Düsseldorf. Seit Jahren kämpft NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter vergeblich gegen Gesetze an, die Mördern zur Freiheit verhelfen. Die Forderung ist vor allem wegen der neuen Methoden der Beweisführung durch Gentests von wachsender Brisanz.
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NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) kämpft darum, Mörder, die bisher durch eine Gesetzeslücke vor Strafe geschützt sind, verurteilen zu können. „Das sind wir den Mordopfern und ihren Angehörigen schuldig”, appelliert die Ministerin in einem Brief an die Politiker im Bundestags-Rechtsausschuss, die ihre Initiative für ein Wiederaufnahmeverfahren in Mordfällen scheitern lassen wollen.
2006 war bekannt geworden, dass in Düsseldorf der mutmaßliche Mörder einer dreifachen Mutter frei herumlaufen darf, weil er bereits einmal angeklagt und freigesprochen worden war.
Qualvoll erstickt
Die Frau erstickte qualvoll an ihrem Arbeitsplatz. Der Mann, der in der Mittagspause die Videothek in Düsseldorf überfiel, fesselte die Angestellte, stülpte ihr eine Plastiktüte über den Kopf und verschloss diese mit Klebeband so fest am Hals, dass die 28-Jährige wenig später starb. Ihr Mörder flüchtete mit 650 D-Mark aus der Tageskasse.
Das war im Dezember 1993. Werner P., der kurz darauf als der mutmaßliche „Videothekenmörder” gefasst wurde, sprach das Gericht 1994 aus Mangel an Beweisen frei. Erst als viele Jahre später die DNA-Analyse möglich wurde, überführten die Ermittler ihn nach ihrer Überzeugung „zweifelsfrei” als den Mann, der die dreifache Mutter getötet hat. Spuren am Klebeband des Mörders identifizierten Experten als Hautpartikel von Werner P.
Videothekenmord bleibt ungesühnt
Mord verjährt zwar nicht, doch wer einmal rechtskräftig freigesprochen wurde, darf später nicht noch einmal für denselben Tatvorwurf angeklagt werden – so will es das deutsche Recht. Damit bleibt der Videothekenmord von Düsseldorf ungesühnt.
„Angesichts des rasanten Fortschritts in der wissenschaftlichen Kriminaltechnik ist damit zu rechnen, dass es nicht bei dem Düsseldorfer Fall bleiben wird”, prophezeit ein Sprecher das NRW-Justizministerium. „Man muss sich hier vor Augen führen, dass bundesweit pro Jahr im Durchschnitt immerhin 13 Angeklagte vom Vorwurf des Mordes freigesprochen werden.”
Seit drei Jahren setzt sich NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter deshalb dafür ein, dass die Gesetzeslücke, die Mörder vor Strafe schützt, geschlossen wird. Umso enttäuschter ist die Ministerin, dass der Rechtsausschuss des Bundestages nach einer Expertenanhörung ihrer Initiative nicht weiter verfolgen will. Juristen hatten den Entwurf kontrovers bewertet. Ein Sachverständiger lehnte Müller-Piepenkötters Begehren mit dem Hinweis auf andere europäische Länder ab, in denen die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines Strafverfahrens „zu Ungunsten des Angeklagten” ebenfalls nicht existiert.
„Wenn wir weiterhin bei den unverjährbaren Verbrechen des Mordes zu Lasten der Gerechtigkeit an der formellen Rechtskraft festhalten, setzen wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat massiv aufs Spiel”, warnt die NRW-Justizministerin zutiefst verärgert in einem vierseitigen Brief an die 31 Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestags.
Ministerin will weiter kämpfen
Denn kampflos will sie in Berlin nicht untergehen. „Wir brauchen die Reform des Rechts der Wiederaufnahme. Das sind wir den Mordopfern und ihren Angehörigen schuldig”, appelliert sie an die Bundespolitiker und stellt dar, dass ein europäischer Rechtsvergleich für und nicht gegen die Reform des Gesetzes spricht. „In 15 europäischen Ländern ist eine Wiederaufnahme zu Ungunsten des Angeklagten vorgesehen.”
Bleiben die Rechtsexperten des Bundestages trotzdem dabei, sich in dieser Legislaturperiode nicht weiter mit der Schließung der Gesetzeslücke zu befassen, fängt für die NRW-Justizministerin nach der Bundestagswahl der Kampf wieder ganz von vorne an. Nach Angaben ihres Ministeriums muss sie dann eine neue Bundesratsinitiative starten. Wertvolle Zeit ginge verloren. Und der Videothekenmörder von Düsseldorf liefe, gedeckt durch deutsches Recht, auch noch länger als ein unbescholtener Mann herum.