Kabul. .

Überschattet von Gewalt und Unregelmäßigkeiten haben die Afghanen zum zweiten Mal seit dem Sturz der Taliban vor neun Jahren ein neues Parlament gewählt. Mindestens sechs Menschen kamen am Wahltag ums Leben.

Überschattet von Gewalt und Unregelmäßigkeiten haben die Afghanen zum zweiten Mal seit dem Sturz der Taliban vor neun Jahren ein neues Parlament gewählt. Bei zahlreichen Anschlägen und Raketenangriffen kamen nach afghanischen Polizeiangaben am Samstag mindestens sechs Menschen ums Leben. Afghanistan steht nun eine langwierige Auszählung der Wahlzettel bevor, das offizielle Endergebnis wird erst für den 31. Oktober erwartet.

Mehr als 10,5 Millionen Afghanen waren aufgerufen, die Zusammensetzung der Wolesi Dschirga neu zu bestimmen. Dabei waren 68 der 249 zu vergebenen Mandate im afghanischen Unterhaus für Frauen reserviert, insgesamt bewarben sich 2500 Kandidaten. Auf die Machtverhältnisse im Land, wo die wichtigen Entscheidungen in den Händen von Präsident Hamid Karsai liegen und die verschiedenen Stämme das politische Leben bestimmen, hat die Wahl aber wenig Auswirkungen.

Präsident hatte zur Wahl aufgerufen

Präsident Karsai hatte die Afghanen eindringlich aufgefordert, sich ungeachtet der Drohungen der radikalislamischen Taliban an dem Urnengang zu beteiligen. „Wir hoffen auf eine große Beteiligung, die Menschen sollen sich ohne Druck für einen Kandidaten entscheiden, ganz gleich ob Mann oder Frau“, sagte Karsai bei der Stimmabgabe in einer Schule nahe des Präsidentenpalastes in Kabul.

Der Leiter der afghanischen Wahlkommission IEC, Fasel Ahmed Manawi, bezeichnete die Beteiligung als „sehr gut“. Allerdings blieben wegen der Sicherheitslage offenbar mehr Wahllokale geschlossen als befürchtet. Von rund 460 der 5816 anvisierten Wahlstationen hatte die IEC zunächst keine Information, ob sie offen seien. Vor der Wahl hatte die Kommission bereits angekündigt, dass in mehr als 1000 der insgesamt 6900 Wahllokale landesweit wegen der Taliban-Drohungen keine Stimmabgabe stattfinden würde.

Die Wahlbeschwerdekommission (ECC) registrierte zwei Fälle in Wahlbüros in Kabul, wo die Tinte, mit der ein Finger der Wähler nach der Stimmabgabe gekennzeichnet wird, abwaschbar gewesen sei. Außerdem seien aus mehreren Regionen des Landes verspätete Öffnungen von Wahllokalen, fehlende Stimmzettel, und Einschüchterungen gemeldet worden. Die UNO und die USA hatte im Vorfeld mit Wahlbetrug gerechnet, allerdings erwarteten sie einen besseren Verlauf als bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr.

Mindestens sechs Menschen kamen ums Leben

Bei Angriffen der Taliban mit Raketen und Mörsergranaten auf Wahllokale in der östlichen Provinz Kunar und in der nördlichen Provinz Tachar kamen nach Polizeiangaben vier Menschen ums Leben. Auch in der östlichen Provinz Nangarhar starben zwei Menschen durch einen Raketenangriff. In der südlichen Unruheprovinz Kandahar wurde zudem ein Anschlag auf den Konvoi des Gouverneurs Torjalai Wesa verübt. Niemand sei verletzt worden, sagte Wesa.

Die Aufständischen nahmen am Wahltag auch die internationalen Truppen ins Visier. Kurz vor Öffnung der Wahllokale wurde das NATO-Hauptquartier der Hauptstadt mit einer Rakete beschossen. Das Geschoss schlug nach NATO-Angaben in der Nähe der Gebäude ein, verletzte aber niemanden.

Im Norden Afghanistans verwickelten Rebellen deutsche Soldaten etwa elf Kilometer nordwestlich des Feldlagers Kundus in ein Gefecht, wie das Einsatzführungskommando in Potsdam mitteilte. Außerdem seien sieben Raketen im Bereich des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) der Bundeswehr in Kundus niedergegangen. Deutsche Soldaten seien nicht verwundet worden; auch Sachschaden sei nicht entstanden. (afp)