Berlin. .
Die CDU schwächelt in Umfragen. Generalsekretär Hermann Gröhe erklärt sich das mit dem Streit in der schwarz-gelben Koalition vor der Sommerpause. Im DerWesten-Gespräch geht er auf das brodelnde bürgerliche Lager ein.
Herr Gröhe, schauen Sie sich die Umfragewerte der Grünen an. Wachsen die Bäume doch in den Himmel?
Gröhe: Die Grünen haben bereits während der Großen Koalition vom Unmut über so manche Entscheidung profitiert. Jetzt sind sie die Dagegen-Partei. Denn die FDP ist nicht mehr Opposition, und die SPD wird zunehmend als eine rückwärtsgewandte langweilige Partei betrachtet. Bei den Grünen fällt allerdings der massive Unwille auf, Verantwortung zu übernehmen. Die Grünen sind mehr und mehr ein Wohlfühlangebot für die Anhänger der Dagegen-Republik ...
Für den „Stuttgart 21“-Protest.
Protest zu bedienen, ist nicht nachhaltig. Damit ist kein Staat zu machen. Das ist auch der Grund, warum die Grünen weit davon entfernt sind, Volkspartei zu werden. „Stuttgart 21“ ist für die Region relevant.
Aber was bedeutet der Konflikt Ihnen darüber hinaus?
Das Projekt ist für Baden-Württemberg, aber auch darüber hinaus sehr wichtig. Wir als Union sind davon überzeugt und stehen deshalb auch bei Gegenwind dafür ein. Ganz im Gegensatz zu Herrn Gabriel und seiner SPD, die einen Eiertanz aufführt und sich wegduckt. Allerdings nehmen wir auch wahr, dass wir uns noch mehr anstrengen müssen, die Bürger bei wichtigen Projekten mitzunehmen. Gerade aus der Mitte der Gesellschaft sträuben sich immer mehr Menschen gegen Veränderungen. Es wäre allerdings verantwortungslos, sich auf den gefährlichen Weg in die Stimmungsdemokratie zu begeben.
Das Bürgertum gilt seit jeher als staatstragend, steht für Maß, Mitte, für Contenance, gute Umgangsformen. Stimmt das noch in Hamburg und Stuttgart, in der Sarrazin-Debatte?
Jeder Fall ist anders, wobei sie eines gemeinsam haben: Man muss für Politik noch besser werben, ob es nun um die Schule, um ein Infrastrukturprojekt oder um die Integration geht. Wir reden viel über Veränderungen, während der Beharrungswille bei vielen zunimmt. Wir dürfen als Gesellschaft aber nicht immobil werden. Wir sind zu stark fixiert auf Ängste und laufen Gefahr, unsere Chancen nicht wahrzunehmen.
Erklären, erklären, erklären. Tut die Union das ausreichend bei der Wehrpflicht?
Wir diskutieren intensiv über die Wehrpflicht. Endgültig werden die Parteitage entscheiden. Andererseits gab es schon in den letzten Jahren viele Veränderungen, etwa im Hinblick auf die Wehrpflichtdauer. Faktisch ist der Wehrdienst heute schon fast ein Freiwilligendienst. Ich bin Karl-Theodor zu Guttenberg sehr dankbar dafür, wie intensiv er für seine Auffassung wirbt. Konservativ heißt: Wertschätzung für das Bewährte, Beweislast für die Veränderung.
Ist zu Guttenberg ein Kommunikationstalent?
Das ist er. Wie auch Ursula von der Leyen. Bei ganz wichtigen Debatten überzeugen wir mit unseren Positionen, weil starke Persönlichkeiten für sie eintreten.
Was ist daran falsch, wenn sich CSU-Chef Horst Seehofer keine zweite Welle der Zuwanderung aus fremden Kulturkreisen wünscht?
Schaut man genau hin, hat er nur deutlich gemacht, dass wir Integrationsprobleme haben und den Fachkräftemangel zunächst vor allem durch Qualifizierung lösen müssen. Da hat es viel gespielte Empörung Linker gegeben, um vom Scheitern von Multi-Kulti abzulenken.
Einspruch, Maria Böhmer, die Integrationsbeauftragte (CDU), war nach ihren eigenen Worten „schockiert`. Die ist keine Linke.
Nein, das ist sie nicht. Und der Schock war auch schnell vorbei, als Horst Seehofer noch einmal erläutert hat, worum es ihm ging.
Worauf stellen Sie sich in NRW ein?
Wir müssen uns schnell gut aufstellen und jederzeit - im Landtag wie bei einer Neuwahl - eine überzeugende Alternative sein. Die Mitglieder entscheiden über den künftigen Vorsitzenden.
Für die Basis ist es ein Plus, aber es gibt auch den Tag danach.
Wenn um politische Ämter gerungen wird, gibt es immer die Gefahr, dass Wunden bleiben. Die Sorge habe ich aber bei Norbert Röttgen und Armin Laschet nicht; der Wettbewerb verläuft fair. Es gibt in der Partei manchen Aufräumbedarf. Mein Eindruck ist aber, dass die NRW-CDU insgesamt optimistisch nach vorne schaut.
Hier Laschet, erdverbunden, bürgernah, dort Röttgen, der Mann, der unter der Berliner Glocke agiert. Hebt man in Berlin leichter ab?
Ich kenne beide gut. Sie wissen beide, wo den Bürgern der Schuh drückt. Jeder in der Spitzenpolitik läuft Gefahr, von der Arbeit aufgefressen zu werden und den Kontakt zum richtigen Leben zu verlieren. Dafür sollte sich jeder von uns hüten. Mit Armin Laschet und Norbert Röttgen stehen zwei überaus geeignete Kandidaten zur Wahl: Bei Armin Laschet steht die direkte Auseinandersetzung mit Rot-Grün im Landtag und die größere Nähe im Vordergrund. Norbert Röttgen bringt das Gewicht eines erfolgreichen Bundespolitikers mit. Der Landesverband wird in jedem Fall gewinnen. ( Die Fragen stellte Miguel Sanches.)