Berlin.

Der Innenminister schlägt in Sachen Terrorgefahr neuerdings schärfere Töne an. Erst räumte Thomas de Maizière freimütig deutliche Sicherheitslücken bei der Luftfracht ein, und dann bat er die Bürger um Hilfe bei der Verhinderung von Anschlägen.

„Anti-Sheriff“, „Softliner“ oder, noch schlimmer für einen leidenschaftlichen Christdemokraten, „Liberaler“: Die Etiketten, die sich Thomas de Maizière seit Amtsantritt als Bundesinnenminister hartnäckig aus den eigenen Reihen ankleben lassen musste, hätten weniger standhafte Zeitgenossen wohl schon eher zu einem Sinneswandel ge­bracht. Fast ein Jahr lang aber hat der Sachse der Versuchung widerstanden, es seinen Vorgängern Friedrich Zimmermann (CSU), Wolfgang Schäuble (CDU), Rudolf Seiters (CDU), Manfred Kanther (CDU), Otto Schily (SPD) und noch einmal Wolfgang Schäuble (CDU) gleichzutun und das Ministerium vorrangig als Polizei- und Sicherheitsminister zu betreten.

Der Merkel-Vetraute

Sichtbarster Ausdruck dieser Haltung war, dass der Merkel-Vertraute die unter Schily und Schäuble beinahe im Wochentakt üblichen Warnungen vor islamistischem Terror umgehend unterband und unmittelbar nach Amtsantritt den schrillsten Terrorwarner, den damaligen Staatssekretär August Hanning, in den Ruhestand versetzte. Das Publikum bis zur apathischen Gewöhnung immer wieder kurz zu erschrecken, dieser Alarmismus ohne „konkrete Hinweise“ erschöpft, war dem 56-Jährigen zuwider.

Nicht ohne Grund sprach de Maizière beharrlich von „innerem Frieden“, nicht von „innerer Sicherheit“. Er tat das auch dann noch, als die USA vor Wochen mit einigem Nachdruck vor Terroranschlägen in Deutschland warnten. Für Alarmismus bestehe „derzeit“ kein Anlass, lautete sein knapper Kommentar.

Lücken im System

Der Landtagswahl-bedingt eher größer werdende Hunger in der Union nach mehr klassisch-konservativem Hardliner-Profil und die nur knapp vereitelten Paketbomben-Anschläge per Luftfracht der letzten Wochen haben den Innenminister jetzt zu einer bemerkenswerten Kehrtwende veranlasst.

Erst räumte er ungewohnt freimütig deutliche Lücken im Sicherheitssystem ein und bezeichnete die Luftfracht als „bisher relativ wenig kontrolliert“. Dann bat er die Bürger erstmalig um aktive Mithilfe bei der Verhinderung von Anschlägen. „Ich möchte die Bevölkerung bitten, in ihrem Umfeld wachsam zu sein und alles, was ihnen verdächtig erscheint, der Polizei zu melden.“ Welche tatsächliche oder vermeintliche Faktenlage zu dieser Neubewertung ge­führt hat, bleibt genauso unbeantwortet wie die Frage: Was soll der Bürger denn der Polizei genau melden? Und was nicht? „Neue Gefahren“, hat de Maizière einmal gesagt, „haben eben die Eigenschaft, dass man sie nicht ganz genau vorhersehen kann.“

FDP sieht Warnsignal

Für Polizisten-Ohren ist die neue Tonart gleichwohl Balsam. „Es ist gut, dass der Bundesinnenminister den Mut findet, den Menschen reinen Wein einzuschenken“, erklärte Konrad Freiberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei, gestern.

Für den Koalitionspartner FDP, der unterm Strich mit dem früheren Kanzleramtsminister mit Ausnahme der Streitthemen Vorratsdatenspeicherung und Sicherungsverwahrung bislang ganz gut gefahren ist, ist der diffuse Appell zum allgemeinen Terrorverhindern ein Warnsignal. „Öffentlich verbreitete Floskeln über die Bedrohungslage helfen nicht weiter. Sie schüren nur Ängste und Verunsicherung beim Bürger“, polterte FDP-Fraktionsvize Gisela Piltz. Gefahren würden am besten dadurch bekämpft, dass die Sicherheitsbehörden diskret ihre Arbeit erledigten.

Ein Satz, der vor Wochen noch im Standard-Repertoire von de Maizière zu finden war.