Hannover. .

Im Atommülllager Asse liegt deutlich mehr radioaktiver Müll als bislang bekannt. Fast 15.000 Fässer liegen einem Bericht zufolge in dem ehemaligen Bergwerk. Die Behörden gingen bislang von nur knapp 1.300 Fässern aus.

In das einsturzgefährdete Atommülllager Asse ist gut zehnmal mehr mittelradioaktiver Müll eingelagert worden als jahrzehntelang von den Betreibern angegeben. Nach einen neuen Bericht des Helmholtz Zentrums zum radioaktiven Inventar lagern in dem Bergwerk bei Wolfenbüttel auch 14.779 Atommüllfässer mit einer zusätzlichen Betonabschirmung, in denen mittelradioaktiver Atommüll angeliefert wurde. Die Behälter seien für die Einlagerung von mittelradioaktiven Stoffen bestimmt gewesen, heißt es in dem am Freitag in Hannover veröffentlichten Bericht. Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) dokumentiert der Bericht „die Diskrepanz zwischen den Angaben der damaligen Abfallanlieferer und den wirklichen Inhalten der Fässer“.

Das Bundesamt für Strahlenschutz als Betreiber und das für die Aufsicht zuständige niedersächsische Umweltministerium gingen bislang von knapp 1.300 Fässern mit mittelaktiven Abfall in der Asse aus, die alle in einer gesonderten Kammer in 511 Meter Tiefe liegen. Nach dem neuen Inventarbericht, der dapd vorliegt, verteilen sich die 14.779 weiteren Fässer mit mittelaktiven Müll auf acht verschiedene Einlagerungskammern in 750 Meter Tiefe. Diese Kammern sind ansonsten mit Fässern mit schwachradioaktivem Müll gefüllt. Insgesamt wurden in das ehemalige Salzbergwerk von 1968 bis 1978 rund 126.000 Fässern mit schwach- und mittelradioaktiven Müll in 13 Kammern eingelagert.

Folgen für Sanierung der Asse strittig

Auch das niedersächsische Umweltministerium erklärte, man gehe davon aus, dass „die 14.779 Fässer bei der Einlagerung mittelradioaktiven Müll enthielten“. Durch die zusätzliche Betonabschirmung hätten sie nur wenig Strahlung nach Außen abgegeben und so die Annahmebedingungen der Deponie für schwach radioaktiven Müll erfüllt, sagte Ministeriumssprecherin Jutta Kremer-Heye. Das BfS betonte, der neue Inventarbericht bestätige „vom Bundesamt selber durchgeführte Nachermittlungen“.

Ministeriumssprecherin Kremer-Heye wies darauf hin, dass die zusätzlichen Fässer mit mittelradioaktiven Müll im Bergwerk zwischen Fässern mit schwach radioaktiven Müll liegen. „Die geplante Rückholung des Mülls aus der Asse wird dadurch nicht einfacher“, sagte sie. Demgegenüber betonte das BfS, dass der neuen Bericht dazu beitrage, bei der Rückholung die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen.

Der Fraktionschef der Grünen im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel, sagte, man habe schon immer weiteren mittelaktiven Atommüll in der Asse vermutet. Auf Grundlage des neuen Inventarberichts könne man bei der geplanten Bergung des Atommülls aus dem Bergwerk nun „gezielter und genauer vorgehen“. Auch die niedersächsische SPD-Landtagsabgeordnete Petra Emmerich-Kopatsch erklärte, es sei gut, „dass jetzt allgemein bekannt ist, wo überall mittelaktiver Müll gelagert wurde“.

Billige Wegwerfbehälter entwickelt

Den neuen Bericht erarbeitete eine in Jülich ansässige Arbeitsgruppe des Helmholtz Zentrums München mithilfe alter Akten. Bei einem Teil der zusätzlich abgeschirmten Atommüllfässer ist demnach die Strahlung schon soweit abgeklungen, dass ihr Inhalt heute wieder als schwachaktiv gelten kann. Aufgrund des Abklingverhaltens seien von den ehemals 14.779 Fässern heute noch 8.465 Fässer in die Kategorie mittelaktiv einzustufen, heißt es in dem 67-seitigen Papier. Das Helmholtz Zentrum war bis Ende 2008 Betreiber der Asse.

Der Inventarbericht geht davon aus, dass die zusätzlichen Betonabschirmungen die Transportkosten bei mittelradioaktiven Müll senken sollten. „Um für den Transport eine wirtschaftliche Lösung zu finden, entwickelte man einen „billigen Wegwerfbehälter““, stellt der Bericht fest. Die verlorenen Betonabschirmungen für Transport und Einlagerung von mittelradioaktiven Abfall hätten eine Dicke von 20,3 Zentimeter gehabt. Im ersten Genehmigungsantrag für die Einlagerung dieser Art Behälter seien ausdrücklich „600 Fass mittelradioaktive Abfallstoffe“ genannt worden. Die Gesamtmenge des in der Asse eingelagerten Plutoniums gibt der neue Bericht mit 28,1 Kilo an. Er weist zudem auf zwei einzelne Atommüllfässer hin, die bei Anlieferung 115 und 41 Gramm Plutonium enthielten. Erlaubt waren nach Angaben des BfS nur maximal 15 Gramm Plutonium pro Fass.

Das BfS plant, allen Atommüll wieder aus der Asse herauszuholen. Dies soll mehrere Milliarden Euro Kosten. (dapd)