Bulawayo. .

In Simbabwe gab es bis zum Jahr 2000 etwa 6500 kommerzielle weiße Farmer. Nach den Landenteignungen, die Präsident Robert Mugabe vor zehn Jahren angeordnet hatte, sind jetzt nur noch wenige hundert verblieben.

Einer von ihnen ist Richard Bell*. Und das auch nur, weil sein alter Feind plötzlich zu seinem neuen Freund wurde. Die vier Nächte in einer zugigen Zelle im Polizeigewahrsam ohne wärmende Kleidung seien die Hölle gewesen. „Man hat mir meine Sachen weggenommen und behauptet, ich würde zu Unrecht auf meinem Land wohnen und arbeiten“, sagt Richard Bell. Insgesamt drei Mal hat ihn die Polizei wegen der Streitigkeiten um sein Farmland in den vergangenen sieben Jahren für jeweils mehrere Tage ins Gefängnis gesteckt. Zuletzt im Sommer dieses Jahres.

2000 Kriegsveteranen jagten die Familie aus dem Haus

Im Norden Bulawayos, der zweitgrößten Stadt Simbabwes, besaß die Familie Bell in dritter Generation eine etwa 20.000 Hektar große Farm. Ein gewaltiges Stück Land. Rinder, Hühner und Feldwirtschaft waren ihre Einnahmequelle bis 2003. Dann standen ein lokaler Politiker und mit ihm 2000 Kriegsveteranen vor dem Tor des Anwesens und jagten die Familie aus dem Haus und die etwa 500 Farm-Beschäftigten von ihrem Arbeitsplatz.

Landbesetzungen über Nacht

Präsident Mugabe war bereits vor den Wahlen im Jahr 2000 stark unter Druck geraten. Er hatte den Soldaten, die zusammen mit ihm zwischen 1975 und 1980 für ein schwarzes Simbabwe gekämpft und es von der Regierung der weißen Minderheit befreit hatten, versprochen, sie zu entlohnen und ihnen Arbeit zu geben. Allein halten konnte er sein Versprechen nicht. Um die große unzufriedene Masse von etwa 50.000 ehemaligen Soldaten zu besänftigen, machte er ihnen ein Wahlgeschenk: die Landreform. Sie erlaubte Landbesetzungen quasi über Nacht. Meist griffen Politiker und hohe Militärs und Polizisten nach dem profitablen Land, ohne eine Ahnung von Landwirtschaft zu haben. Sie ließen zudem jeweils mehrere hundert Kriegsveteranen und auch die, die auf Grund ihres Alters gar keine gewesen sein konnten, auf einem Teil des Landes siedeln und es bewirtschaften.

Präsident Mugabe ließ geschätzt 25.000 Menschen ermorden

Simbabwes Präsident Robert Mugabe
Simbabwes Präsident Robert Mugabe

Nach mehreren Prozessen war es Richard Bell gelungen, wenigstens einen 80 Hektar großen Teil seiner Farm zu behalten. Hier zieht er mittlerweile erfolgreich eine Hühnermast mit 10.000 Tieren auf, die unter dem Schutz der SADC, der Entwicklungsgemeinschaft südafrikanischer Staaten, steht. Doch im Frühjahr dieses Jahres sollte dieses Abkommen plötzlich keinen Wert mehr haben. Ein hoher Polizeioffizier aus der Hauptstadt Harare erklärte, dass nun auch die letzten 80 Hektar seiner Farm fällig wären. Doch das wollten die 2000 Kriegsveteranen, die weit über das Anwesen verstreut leben, nicht mit sich machen lassen. Über die Jahre hatten sie eine Übereinkunft mit Richard Bell getroffen. „Sie haben gemerkt, dass sie viele Pumpen zur Bewässerung der Felder und andere Maschinen nicht bedienen konnten und ihnen so die Ernte verdarb. Ich helfe ihnen und im Gegenzug darf ich ein Stück Land behalten“, beschreibt Bell den Handel. Nun sahen die Kriegsveteranen ihre Existenz gefährdet, als, wie auf anderen Farmen bereits geschehen, ein landwirtschaftlicher Laie das Kommando übernehmen wollte. Ein zweiter Grund kam noch hinzu: Der Polizist ist ein Shona, ihre Volksgruppe bildet die Mehrheit im Land. Die Kriegsveteranen rund um Bulawayo im Süden des Landes sind Ndebele. Nicht erst seit den Massakern in den 1980er Jahren, bei dem Präsident Mugabe geschätzt 25.000 Menschen, davon zumeist Ndebele, ermorden ließ, herrscht hier eine tiefe Abneigung gegen die Shona. „So einen wollten sie nicht in ihrer Mitte haben“, so Richard Bell. Die Krieger standen Wache und so konnten die Farm-Geschäfte weiterlaufen.

