Düsseldorf. An den Bund-Länder-Beschlüssen zu den Corona-Maßnahmen gibt es viel Kritik. NRW-Ministerpräsident Laschet verteidigte die Ergebnisse im Landtag.

Nach dem Bund-Länder-Beschluss zur Verlängerung des Corona-Lockdowns bis mindestens 7. März bekommt NRW-Ministerpräsident und CDU-Chef Armin Laschet unerwartet kräftigen Gegenwind.

Als „große Enttäuschung der Bürgerinnen und Bürger und auch der FDP in Nordrhein-Westfalen“ bewertete sie der FDP-Landtagsfraktionsvorsitzende Christof Rasche am Donnerstag. Der Liberale kritisierte den Umfang der Verlängerung: „Zwei Wochen hätten gereicht.“ Das Festhalten an Kontaktbeschränkungen sei „weltfremd“.

Inzidenzwert von 35 "aus der Schublade gezogen"

Rasche kritisierte, dass die Runde der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin nun einen Corona-Inzidenzwert von 35 als Voraussetzung für Lockerungen „einfach aus der Schublade gezogen“ habe. Der FDP-Politiker warf der Bundesregierung bei der Auszahlung von Wirtschaftshilfen „totales Versagen“ vor und kritisierte, dass allein Friseure bereits am 1. März wieder ihre Geschäfte öffnen dürften.

Laschets CDU regiert in NRW seit 2017 mit der FDP und verfügt nur über eine Landtagsstimme Mehrheit. Empörung schlug dem Ministerpräsidenten auch aus der Wirtschaft entgegen. Von „Endzeitstimmung“ sprach der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), der in NRW rund 50.000 Betriebe mit 375.000 Beschäftigten repräsentiert. Es sei „eine klatschende Ohrfeige“, dass es keinerlei Öffnungsperspektive gebe, so Dehoga-Landeschef Bernd Niemeier.

Unternehmerpräsident: Beschlüsse "in hohem Maße frustrierend"

Die Beschlüsse der Bund-Länder-Runde seien „in hohem Maße frustrierend“, kritisierte auch Unternehmer-Präsident Arndt Kirchhoff. „Angesichts der erheblich gesunkenen Inzidenzwerte hätten wir klarere und verlässlichere Perspektiven von der Politik erwartet“, so Kirchhoff.

„Die Politik darf die Unternehmen keinen Tag länger geschlossen zu halten, als dies für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zwingend erforderlich ist“, forderte Lars Baumgürtel, Vizepräsident der IHK Nord Westfalen und Unternehmer aus Gelsenkirchen. Die Ruhrwirtschaft drohe in eine „gefährliche Schieflage“ zu geraten. Von einem „schwarzen Tag für den Handel“, sprach Tengelmann-Chef Christian Haub. Der Handel werde zum Kollateralschaden einer Nicht-Öffnungsstrategie, „bei der das langsame Sterben einer ganzen Branche sehenden Auges in Kauf genommen wird“.

Laschet: Stufenplan für Lockerungen "eine Illusion"

Laschet verteidigte die Bund-Länder-Beschlüsse ↓ am Donnerstag im NRW-Landtag. Dazu hatten die Regierungsfraktionen von CDU und FDP eine Sondersitzung beantragt.

Den Forderungen nach einem Stufenplan erteilte er bereits in seinem Eingangsstatement eine Absage: „Das ist uns Menschen tief im Wesen drin, dass man liebsten alles planen will.“ Schritt für Schritt planen zu können, sei angesichts der Virusmutationen aber eine Illusion. Es werde zunächst „weiter auf Sicht gefahren“.

Laschet zu Friseur-Salons: „Bin kein Bundesligaspieler“

Zur Öffnung der Friseursalons am 1. März sagte der Ministerpräsident, dass es gerade für ältere Menschen ein besonderes Anliegen sei. „Von mir aus können die Haare noch länger wachsen“, sagte Laschet, „ich ertrage das, ich bin ja kein Bundesligaspieler.“

Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, hat am Donnerstag im NRW-Landtag über die Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Krise informiert.
Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, hat am Donnerstag im NRW-Landtag über die Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Krise informiert. © Marcel Kusch/dpa

Laschet betonte den Fortschritt der Corona-Impfungen in den Pflegeheimen. „Wir haben eine Schutzmauer errichtet, damit die Vulnerablen keine Opfer der Pandemie werden.“ Insgesamt seien in NRW bislang mehr als 900.000 Coronaschutzimpfungen verabreicht worden, sagte Laschet. Darüber hinaus seien 1,3 Millionen Termine vergeben worden.

Überbrückungshilfe III soll bald ausgezahlt werden

„Die Überbrückungshilfe für Unternehmen hat zu lange gedauert“, gab Laschet zu. Das habe auch an einem „gewissen Perfektionismus“ der beteiligten Bundesministerien gelegen. Deshalb seien die Antragsformulare „viel zu spät gekommen“. Seit Mittwoch aber könnten die Anträge auf Überbrückungshilfe III gestellt werden. Abschlagszahlungen sollen noch in den kommenden Februartagen erfolgen, versprach Laschet.

Der Ministerpräsident beendete seine Rede mit den Worten: „Wir werden im März schon ganz anders auf das Geschehen blicken können.“ Am 3. März wollen Bund und Länder über mögliche weitere Öffnungsschritte beraten.


Lockdown bis zum 7. März – Grundschulen öffnen zuerst

Die Länderregierungschefs und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten am Mittwoch vereinbart, den Lockdown grundsätzlich bis zum 7. März zu verlängern. Sollte die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen bis dahin stabil unter 35 gesunken sein, sollen die Länder die Beschränkungen danach jeweils schrittweise lockern. Dann sollten zuerst der Einzelhandel, Museen und Galerien sowie Betriebe mit körpernahen Dienstleistungen unter konkreten Auflagen wieder aufmachen können. Ausnahme sind Friseurbetriebe: Sie dürfen ihren Betrieb schon am 1. März unter Auflagen wieder aufnehmen.

Laschet verteidigte am Mittwochabend bei einem Pressestatement die Verlängerung der coronabedingten Einschränkungen. „Ich weiß, dass viele Menschen das Thema Corona nicht mehr hören können“, sagte er. Zwar habe NRW bei der Neuinfektionsrate die niedrigste Zahl seit dem 20. Oktober erreicht, aber die Wirkung der neuen Virus-Variante sei nicht abzuschätzen. „Wir wissen zu wenig über das mutierte Virus“, sagte er. „Wir wollen Zeit gewinnen.“

Im Schulbereich haben die Länder im Rahmen ihrer Bildungshoheit freie Hand bei Öffnungen. Bereits am 22. Februar startet in NRW für Grundschüler, Abschlussklassen und Förderschüler ein Wechselmodell mit Präsenzunterricht. Wenn die Zahl der Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohner 50 unterschreitet, sollen Grundschulen vollen Präsenzunterricht anbieten und weiterführenden Schulen in Wechselmodelle starten. Am Donnerstag lag der Wert in NRW bei 62,7. (tobi/meß/mit dpa)

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