Berlin. Das Gesetz zur bundeseinheitlichen Notbrems-Regelung soll am Mittwoch im Bundestag beschlossen werden. Doch die Kritik daran wächst.
- Mit einer Änderung des Infektionsschutzgesetz soll die Notbremse bundesweit durchgesetzt werden
- Das Ziel des Gesetzes sind einheitliche Lockdown-Regeln in Deutschland, auch eine Ausgangssperre ist in den Plänen vorgesehen
- Doch daran gibt es Kritik - auch aus der Union
Während Virologen und Intensivmediziner auf die rasche Umsetzung einer strikten Notbremse zur Eindämmung des Coronavirus pochen, reißt die Kritik an den Plänen zu einer bundeseinheitlichen Regelung nicht ab. Besonders die geplante Ausgangssperre erhitzt die Gemüter. Verliert Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nun den Rückhalt?
Der Bund will mit der bundeseinheitlichen Notbremse erstmals in der Pandemie weitreichende Kompetenzen in der Corona-Bekämpfung von den Ländern übernehmen. Vorgesehen sind neben der nächtlichen Ausgangssperre auch Geschäftsschließungen - ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 pro 100.000 Einwohnern.
Schulen sollen bei einem Inzidenzwert von 165 zum Distanzunterricht zurückkehren. Das Gesetz soll am Mittwoch im Bundestag und am Donnerstag im Bundesrat beschlossen werden. Doch nun könnte sich ein Debakel wie um die Osterruhe für Merkel wiederholen.
Bundes-Notbremse: Union und SPD einigen sich auf weichere Ausgangssperre
Die Koalitionsfraktionen haben sich am Montag zunächst auf zahlreiche Änderungen an der geplanten bundeseinheitlichen Corona-Notbremse verständigt. Unter anderem soll die umstrittene Ausgangssperre statt um 21.00 Uhr erst um 22.00 Uhr beginnen, wie aus dem Änderungsantrag hervorgeht. Noch bis 24.00 Uhr wird demnach erlaubt, alleine zu joggen oder spazieren zu gehen. Schulen sollen früher als bisher geplant den Präsenzunterricht aussetzen.
Auf die Änderungen bei der Ausgangssperre einigten sich Union und SPD "nach hartem Ringen am Wochenende", wie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nach einer Sondersitzung seiner Fraktion sagte. Nun sei hier "etwas Angemessenes" vereinbart worden. Die nächtliche Ausgangssperre soll bis 05.00 Uhr morgens gelten; Ausnahmen gibt es unter anderem für den Weg zur oder von der Arbeit. Wie die meisten anderen Eindämmungsmaßnahmen ist die Regelung für Regionen vorgesehen, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz über 100 liegt.
Mützenich hatte gegenüber der "Bild am Sonntag" darauf gepocht, dass der Abendspaziergang weiter erlaubt sein müsse. "Es muss möglich sein, dass sich Erwachsene auch trotz aller Beschränkungen die Beine vertreten", sagte er dem Blatt. Weiter bestehe die SPD darauf, dass Kinder weiter in Kleinstgruppen Sport im Freien treiben dürfen - "zumal wir von Experten wissen, dass das Ansteckungsrisiko draußen um ein Vielfaches geringer ist als in geschlossenen Räumen", betonte Mützenich.
Bouffier sieht juritische Probleme
Zuvor äußerten mehrere Politiker Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte der "Bild" vom Samstag, es gebe bereits "große juristische Bedenken gegen die Ausgangssperre, wie sie in dem Gesetz formuliert ist". Es sei wichtig, das Gesetz "in manchen Bereichen verfassungsfester zu machen". Ausgangssperren sollten höchstens "als Ultima Ratio, das heißt als letztes Mittel verhängt werden". Bouffier ließ offen, ob sein Land im Bundesrat dem Gesetz zustimmen werde.
In einer Stellungnahme der hessischen Staatskanzlei, die dem Tagesspiegel vorliegt, wird vor allem die Sieben-Tage-Inzidenz von 100 als einziges Kriterium für die Ausgangssperren kritisiert, weil bei der Berechnung weder Geimpfte noch Auslastungszahlen der Intensivstationen berücksichtigt werden. Der Zeitung zufolge warnen auch weitere Staatskanzleien davor, dass das Vorhaben gerichtlich verhindert werden könnte.
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Deutscher Landkreistag fordert Korrekturen an Notbremse
Der Deutsche Landkreistag fordert eine grundlegende Überarbeitung der Bundesnotbremse. "Der Gesetzentwurf muss an vielen Stellen korrigiert werden", sagte Landkreistagspräsident Reinhard Sager unserer Redaktion. Bei den "holzschnittartigen Ausgangssperren" handle es sich um einen "unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheitsrechte der Menschen". Der Staat dürfe den Bürgern nicht "derart einschneidende und zugleich in ihrer Wirksamkeit sehr begrenzte Maßnahmen aufbürden".
Sager kritisierte zudem, dass "sinnvolle modellhafte Ansätze bei einem Überschreiten der 100er-Inzidenz kategorisch verboten" werden sollten. Es sei aber wichtig, "behutsame und verantwortbare Schritte aus dem Lockdown zu erproben".
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Altmaier verteidigt geplante Notbrems-Regelung
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verteidigt hingegen die geplanten bundesweiten Regelungen gegen Kritik. "Die Notbremse ist notwendig und kein Holzhammer", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er hoffe auf eine breite Mehrheit in Bundestag und Bundesrat.
Man dürfe die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes jetzt nicht "wieder zerreden". "Überall auf der Welt, wo eine Infektionswelle erfolgreich gebrochen wurde, hat man das mit dem Instrument eines harten Lockdowns geschafft."
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte der „Welt am Sonntag“, wichtig seien einheitliche und lebensnahe Regelungen: „Es muss für jede und jeden nachvollziehbar sein, was gilt.“
(raer/bef/mit dpa)
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