Dortmund. Den Westfälischen Industrieclub in Dortmund kannten die Grünen bisher nur von außen. Wenn ein Gebäude ein Feindbild verkörpern konnte, dann dieses. Am Sonntag trafen sie sich dort zu einem kleinen Parteitag. Und schmiedeten ambitionierte Pläne: Die Grünen wollen die SPD überholen.
Der Industrieclub stand einst für alles, was den Grünen politisch verdächtig war, und vor den Türen protestierten sie, wenn drinnen „die Atomlobby” konferierte. Vorbei. Am Samstag wählte der kleine Parteitag den symbolischen Tagungsort, um sich in der Wirtschaftspolitik zu Wort zu melden. Es gibt Nachholbedarf.
Nur 17 Prozent wählten die Grünen bei der Europawahl für ihre ökonomischen Kompetenz. „Daran müssen wir anknüpfen und ausbauen”, forderte Landeschef Arndt Klocke. Den vom Bundesparteitag beschlossenen „Grünen New Deal” wollen sie für NRW herunterbrechen. 200 000 neue Arbeitsplätze, so ihre plakative Rechnung, könnten in vier Jahren durch Klimaschutz und ein ökologisches Konjunkturprogramm entstehen - mit erneuerbare Energien und Gebäudesanierung, aber auch in der Bildung oder Pflege.
Konkurrenz als "Markenpiraten"
Die Frage, mit wem sie ihre Pläne durchsetzen wollen, lassen die Grünen offen. Vorerst verfolgen sie argwöhnisch die „Markenpiraterie” der politischen Konkurrenz, die ihre Themen kapern und gleichzeitig - wie die SPD - das Ruhrgebiet mit Kohlekraftwerken „zupflastern” wolle.
Überhaupt waren es gestern die Genossen, an denen sich die grüne Basis abarbeitete. Mehrere Redner gaben als Ziel der Grünen aus, die SPD in der Wählergunst mittelfristig zu „überholen”. Die SPD habe „als Führungskraft des linksliberalen Lagers ausgedient”, so Klocke. Der Parteichef sieht die Grünen inhaltlich zwar der SPD am nächsten, „aber sie mobilisiert gewisse Schichten und Lager nicht mehr”. Für Landtagsfraktionschefin Sylvia Löhrmann hat die SPD „keine neue Zielsetzung für das 21. Jahrhundert” - das sei die Hauptursache ihrer Krise.
Sommer, Linssen und Uhlenberg sollen gehen
Während bei der Beurteilung des früheren Regierungspartners Bedauern mitschwingt, rücken die Grünen zur Linkspartei auf Distanz. „Radikale Sprüche und Maximalforderungen” wie 10 Euro Mindestlohn seien untauglich in Krisenzeiten, so Löhrmann. Klocke hat Zweifel, ob die Linke, in Umfragen bei 6 Prozent, mit ihrem „fundamentalistischen Kurs” den Sprung in den Landtag schafft. Ex-Parteichef Frithjof Schmidt sieht darin ein Dilemma. Einerseits, sagte er der WAZ, treibe die Radikalisierung der Linken den Grünen Wähler zu, „andererseits schwindet die Chance auf eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Gelb, wenn sie nicht in den Landtag kommt”.
Grünen-Chefin Daniela Schneckenburger forderte den Rücktritt von drei CDU-Ministern. Neben Schulministerin Barbara Sommer müsse auch Finanzchef Helmut Linssen gehen. Er habe die LEG-Wohnungen an Heuschrecken „verscherbelt”. Zudem sei Umweltminister Eckhard Uhlenberg, mit dem sich bald ein Untersuchungsausschuss beschäftigt, nicht mehr zu halten.