New York. .
Zum Start des UN-Millennium-Gipfels hat Bundeskanzlerin Merkel eine gemischte Bilanz der bisherigen Entwicklungshilfe gezogen. Der dreitägige Sondergipfel berät über neue Wege im Kampf gegen Armut.
Zum Start des Millennium-Gipfels der Vereinten Nationen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine gemischte Bilanz der bisherigen Entwicklungshilfe gezogen. Was die Umsetzung der vor zehn Jahren verabschiedeten Ziele angehe, gebe es „Licht und Schatten“, sagte die CDU-Vorsitzende am Montag in New York. Bis 2015 könne aber noch viel getan werden. Kritik gab es aufseiten der Nehmerländer. Der äthiopische Ministerpräsident Meles Zenawi forderte die Industrienationen auf, gezieltere Hilfe zu leisten, statt sich mit massenhaft Projekten auf ein Land zu stürzen.
Bei einer Podiumsdiskussion auf Einladung von Kanzlerin Merkel sagte Zenawi, die Geberländer könnten noch mehr tun, was die Quantität von Hilfe, insbesondere aber die Qualität angehe. Bilaterale Hilfsabkommen seien viel besser, als wenn sich ein Nehmerland mit 60 oder 70 Gebern auseinandersetzen müsse. Oft sei zudem der Ansatz der Hilfe schon falsch. Strategien für die Stadt seien auf dem Land untauglich. „Wir brauchen bessere Ergebnisse pro Dollar“, sagte Zenawi.
Merkel würdigte die vor zehn Jahren verabschiedeten Millenniumsziele als „Meilenstein“ in der Entwicklungshilfe. Insgesamt sei man bei der Umsetzung der acht Punkte „ein gutes Stück vorangekommen“, sagte die CDU-Politikerin. Die Entwicklungsländer seien in einem sehr viel stärkeren Maße in die Verantwortung gezogen. „Es ist ein neues Miteinander von Geberländern und Nehmerländern entstanden.“
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) sagte, es sei wichtig, auf dem Gipfel darüber zu sprechen, „wie wir wirksamer werden“. Viel Geld ausgeben könne jeder. Wichtiger sei es jedoch, die Hilfe gezielt einzusetzen.
„Vor allem gute Regierungsführung“
Zum Auftakt des Gipfels im Sitz der Vereinten Nationen in New York hatte Merkel die Staatengemeinschaft zu einer rückhaltlosen Überprüfung der UN-Millenniumsziele aufgefordert. „Ich werde hier sehr deutlich sagen: Um Entwicklungshilfe zu verbessern, brauchen wir vor allen Dingen gute Regierungsführung.“ Sie werde die „ergebnisbasierte Entwicklungshilfe“ deshalb in den Mittelpunkt stellen.
Wie Merkel vertraten auch der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg und Weltbank-Präsident Robert Zoellick die Auffassung, dass die bisherige Zwischenbilanz der Entwicklungshilfe gut sei, es aber noch viel zu tun gebe und vor allem nicht alle Ziele wie geplant bis 2015 umgesetzt werden können. Es gebe Regionen wie Asien, „in denen wir sehr, sehr gute Fortschritte gemacht haben“, fasste Merkel zusammen. Es gebe aber auch Regionen, die „Sorgenkinder sind, und das ist insbesondere die Subsahararegion“.
Die Abschlusserklärung des Millenniums-Gipfels war schon vor dem Start der Veranstaltung am Montag ausverhandelt worden. Merkel sagte dazu, die Erklärung stelle „schon einen Fortschritt dar, weil man gerade auch das Thema Menschenrechte, gute Regierungsführung dort verankert hat, und auch noch einmal das 0,7-Prozent-Ziel für die Entwicklungshilfe“. Dass bis 2015 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Entwicklungshilfe fließen, sei ein sehr ambitioniertes Ziel.
Werben für einen nichtständigen Sitz
Die CDU-Vorsitzende nutzt die Reise auch, um für einen nichtständigen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für die Jahre 2011 und 2012 zu werben. Drei Länder konkurrieren um zwei Plätze, Deutschland muss gegen Kanada und Portugal antreten. „Die Entscheidung fällt dann im Oktober“, sagte Merkel.
