London. Der britische Premier Gordon Brown hat viele Fehler gemacht, aber seine Widersacher machten die größeren - etwa als Spesenritter. Jetzt bekommt Brown überraschend eine zweite Chance.

Der britische Premierminister bekommt von seinen Labour-Abgeordneten eine zweite Chance und bleibt im Amt. Wem hat Gordon Brown diese überraschende Wende zu verdanken: chaotischen Partei-Rebellen, geheimen Entfesselungstricks oder doch seiner als „defizitär” geltenden Persönlichkeit? Dass Brown, der Underdog, sich bei aller Angst vor seinem politischen Ende doch todesmutig seinen Angreifern stellte, hat ihm selbst bei den Konservativen Respekt eingebracht.

Mr. Bean der Politik

Am Freitag schienen seine Tage gezählt, nachdem ein Dutzend Minister meuternd von Bord ging. Nach verheerenden 15,3 Prozent bei der EU-Wahl drohte der Labour-Kapitän am Montagabend schließlich unterzugehen. Im Schlagabtausch mit seinen Abgeordneten versprach Brown aber, an „seinen Schwächen zu arbeiten” und seine Stärken besser in seinen Führungsstil einzubinden. Es war wohl kaum Reue, die den belagerten Premier schützte. Die Umstürzler hatten sich zum Teil selbst so diskreditiert, dass Brown, der „Mr. Bean der Politik”, gegen sie als einzig integere Persönlichkeit im bizarren, britischen Polittheater erschien.

Da gab es in einer Nebenrolle die Europa-Ministerin Caroline Flint, die erst ihre Loyalität zu Brown betonte, dann das Handtuch schmiss und ihn beschimpfte, ein Sexist zu sein, der Parteiämter zu Dekorationszwecken an Frauen vergebe, wichtige Ämter hingegen für Männer reserviere. Dummerweise hatte Flint sich zuvor selber genau zu der „Schaufenster-Staffage” gemacht, die sie Brown vorwarf: Die attraktive Politikerin war vor allem für Fotos in einer Sonntagszeitung bekannt, die sie mit Stilettos und offenherzigen, knallroten Kleidern ablichten durfte.

Brown sollte über ihre Kritik stolpern, doch Flint sabotierte sich nur selber. Dabei war unerheblich, dass sie völlig Recht hatte: Nur eine einzige Frau in Browns großer Ministerriege trägt nämlich größere Budgetverantwortung.

Auch der Auftritt, oder besser Abtritt von Arbeitsminister James Purnell geriet zur Farce. Öffentlich forderte er Brown auf, zurückzutreten, um Labour vor dem Untergang zu retten. Er möge an das Wohl seiner Partei, an das Wohl Britanniens denken, rief Purnell und galt schnell als Held der Rebellen. An jenem Tag war Brown seinem Sturz besonders nah. Nur die Wähler reagierten wenig amüsiert: Purnell, der sich für seinen Coup als edler Prinzipienreiter gab, war kurz zuvor noch ein besonders aktiver Spesenritter gewesen. Brown, der mit seiner Abneigung gegen schillernden Medienrummel, seinem getragenen Ernst, ganz die „Old School” der Politik verkörpert, schien da plötzlich erfrischend über dem Chaos aus Habgier und Selbstsucht von Westminster zu stehen.

Je mehr gemeuchelt wurde, desto sauberer wirkte er. Der Pfarrersohn hielt keine Krisenrede, sondern eine Predigt: Er werde nicht abtreten, verkündete Brown, weil er die Menschen in der wirtschaftlichen Notsituation nicht allein lassen wollte - ganz so, als sei er der Retter, nicht das Problem. Auch seine altmodischen Phrasen vom „moralischen Kompass” passen heute besser als jemals zuvor. Und dass der sture Schotte, der das Pech anzuziehen scheint, sich den bereits stumpfen Messern seiner Parteikollegen stellt, verdiente zusätzlich Achtung.

Konflikte gehen weiter

Die Regierungskonflikte werden mit dem beschlossenen Burgfrieden nicht enden: Der „despotische” Gordon, der bei Wutanfällen mit Büroinventar schmeißt und immer alles zu Ende denken will, obschon sein Amt ihm keine Zeit zum Philosophieren lässt, wird kein geschmeidiger und witziger Tony-Blair-Verschnitt werden. Seinen Ruf wird er auch nicht mehr retten können. Stattdessen sieht er dem letzten Akt des Dramas entgegen: der Parlamentswahl, die bis Juni 2010 stattfinden muss.