Polizisten steckten Farmer samt ehemaligen Soldaten in den Knast

Bis zu dem Tag, als Richard Bell zusammen mit zwei Geschäftspartnern ins Polizeiquartier nach Bulawayo gerufen wurde. Die Polizisten waren sehr erbost über die plötzliche und ungewöhnliche Allianz zwischen dem weißen Farmer und den ehemaligen Soldaten. Sie steckten die drei Männer in die Zellen und erklärten die Farm für besetzt. Dieser Fall schlug hohe diplomatische Wellen. Südafrika schaltete sich ein und die Männer wurden nach vier Nächten freigelassen. Dennoch: ganz ausgestanden ist der Fall noch nicht. „Sie werden weiter nach einer Begründung suchen, sich das Land trotzdem zu nehmen“, sagt Richard Bell. Deshalb zog er es auch vor, nicht mit einem Journalisten zur Farm zu fahren, um weiteren Ärger zu vermeiden.

Wochenlanger Telefon-Terror und Morddrohungen von Kriegsveteranen

Viele weiße Farmer haben nicht das Glück, noch ein Stück Land zu besitzen. Peter und Wendy Simmons* bekamen nach wochenlangem Telefon-Terror und Morddrohungen im Jahr 2002 von Kriegsveteranen ein Ultimatum gestellt: innerhalb von 24 Stunden hatten sie ihre Farm östlich der Hauptstadt Harare zu verlassen. Peter Simmons gelang es noch, die Frist auf eine Woche hinauszuzögern, um so möglichst viele Möbel und Gerätschaften vom Gelände zu schaffen. Doch die Farm, ihre Altersvorsorge, war ihnen genommen worden. Nach zwei harten Jahren ohne feste Anstellung in Harare, sind die beiden nach Bulawayo gezogen und arbeiten nun verdeckt für eine internationale Menschenrechtsorganisation. Sie haben ihren Frieden mit dem Land geschlossen und ihre innere Ruhe wiedergefunden. „Wir fühlen uns nicht mehr als Opfer, auch weil wir sehen, dass andere Menschen viel mehr leiden als wir. Um sie müssen wir uns kümmern“, sagt Peters Frau Wendy.

Damit spricht sie auf die schwarzen Farm-Beschäftigten an, die wie ihre Arbeitgeber das Land verlassen mussten. Die Folge: ihnen wurde die Arbeit und medizinische Versorgung genommen und ihren Kinder die Zukunft. Denn viele Farmer bauten auf ihrem Land Schulen, kümmerten sich um die Ausbildung und Gesundheit ihrer Arbeiter und deren Familien. „Daran konnte man sehen, dass diese Landreform Mugabe nur dazu dienen sollte, seinen Machtapparat zu sichern“, sagt Tapiwa Zivira, Sprecher der General Agricultural and Plantation Workers Union of Zimbabwe, eine Interessensvertretung für ehemalige und aktuelle Farmarbeiter. Mehr Menschen würden unter der Landreform leiden als von ihr profitieren. Im Jahr der Landnahmen gab es 350.000 Beschäftigte auf den Farmen des Landes, heute, zehn Jahre später, sind es nur noch 80.000. Der Rest? „Sie leben in kleine Holzhütten am Rand der großen Städte, sind arbeitslos oder versuchen sich als Tagelöhner über Wasser zu halten. Das Schulgeld für ihre Kinder können sie so nicht verdienen.“

Ein Sack Reis gegen die Stimmen bei der nächsten Wahl

Das Ergebnis dieser Politik ist fast überall in Simbawe sichtbar. „Da“, sagt Richard Bell, als wir ein paar Kilometer über das ausgedorrte Land fahren und einen Kuhkadaver auf dem Asphalt passieren. „Überall kaputte Zäune, so dass die Rinder und Zeigen auf die Straße laufen und totgefahren werden. Und das Farmland ist vielfach nur noch unbrauchbarer Busch“, flucht er am Steuer seines Pick Ups. Es fehle den Besatzern einfach an Fachwissen, um die Farmen halbwegs profitabel zu unterhalten. Dennoch erholt sich die Landwirtschaft in einigen Regionen wieder – jedoch sehr langsam. Und trotz der Exporterlöse aus der guten Tabakernten in diesem Jahr, ist die einstige Kornkammer Afrikas von Entwicklungshilfeorganisationen und deren Nahrungsmittel-Lieferungen abhängig. Selbst die werden von der herrschenden Partei Zanu PF noch politisch missbraucht. Zwar sitzt seit 18 Monaten die einstige Oppositionspartei MDC mit in der Regierung, doch die eigentliche Macht liegt immer noch bei der von Polizei und Militär gestützten Zanu PF von Präsident Robert Mugabe. Meistens übernimmt ein lokaler Parteigenosse vor Ort die Kontrolle über die Verteilung. Ein Sack Reis gegen die Stimmen bei der nächsten Wahl, die wohl in der zweiten Jahreshälfte 2011 stattfinden soll. So sichert sich die Zanu PF ihre Unterstützung innerhalb der armen ländlichen Bevölkerung. Und die hat keine andere Wahl, will sie nicht verhungern.

* Aus Angst der Betroffenen vor weiteren Repressalien durch die Polizei wurden ihre Namen geändert.