Datteln. Die Proteste gegen das Kohlekraftwerk Datteln IV halten an. Am Sonntag stürmten rund 150 Menschen das Gelände und besetzten einen großen Kran.
Die Aktion kommt nicht überraschend, sie kommt nur überraschend früh im Jahr. Rund 150 Menschen haben am Sonntag das Gelände des Kohlekraftwerks Datteln IV gestürmt, das erst in diesem Sommer ans Netz gehen soll. Am Nachmittag wurde das Gelände von der Polizei geräumt.
Tor aufgebrochen - auf großen Kran geklettert
Der Tag hat noch nicht richtig begonnen, da kommen sie. Kurz vor halb acht morgens am Sonntag klettern 150 Aktivisten der Aktionsgruppen „Ende Gelände“ und „DeCOALonize Europe“ aus Autos, die in der Nähe des Kohlekraftwerks in Datteln geparkt sind. Binnen kürzester Zeit haben sie – gekleidet überwiegend in weiße Schutzanzüge und mit Mundschutz vor dem Gesicht – die Kette eines Werkstores geknackt, laufen zu einem der riesigen Kräne, mit denen Kohle auf die Förderbänder geladen wird und klettern hinauf. Schon kurz darauf haben starke Polizeikräfte den sogenannten „Portalkratzer“ umstellt.
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Wie es heißt, war eine Hundertschaft der Polizei bereits am späten Samstagabend in der Stadt, um die Zufahrtswege zum Kraftwerk zu kontrollieren. „Dabei wurden auch drei Personen vorübergehend in Gewahrsam genommen, am Morgen aber wieder entlassen“, sagt Polizeisprecherin Ramona Hörst. Warum es den Aktivisten trotz der Polizeipräsenz gelang, auf das Gelände zu kommen, ist bisher unklar.
Polizei sperrt das Kohlekraftwerk weiträumig ab
Probebetrieb bis zum Sommer
Das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 befindet sich aktuell im Probebetrieb. Der Betreiber Uniper will es im Sommer nach neun Jahren Verzögerung ans Netz bringen.
Im Gegenzug will Uniper alte Kohleblöcke stilllegen. Dennoch erwartet selbst der Bund eine höhere CO2-Belastung. Im Zuge des Kohleausstiegs wollte die Regierung eine Milliarden-Entschädigung vermeiden
So groß ist das Gelände, dass in den ersten Stunden ein Protest fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit bleibt. Nur leise dringen die Gesänge der Besetzer bis zu den Werkstoren, kaum zu lesen ist das Transparent, das sie am Kran herunter gelassen haben. „Exit Coal – enter future“, steht darauf. „Kohle verlassen – Zukunft betreten.“
Schnell hat die Polizei das Werk weiträumig abgesperrt, lässt aber Fußgänger passieren, die zu einer Mahnwache vor Tor 3 wollen. Zwei Gartenpavillons haben die Aktivisten dort zum Schutz vor dem unaufhörlich fallenden Regen aufgestellt, haben Sitzgelegenheiten mitgebracht und verteilen Kekse. Der Andrang ist – vorsichtig ausgedrückt – zunächst verhalten. In und um Datteln scheint kaum jemand etwas von der Protest-Aktion mitbekommen zu haben.
Uniper will Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstatten
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Das ändert Kathrin Henneberger, Pressesprecherin von „Ende Gelände“ Punkt 12 Uhr. Da gibt sie – im Regen vor dem Werkstor stehend – eine Pressekonferenz. „Wir können es nicht zulassen, dass mit Datteln 4 ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz geht“, wiederholt sie und warnt: „Wir rasen gerade auf eine Welt vier bis sechs Grad heißer zu.“ Das Kohlegesetz sei „ein Desaster“. Deshalb sei die Besetzung des Kranes im Kampf für den Klimaschutz auch keine kriminelle Handlung. Wie lange genau die Männer und Frauen den Kran besetzt halten wollen, sagt sie nicht. „Länger“, sagt sie nur. Mehr könne sie nicht verraten.
Am frühen Nachmittag teilt Leif Erichsen, Sprecher des Kraftwerksbetreibers Uniper mit, dass das Unternehmen Anzeigen wegen Hausfriedensbruch erstatten werde. „Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und gegen friedlichen Protest ist aus unserer Sicht nichts einzuwenden. Allerdings haben sich heute Personen widerrechtlich Zutritt zu unserem Kraftwerksgelände in Datteln verschafft. Straftaten wie Hausfriedensbruch oder die Beschädigung von Privateigentum können wir nicht dulden“, sagt Erichsen. Auf eine sofortige Räumung des Kranes dränge Uniper allerdings nicht.
„Das war nur der Anfang - wir kommen wieder“
Kurz nach 14 Uhr beginnt die Polizei dann dennoch damit, die besetzten Gerätschaften zu räumen und die Personalien der Aktivisten aufzunehmen. Alles bleibt friedlich, als die Besetzer einzeln von dem Portalkratzer geholt werden. Kaum wiedervereinigt am Boden schunkeln sie zur Melodie von „An der Nordseeküste“ aber mit neuem Text: „Rote Karte für die Kohle – der Schwarzbau muss weg“.
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Draußen vor den Toren ist es derweil etwas voller geworden, bleibt aber stets überschaubar. Bei den Initiatoren der Aktion herrscht dennoch Zufriedenheit verbunden mit großer Zuversicht. „Das war ja nur der Anfang“, sagt eine Frau. „Wir kommen wieder.“