Düsseldorf. Die Besetzer des Kraftwerks Datteln hatten sich die Fingerkuppen verklebt. Um ein Haar hätte ihnen dieses Verhalten tagelange Haft eingebracht.
Hart und konsequent wollen die NRW-Sicherheitsbehörden gegen Klima-Aktivisten vorgehen, die sich – wie am Wochenende in Datteln – über Recht und Gesetz hinwegsetzen. Doch bei den mehr als 100 Frauen und Männern, die das Kraftwerk am Sonntag besetzten, gelang bisher nicht einmal die Identitätsfeststellung. Die Demonstranten hatten sich die Fingerkuppen mit Sekundenkleber verklebt, so dass vor Ort nur wenige Personalien festgestellt werden konnten. Das neue Polizeigesetz in NRW würde es in einem solchen Fall gestatten, Aktivisten bis zu sieben Tage in Gewahrsam zu nehmen. Dazu kam es aber nicht. Die Staatsanwaltschaft Bochum erkannte in diesem Fall keine Haftgründe. Für ein so hartes Durchgreifen seien die Vergehen, die hier im Raum stehen, zu geringfügig.
Schon bei den Protesten am Hambacher Forst galt die kollektive Verweigerung von Personalien aus Sicht der Protest-Initiative „Ende-Gelände“ als „sinnvolle Strategie“. Diese Strategie ging auch am Sonntag bei der Besetzung des Kraftwerkes Datteln auf. Mehr als 100 Aktivisten hatten sich die Fingerkuppen mit Sekundenkleber verklebt und auf alles verzichtet, was sonst Rückschlüsse auf ihre Identität zulässt, zum Beispiel Ausweise und Bankkarten.
Bis zu sieben Tage im Gewahrsam möglich
Die Sicherheitsbehörden müssen nun sehr mühsam herausfinden, mit wem sie es überhaupt zu tun hatten. Dabei ließe das neue Polizeigesetz in NRW eine konsequentere Überprüfung der Personalien durchaus zu: Wer seine Identität gegenüber der Polizei nicht preisgeben möchte, der kann bis zu sieben Tage lang festgehalten werden, wenn ein Richter dies für angemessen hält.
Wie diese Redaktion aus Sicherheitskreisen erfuhr, stand eine längere „Ingewahrsamnahme“ der Demonstranten am Wochenende tatsächlich zur Diskussion. Es habe hierzu eine „Kontaktaufnahme“ gegeben zwischen Staatsanwaltschaft, Amtsgericht und Polizei. Am Ende aber durften die Aktivisten den Heimweg antreten und mussten nicht in Haft. „Für eine solche Ingewahrsamnahme müssen echte Haftgründe vorliegen“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Bochum. Im Fall der Besetzung des Kraftwerksgeländes handele es sich um Straftaten im vergleichsweise „unteren Bereich“ wie Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung. Tagelange Haft wäre „unverhältnismäßig“. In Datteln fotografierte die Polizei die Aktivisten, deren Identität nicht gleich festzustellen war. Die Ermittlungen der Personalien dauerten an, sagte eine Polizei-Sprecherin am Montag.
Bisher mussten vier Identitätsverweigerer in NRW in tagelange Haft
Dass die Verschleierung der Identität auch anders ausgehen kann, mussten im vergangenen Jahr vier Aktivisten erfahren, die auf das Tagebaugelände Garzweiler eingedrungen waren und dort einen Bagger besetzen wollten. Auch sie hatten ihre Finger mit Sekundenkleber verklebt. Das Amtsgericht Erkelenz ordnete daraufhin eine fünftägige Ingewahrsamnahme an in der Annahme, bis dahin würden sich die Verklebungen lösen. Zwei der vier Aktivisten teilten dann doch noch ihre Personalien mit, die beiden anderen blieben tagelang im Gewahrsam. Einen Protest der Betroffenen dagegen wies später das Landgericht Mönchengladbach zurück. Laut dem NRW-Innenministerium gab es bisher vier Ingewahrsamnahmen wegen Identitätsverweigerung (Stand: Dezember 2019) nach dem neuen Polizeigesetz.
Sekundenkleber haftet mehrere Tage lang an den Händen, ist aber relativ leicht wieder zu entfernen. Ein bekannter Hersteller empfiehlt: Seife und warmes Wasser, Zitronensaft, Margarine oder Waschmittel.