Hamburg. .

Grünen-Chef Özdemir hat sich trotz des Schlichterspruchs zu„Stuttgart 21“ für die Beibehaltung des Baustopps ausgesprochen. Da die vorgeschlagenen Nachbesserungen neue Kosten verursachten, sollte man die Arbeit vorerst ruhen lassen.

Die Grünen beharren auch nach dem Schlichterspruch des CDU-Politikers Heiner Geißler auf einem

Baustopp für das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“. Die Bahn und die baden-württembergische Landesregierung müssten nun zunächst zeigen, ob eine Umsetzung der von Geißler verlangten Verbesserungsvorschläge tatsächlich machbar und finanzierbar sei, erklärte Grünen-Chef Cem Özdemir am Mittwoch in Berlin. „Daraus folgt zwingend, dass ein Bau- und Vergabestopp gelten muss“. Da die vorgeschlagenen Nachbesserungen neue Kosten verursachten, sollte man die Arbeit vorerst ruhen lassen, sagte Özdemir am Mittwoch im Norddeutschen Rundfunk (NDR). Özdemir forderte auch erneut, die Bürger in einem Volksentscheid über „Stuttgart 21“ abstimmen zu lassen. Aus Sicht der Grünen sei weiterhin das Modell eines modernisierten Kopfbahnhofs für Stuttgart leistungsfähiger, umweltfreundlicher und billiger.

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Der Grünen-Spitzenkandidat für die Landtagswahlen im März, Winfried Kretschmann, kündigte auch neue Proteste an. „Die Schlichtung hat ja gezeigt, dass unser Konzept Kopfbahnhof tatsächlich machbar und realisierbar ist“, sagte Kretschmann am Dienstagabend in den ARD-Tagesthemen. Auch der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann sagte am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin, er rechne nun mit weiteren Protesten. Hermann warf Geißler vor, sich am Ende doch auf die Seite der Befürworter von „Stuttgart 21“ geschlagen zu haben.

Kritik an Geißler übte auch der baden-württembergische SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid. Mit seinem Nein zu einer Volksbefragung habe Geißler „die Neutralität des Schlichters aufgegeben“, sagte Schmid am Mittwoch dem SWR. Damit habe Geißler „eine große Chance verpasst, diesen gesellschaftlichen Konflikt zu befrieden“. Grüne und SPD haben angekündigt, im Fall eines Wahlsiegs im März eine Volksbefragung zu „Stuttgart 21“ anzusetzen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) erwartet nach dem Schlichterspruch keine großen Mehrkosten für das Riesenprojekt. Es sei vereinbart worden, dass die Bahn das Projekt einer Art Stress-Test unterziehe, sagte er am Dienstagabend in den ARD-“Tagesthemen“. Er gehe davon aus, dass das Projekt gut geplant sei und dass deshalb keine allzu großen Mängel festgestellt würden. Deshalb gehe er davon aus, „dass es zu keinen großen Mehrkosten kommen wird“, sagte Mappus.

Ramsauer will sich an Schlichtung orientieren

Unmittelbar nach dem Schlichterspruch hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) die Bereitschaft des Bundes erkennen lassen, sich an dessen Folgen zu orientieren und mögliche zusätzliche finanzielle Lasten für den Bund „zu prüfen“. Die Zukunft hänge von einer modernen, leistungsfähigen Infrastruktur ab, unterstrich Ramsauer. „Die Schlichtung hat gezeigt: Ein offener Diskussionsprozess ist wichtig. Er muss die Verfahren und Entscheidungsprozesse begleiten und ergänzen.“ Betroffene müssten zu Beteiligten werden, um die Akzeptanz von Großvorhaben zu erhöhen. „Ich appelliere für mehr Miteinander - der Schlichterspruch weist hierfür den Weg.“

Zuspruch erhielt Ramsauer hierbei von seiner Kabinettskollegin Sabine Leutheusser-Schnerrenberger (FDP). Die Bundesjustizministerin sprach sich ebenso dafür aus, die Bürger bei derartigen Projekten weitaus stärker zu beteiligen. „Ich halte viel davon, die Bürger zukünftig bei Großvorhaben sehr frühzeitig ins Planungsverfahren einzubeziehen. Der intensive Austausch von Argumenten muss am Anfang, nicht am Ende der Planung stehen.“ Sie begrüßte den Schlichterspruch zum Weiterbau von „Stuttgart 21“ und rief alle Beteiligten auf, das Ergebnis zu akzeptieren. Mit Blick auf erneute Rufe nach einem Volksentscheid sagte die FDP-Politikerin: „Es wäre rechtsstaatlich problematisch, in Stuttgart nach 15 Jahren der Planung wieder von vorne anzufangen.“

Für mehr Bürgernähe plädierte ebenfalls der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich. „Wir brauchen mehr Beteiligung der Bürger und weniger Querschüsse der Berufsprotestierer.“ Eines der Probleme in Stuttgart sei die Langwierigkeit des Verfahrens gewesen. Es müsse deswegen über Verfahrensbeschleunigung nachgedacht werden. „In diesem Zusammenhang kann immer auch über eine Reform der Bürgerbeteiligung gesprochen werden“, betonte Friedrich. „Ziel muss aber eine Beschleunigung der Verfahren sein, keine weitere Verzögerung.“ Wer die Bürger umfassend und frühzeitig an dem Verfahren beteilige, brauche keinen Volksentscheid.

Blick auf die bevorstehende Landtagswahl

Mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl in Baden-Württemberg und des bereits von der CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Bahnhofs-Testwahl erklärten Urnengangs meinte der CSU-Politiker Ramsauer: „Die Wählerinnen und Wähler wissen nach den Schlichtungsgesprächen ganz genau, wer wofür beim Projekt Stuttgart 21 steht. Das können sie bei ihrer Wahlentscheidung mit berücksichtigen.“ Aber natürlich würden bei einer Landtagswahl auch über andere wichtige Zukunftsfragen abgestimmt. Zum Beispiel, wie stehe das Land wirtschaftlich da, oder, haben die Menschen Arbeit? „Auch daran werden die Menschen ihre Wahlentscheidung ausrichten“, zeigte sich Ramsauer überzeugt.

Zum Abschluss der sechswöchigen Vermittlungsgespräche zum Bahnprojekt hatte Schlichter Heiner Geißler am Dienstag umfangreiche Nachbesserungen beim Bau des Tiefbahnhofs gefordert. Geißler sprach sich für ein „Stuttgart 21 Plus“ aus, das leistungsfähiger, sicherer und ökologischer als das derzeitige Konzept sein müsse. Das Tiefbahnhofkonzept könne er nur befürworten, wenn es maßgebliche Verbesserungen gebe. Dazu zählte ein Ausbau des Bahnhofs von acht auf zehn Gleise, sowie den zweigleisigen Ausbau der Zufahrt zum Flughafen. In einem Stresstest will die Bahn nun nachweisen, dass der geplante Tiefbahnhof tatsächlich leistungsfähiger ist als der alte Kopfbahnhof. (afp/dapd)