Die Kanzlerin traf zu Beginn den Angaben zufolge auch mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zusammen. Inhalte des Gesprächs wurden zunächst nicht bekannt gemacht. Weitere Gespräche sollen folgen. Am Dienstagvormittag (Ortszeit) hält Merkel eine Rede vor der Versammlung mit rund 125 Staats- und Regierungschefs. Am Nachmittag wird ihr die Leo-Baeck-Medaille verliehen, bevor sie am Abend wieder aus New York abreist.
Ban warnt reiche Staaten vor einem Nachlassen der Hilfszahlungen
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mahnte die wohlhabenden Länder zum Auftakt des dreitägigen Sondergipfels, die Entwicklungshilfe trotz explodierender Defizite in den Staatsbudgets nicht zu vernachlässigen.
Auf dem Gipfel wollen Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft eine Zwischenbilanz zur Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele ziehen, die vor zehn Jahren auf einem UN-Gipfel verabschiedet worden waren. Sie sehen unter anderem bis zum Jahr 2015 eine Halbierung der Zahl der Hungernden und der Armen, eine Absenkung der Kindersterblichkeit um zwei Drittel, einen Stopp der Ausbreitung von Aids sowie den Zugang aller Kinder zu Grundschulbildung vor.
UN-Chef Ban sprach von spürbaren Fortschritten, die in vielen armen Ländern allerdings „immer noch brüchig“ seien. Mit politischem Willen und zusätzlichen Finanzmitteln könne der Lebensalltag von Milliarden Menschen verbessert werden: „Trotz aller Hindernisse, trotz aller Skepsis sind die Millenniums-Ziele noch erreichbar“, sagte Ban. Mit Blick auf das Zieljahr 2015 sagte er: „Die Uhr tickt.“
„Beachtliche Fortschritte“ bei einigen Millenniums-Zielen
Vor Beginn des Gipfels zogen die UNO und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einem gemeinsamen Bericht eine gemischte Bilanz der bisherigen Umsetzung. In den Bereichen Regierungsführung, Frieden und Sicherheit, Grundschulbildung und Reduzierung der extremen Armut hätten die Millenniums-Ziele „beachtliche Fortschritte“ bewirkt, heißt es darin.
UNO und OECD sehen jedoch „enorme Herausforderungen“ in den Bereichen Trinkwasserversorgung und Zugang zu sanitären Anlagen. Auch die „nicht hinnehmbar“ hohe Kindersterblichkeit sowie der Todesfälle von Müttern bei Schwangerschaft oder Geburt müssten verringert werden.
Ban warnte in seiner Eröffnungsrede davor, angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise die Entwicklungshilfe zu vernachlässigen. „Wir sollten die Staatshaushalte nicht auf dem Rücken der Armen sanieren“, sagte er. „Die Erholung von der Wirtschaftskrise darf nicht die Rückkehr zu einer ungerechten Vergangenheit bedeuten.“ Der UN-Generalsekretär bezifferte den zusätzlichen Finanzbedarf zur Umsetzung der Ziele bis 2015 vor Beginn des Gipfels auf mehr als 100 Milliarden Dollar.
Hoffnung auf Finanzzusagen in Milliardenhöhe
Ban hofft darauf, bei dem New Yorker Treffen Finanzzusagen in Milliardenhöhe zu erhalten. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kündigte in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Rundschau“ an, die EU wolle bis zu einer Milliarde Euro zusätzlich für die Millenniumsziele zur Verfügung stellen. Das Geld solle aus ungenutzten Mitteln des Europäischen Entwicklungsfonds umgewidmet werden.
Die Weltbank will 750 Millionen Dollar zusätzlich geben. Nach UN-Angaben erfüllen derzeit nur fünf Länder das Ziel, 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen.
Deutschland will auf dem Gipfel keine zusätzlichen Finanzzusagen machen. Die Bundesregierung will sich vor allem dafür einsetzen, bereits vorhandene Ressourcen effektiver zu nutzen. (dapd/afp)