanzen statt teurer Versprechen. Für eine „Ampel-Koalition“ mit SPD und Grünen baut Lindner unüberwindbare Hürden auf. „Wir sind keine Reserve für Rot-Grün, sondern eine Alternative zu Rot-Grün.“ Der FDP-Spitzenkandidat sieht keine Abkehr bei Rot-Grün vom bisherigen Schuldenkurs. Mehr noch – Lindner fordert schon bis 2017 einen ausgeglichenen Landeshaushalt in NRW.

Der FDP-Landeschef präsentiert die Liberalen als bürgerliche Alternative zu Rot-Grün. Lindner beleidigt die politischen Wettbewerber nicht, aber er beschreibt fundamentale Unterschiede zum Staatsdenken. Die FDP wolle bei Bürokratie und Förderprogrammen sparen - keine Steuern erhöhen. Einen  ungewollten Patzer leistet sich Lindner, als er Daniel Bahr dafür dankt, dass der auf den Landesvorsitz verzichtet hat, „um die Wahlchancen zu erhöhen“.

FDP demonstriert neues Selbstbewusstsein

Eine Woche vor der NRW-Wahl demonstriert die FDP in Gütersloh neues Selbstbewusstsein. Lindner stellt Inhalte vor Koalitionsspielchen. Der CDU wirft der FDP-Landeschef Halbherzigkeit beim Schuldenabbau vor, Rot-Grün traut es Lindner schlicht nicht zu. Der Typ des Verteilungspolitikers hat aus FDP-Sicht ausgedient.

In den letzten Tagen haben FDP-Promis wie Genscher,   Kinkel, Baum und Hirsch dem  liberalen Jungstar Lindner Flankenschutz gegeben. Die alte Garde der FDP setzt auf die Rückkehr zu liberalen Tugenden: Mehr Freiheit, weniger staatliche Bevormundung. Lindners Botschaft vom neuen Denken und neuer Glaubwürdigkeit trifft in Gütersloh auf offene Ohren.

Ex-Parteichef Genscher, der nach einer schweren Herz-Operation nach Gütersloh gereist ist, sieht in Lindner die große Perspektive für die Liberalen. Lindner sei ohne halb geöffnete Hintertür nach NRW gekommen, lobt Genscher mit einem Seitenhieb auf den CDU-Bewerber Norbert Röttgen. Dass Lindner den gescheiterten FDP-Chef Rösler irgendwann beerben könnte, sagt Genscher nicht.

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