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Mit 1,5 Prozent der Stimmen blieben die Piraten bei der NRW-Landtagswahl hinter ihren eigenen Erwartungen und dem überraschenden Ergebnis bei der Bundestagswahl 2009 zurück. Frust und Enttäuschung herrscht am Montag vor. Und einige fragen: Reicht das Netz als politische Plattform aus?

Es klang fast schon nach Trotz: „Wir machen weiter“ verbreitete die Piratenpartei am Montagmorgen an ihre Anhänger über den Microblogging-Dienst Twitter. Verbunden mit einem „großen Danke an unsere (mittlerweile vielleicht sogar treuen?) Wähler“. Immerhin: Es waren 119.581 Wahlberechtigte, die am Sonntag ihre Zweitstimme der Piratenpartei gegeben haben. Doch mit 1,5 Prozent Gesamtergebnis ist bei den Piraten niemand glücklich.

Denn sie waren mit kräftigem Rückenwind in die Landtagswahl gezogen: Mit 2 Prozent der Zweitstimmen bei der Bundestagswahl im September 2009 war den Piraten ein Überraschungserfolg gelungen. Den hätte man am Sonntag gerne wiederholt und vielleicht ein bisschen übertroffen, auch wenn man nicht ernsthaft erwarten konnte, in den Landtag einzuziehen, sagt die Landesvorsitzende Birgit Rydlewski am Montag im Gespräch mit DerWesten. Nun hat die 40-jährige Dortmunderin durchaus Sorgen, dass bei den Aktivisten der Netzpartei jetzt erstmal der Wind aus den Segeln ist: „Ich hoffe, dass wir jetzt nicht an Engagement verlieren“.

Selbstkritik ist angesagt

„Wir haben sicher viele Fehler gemacht“, meint Richard Klees. Für ihn ist am Montag Selbstkritik angesagt. Der 24-jährige Physik-Student ist als politischer Geschäftsführer im NRW-Landesverband sozusagen der Piraten-Navigator. Für ihn zeigt die Landtagswahl eindeutig, „dass wir aus dem Netz raus müssen. Wir müssen unsere politischen Ziele mehr in der Bevölkerung verankern.“ Für Klees heißt das, die Piraten müssen auch in der Lokalpolitik Themen setzen. Viele Bürger hätten „teilweise noch die Vorstellung, wir seien eine reine Spaßpartei“, meint Klees.

Beispiel ist für ihn die Stadt Aachen, wo die Piraten mit 4,2 Prozent der Zweitstimmen am Sonntag ihr landesweit bestes Ergebnis erzielen konnte. Warum das gelungen ist? Zur Kommunalwahl im vergangenen August gelang es den Piraten, den Stadtrat mit einem Abgeordneten zu entern. „Seitdem sind wir bei Podiumsgesprächen vertreten und unsere Termine werden auch in den örtlichen Medien bekannt gemacht“, sagt Klees.

Auch in Köln sei es in einigen Wahlbezirken gelungen, an der 5-Prozent-Marke zu kratzen - „dort, wo wir aktiv auf der Straße waren“, interpretiert Michael Bark aus der Bundespressestelle in Berlin die Wahlstatistik. Andererseits: In Münster, wie Aachen ebenfalls Studentenstadt und mit einem Piraten-Vertreter im Stadtrat, kam die Netzpartei gerade mal auf 2 Prozent der Zweitstimmen. Deutlicher über dem Durchschnitt lag man sonst nur noch in Bonn, ebenfalls einen Hochschul-Stadt. Das Ergebnis dort: 2,7 Prozent der Zweitstimmen.

So hätten den Piraten wohl auch schlicht landespolitische Inhalte gefehlt, mit denen sich mehr Stimmen hätten gewinnen lassen können, vermutet Chef-Stratege Richard Klees. „Bei der Bundestagswahl hatten wir die Netzsperren von Ursula von der Leyen“. Bei der Landtagswahl spielten die aber keine Rolle. Und die Forderung, den WDR-Rundfunkrat um einen Vertreter des Chaos-Computer-Clubs (CCC) zu ergänzen, war zwar online-affin, aber nichts für die breite Masse. Dass die eigene Netz-Wahlplattform erst sechs Wochen vor der Wahl online gehen konnte, ist für Klees ein weiterer Lapsus bei der Wahlvorbereitung - „aus dem wir für künftige Wahlen lernen wollen“, sagt der 24-Jährige.

Netz- oder ‘Voll-Partei’?

Am Bundesparteitag am kommenden Wochenende in Bingen am Rhein werden die Piraten die nächsten Schritte machen. Ohnehin gilt es, zentrale Fragen für die politische Ausrichtung zu klären, sagt Birgit Rydlewski: Bleibt es bei der Netzpartei oder werden sich die Piraten mit einem „Vollprogramm“ - wie zur NRW-Wahl begonnen - den Wählern stellen? Werden die Piraten sich auf eine gemeinsame „Vision“ vereinbaren? Und nicht zuletzt gilt es, die Organisationsstruktur weiter auszubauen.

Da hilft es jedenfalls, wenn die finanzielle Zukunft der Piraten für die nächsten Jahre gesichert ist: Die Stimmgewinne im vergangenen Jahr, bei Europa-, und Bundestagswahl, und der NRW-Landtagswahl vom Wochenende spülen Geld in die Kriegskasse - dass man in punkto 9. Mai gerne früher gehabt hätte, sagt Michael Bark: „Die Parteienfinanzierung wird leider nicht zum Jahresbeginn ausgezahlt“. Zur Landtagswahl hatten die Piraten daher nur „einen mittleren fünfstelligen Betrag“ als Werbebudget zur Verfügung.

Ihr Ziel, als ‘größte der kleinen Parteien’ vielleicht doch mal den Weg in ein Landesparlament zu schaffen, wollen die Piraten nicht aus den Augen lassen, versichert Birgit Rydlewski. Auch wenn sie im Vergleich zur Bundestagswahl sogar Wähler verloren haben: „Es geht jetzt erst richtig los.“