Düsseldorf. .

Im Staatsamt hat sich Jürgen Rüttgers per Eid verpflichtet, dem Volk zu dienen, in seiner Parteifunktion vertritt er eine politische Richtung. Der schnell erhobene Vorwurf der Ämterverquickung gehört zu den schärfsten Schwertern einer Opposition. Dabei war auch die SPD mal in der Bredouille.

Wenn Jürgen Rüttgers im kleinen Kreis über die Trennschärfe seiner Doppelrolle als Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzender sinniert, entfährt ihm schon mal der Satz: „Aber ich bin doch nicht schizophren.“ Eine gewisse Bewusstseinsspaltung verlangt ihm die Verfassung jedoch ab.

Im Staatsamt hat sich Jürgen Rüttgers per Eid verpflichtet, dem ganzen Volk zu dienen; in der Parteifunktion ist er Exponent einer bestimmten politischen Richtung. Wehe, im Alltag verschwimmt diese Grenzlinie.

Rüttgers ist in den vergangenen Monaten immer wieder unter Druck geraten, weil die Opposition ihm anhand von abgefangenen vertraulichen Schreiben vorhielt, in seiner Staatskanzlei würde die CDU-Politik von zur Neutralität verpflichteten Landesbediensteten mitformuliert. Vor allem Rüttgers’ rechte Hand, der Regierungsplaner Boris Berger, stand im Verdacht, vom gläsernen Düsseldorfer Stadttor aus die Parteiarbeit zu steuern.

Wachsweiche Tendenz der Gelehrten

Berger geriet erstmals in die Kritik, als er Ende 2005 eine NRW-Imagekampagne plante, die parteipolitisch nicht neutral erschien. Auch in den Streit um die geplante Video-Überwachung der CDU von Oppositionsführerin Hannelore Kraft (SPD) war Rüttgers’ Chefstratege mindestens involviert. Und in der Spon­soring-Affäre wollten die CDU-Finanzexperten nicht zuletzt den Ministerpräsidenten-Titel gewinnbringend für die Parteikasse einsetzen.

Staatsrechtler diskutieren seit Jahren, wie die Doppel­rolle aus Staatsamt und Parteifunktion gesetzeskonform interpretiert werden muss.

Wachsweiche Tendenz der Gelehrten: Parteipolitik ist aus dem Regierungsalltag nicht vollständig herauszuhalten, öffentliche Ämter und Gelder dürfen jedoch auch nicht zu Parteizwecken missbraucht werden. Also: Keine zwei Hüte, zwei Terminkalender, zwei Dienstwagen, zwei Telefone – aber eben auch nicht Staatspartei.

Klar Schiff in der Staatskanzlei

Zu Wochenbeginn ließ sich Rüttgers-Intimus Berger vorsorglich als Abteilungsleiter der Staatskanzlei beurlauben und wechselte ganz offiziell in den Dienst der Partei. Der designierte Generalsekretär Andreas Krautscheid wollte es so, um „klar Schiff“ zu bekommen. Denn er ahnt: „Je heißer der Wahlkampf wird, desto schwieriger ist es, die Partei- und Regierungslinie auseinander zu halten.“ Schließlich ist Rüttgers bis zum 8. Mai als Ministerpräsident im Lande unterwegs, will aber am 9. Mai im Amt bestätigt werden. Da wäre es naiv zu glauben, seine Auftritte und Initiativen würden nicht mit dem Kalkül des Stimmenfangs geplant.

Jemand wie Berger hat seit Regierungsantritt 2005 mehr als 10 000 E-Mails von seinem Dienstcomputer versendet, allein 116-mal ging Post zwischen ihm und dem CDU-Pressesprecher Matthias Heidmeier hin und her. Da wurden Rüttgers’ Termine koordiniert, Vorhaben beraten, politische Einschätzungen ausgetauscht. Lauert hier bereits der Rechtsbruch?

Der künftige Generalsekretär Krautscheid lässt gerade die gesamte Korrespondenz durchleuchten, um für mögliche Angriffe gewappnet zu sein. Er weiß, dass der schnell erhobene Vorwurf der Ämterverquickung zu den schärfsten Schwertern einer Opposition gehört. Zumal zahlreiche interne Schreiben der CDU durch ein fatales Datenleck in der Parteizentrale, das seit Montag der Staatsanwalt untersucht, in Umlauf geraten sind.

Diesmal auf der anderen Seite

Noch vor wenigen Jahren wurde das Spiel übrigens unter anderen Vorzeichen getrieben: Als 2004 der damalige Staatskanzlei-Chef Wolfram Kuschke (SPD) etwas unbeholfen formulierte, die Regierungszentrale sei eine „Regierungskampa“ der Sozialdemokraten, war die CDU hellauf empört. Sie geißelte „roten Filz“ und suchte den Nachweis zu führen, dass Staats­diener sogar die SPD-Landesvorstandssitzungen vorbereiteten. Es ging schon damals um Imagekampagnen mit ­Parteifärbungen, Datenlecks und Amtsmissbrauch.