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Unabhängig von der Volksabstimmung über die Schulreform wird Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust zurücktreten. Das gilt als gesicherte Information. Doch nicht nur er, mit ihm scheint auch seine Kultursenatorin Karin von Welck aufzugeben.
Ole von Beust tritt zurück. Das ist nach den Berichten Hamburger Medien so gut wie sicher. Der Erste Bürgermeister der Hansestadt, seit neun Jahren Chef im Rathaus und seit 2008 an der Spitze einer schwarz-grünen Koalition, will Sonntagnachmittag dafür „persönliche Gründe“ nennen. Unabhängig vom Ausgang des Volksentscheids über das Schulsystem.
Die Grünen haben einen Plastik-Paul in Marsch und die Szene ins Bild gesetzt: Die Kunst-Krake schleimt sich natürlich auf das Glas mit dem Ja zur Primarschule, in der es sechs Jahre gemeinsames Lernen geben soll. Noch nehmen die Befürworter alles mit Humor. Der Sonntag könnte ihnen die Laune vermiesen.
Ole von Beust ist populär - aber auch seine Politik?
Denn, erstens, droht eine Niederlage bei dieser Abstimmung, zu der 1,2 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen sind. Sind 247.000 Bürger oder mehr dagegen, ist der Gesetzentwurf vom Tisch. Zweitens aber, spektakulärer noch, wird dieser Sonntag der Tag, an dem CDU-Bürgermeister Ole von Beust seinen Rücktritt auf Ende August erklärt. Da sind sich alle Insider einig. Um 16 Uhr wird in der vornehmen Villa am Leingraben, dem christdemokratischen Hauptquartier, der Parteivorstand zusammenkommen, um vielleicht schon seinen Nachfolger zu benennen. Im Gespräch ist Innensenator Christoph Ahlhaus.
Bis zum frühen Nachmittag hatten erst 29.000 Stimmberechtigte die 201 Wahlstellen aufgesucht. Allerdings hatten 426.000 Bürger vorher schon per Brief abgestimmt. Insgesamt sind 1,3 Millionen Hamburger zur Abstimmung aufgerufen. Die Wahllokale sind noch bis 18.00 Uhr geöffnet. Ein Endergebnis wird für 23.00 Uhr erwartet.
Von Beust ist populär. Keine Frage. Seine Politik und seine Koalition auch? Es hat sich Unmut breit gemacht. Schwarz-grün hat, neben den Erfolgen bei der Haushaltssanierung und dem Anschub vieler kultureller Projekte, längst eine lange Sündenliste.
Nach wie vor gibt es Probleme mit der inneren Sicherheit. Linksradikale zünden Autos an. Mehrere hundert wurden schon abgefackelt. Die Polizei scheint hilflos.
Niemand räumte Eis und Schnee, als im Winter die Straßen Wochen lang unpassierbar waren. Nur in der Sackgasse des Bürgerschaftspräsidenten Berndt Röter (CDU) kamen die städtischen Arbeiter. Als das ruchbar wurde, musste er zurücktreten.
Nach dem Abtauen blieben riesige Löcher in Hamburgs Straßendecken. Bis heute. Die Stadt gibt kein Geld aus für die Reparaturen. Das steckt sie lieber in den Bau der Elbphilharmonie, deren Kosten sich mittlerweile auf 323 Millionen Euro vervierfacht haben.
Mächtig Gegenwind und Niederlagen
Zähneknirschend würden das die Hanseaten noch hinnehmen, wenn sie nicht an anderer Stelle, bei den Kita-Gebühren, kräftig geschröpft würden. In manchen Stadtteilen müssen Eltern glatte 100 Euro mehr zahlen. Pro Monat. Ausgerechnet 48 Stunden vor der Schulabstimmung wurde das durch Zeitungsberichte bekannt.
Da war auch noch ein großes Bikertreffen, das der Senat stoppen wollte. Wegen Lärm und Umweltbelastung. Die Bürger deckten das Rathaus mit Protesten ein. Rückzug. Schließlich durften die Harleys fahren. Und nicht zu vergessen: Die üblichen Rück- und Fettnäpfchentritte. Finanzsenator Freytag musste wegen der Verluste bei der HSB Nordbank gehen. Sein Nachfolger Carsten Frigge bekam bald darauf Besuch vom Staatsanwalt wegen des Verdachts der Beihilfe zur verdeckten Parteienfinanzierung zugunsten der Pfälzer CDU. Da kam er her.
An diesem Wochenende geht es also nicht mehr alleine um Schule und gemeinsames Lernen. Nicht mehr um den Widerstand, den die bürgerlichen Familien in der Hansestadt gegen die Primarschule organisierten und der jetzt zum Volksentscheid führt – ein Widerstand, der Ole von Beust tief verärgert hat: „Es überrascht mich, dass manche so unverhohlen sagen: Wir wollen nicht, dass unsere Kinder länger als notwendig mit Kindern mit Migrationshintergrund zur Schule gehen“.
Viel Beifall hat ihm dieser Satz nicht gebracht. Die letzten Prognose sehen 36 Prozent der Hamburger als Gegner des schwarz-grünen Schulvorhabens und nur 24 Prozent dafür. Für den 51-jährigen ist allein schon der Gegenwind enttäuschend. Vielleicht betrachtet er es als Absage an sein Vorhaben, mit einer Koalition aus CDU und Grünen ein zukünftiges Modell andere Bundesländer zu schneidern. Vielleicht hat er auch wirklich nur „persönliche Gründe“. Ist er müde. Erschöpft nach neun Jahren. Und eben auch politisch nicht mehr im Reinen mit seiner Partei, räumt von Beust doch ein, er sei im Laufe dieser Jahre nach links gerutscht.
Auch Kultursenatorin Welck scheint aufzugeben
Zusammen mit dem am Sonntagsnachmittag erwarteten Rücktritt von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) wird nun auch mit der Demission von Kultursenatorin Karin von Welck gerechnet. Die 63-jährige parteilose Politikerin wolle zur ersten Bürgerschaftssitzung nach der Sommerpause am 25. August ihr Amt aufgeben, berichtete das „Hamburger Abendblatt“. Beust wolle Welcks Entscheidung im Rahmen seiner eigenen Rücktrittserklärung bekanntgeben.
Welck steht seit langem wegen der explodierenden Kosten für die Hamburger Elbphilharmonie unter Druck und will nun offenbar einer möglichen Senatsumbildung durch Beusts Nachfolger zuvorkommen. Welck soll dem Bericht zufolge Beust schon vor Wochen erklärt haben, dass sie mit ihm gemeinsam aus dem Senat ausscheiden wolle, falls er sich zum Rücktritt entschließe. Welck hatte ihr Amt im März 2004 angetreten und war die einzige parteilose Senatorin im Senat.
Unterdessen kam am Nachmittag der Hamburger CDU-Landesvorstand zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Gegen 15.00 Uhr trafen Beust sowie sein möglicher Nachfolger, Innensenator Christoph Ahlhaus, und der CDU-Fraktionschef in der Bürgerschaft, Frank Schira, im Haus des Vorstands ein. Angeblich will Beust dem Gremium seinen Rücktritt verkünden, bevor er sich dazu um 17.30 Uhr auf einer Pressekonferenz im Rathaus erklärt. (mit Material von ddp/apn)