Berlin. Ab 2020 sollen die Länder keine Schulden mehr machen dürfen. Dann soll die Schuldenbremse im Grundgesetz stehen. Finanzminister Peer Steinbrück hat das neue Instrument heute im Bundestag verteidigt. Finanzschwachen Ländern will der Bund beim Abbau der Schulden unter die Arme greifen.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) verteidigt die geplante Änderung der Schuldenregelungen im Grundgesetz. Von 1980 bis heute habe sich der Schuldenberg allein des Bundes auf 960 Milliarden Euro erhöht und damit verachtfacht, sagte Steinbrück am Freitag in der ersten Beratung des Bundestages in Berlin zu den Ergebnissen der Föderalismuskommission II. Einer der Kernpunkte ist dabei, beim Bund eine strikte Schuldenbegrenzung ab 2016 einzuführen.
«Wir haben Keynes immer nur halb verstanden», sagte Steinbrück unter Verweis auf die Theorien des englischen Ökonomen John Maynard Keynes, der sich für eine aktive Rolle des Staates gerade in Krisenzeiten ausgesprochen hatte. Der Minister sagte, vergessen worden sei, diese Schulden in konjunkturell guten Zeiten wieder abzubauen.
Mit dem jetzt geplanten Schuldenverbot soll deutlich gemacht werden, dass Bund und Länder nach Überwindung der Krise wieder auf den Konsolidierungspfad zurückkehrten, betonte der SPD-Politiker. Für Investoren solle klar sein, dass es ein «ordentliches Finanzgebaren» in Deutschland gebe. Zudem sei diese Klarheit auch von entscheidender Bedeutung auch für die Stabilität in der Euro-Zone.
Begrenzung gelobt
Ausdrücklich lobte Steinbrück die vorgesehene Begrenzung der Schuldenaufnahme des Bundes. Die bisherigen Vorgaben hätten sich nur auf die Haushaltsaufstellung, nicht aber auf den Haushaltsvollzug bezogen. Daher sei es notwendig, klare Vorgaben für den Abbau der Schulden in Zeiten der Konjunktur festzuschreiben. Steinbrück erinnerte daran, dass die Ausnahmeregelungen im Grundgesetz seit 1975 insgesamt 15 Mal in Anspruch genommen wurden, zudem «sehr leichtfüßig».
Dass die Länder ab 2020 eine Schuldenvorgabe Null bekommen sollen, sei nicht die Idee der Bundesregierung oder des Bundestages gewesen, machte der Minister deutlich. «Dafür möchte ich nicht geprügelt werden», sagte der SPD-Politiker. Der Bund habe sich zudem bereiterklärt, beim Abbau der Schulden von finanzschwachen Ländern zu helfen. Andersherum sei das nicht der Fall. Und mit der flexibleren Regelung für den Bund werde auch der Bundeshaushalt weiter handlungsfähig sein. Selbst die aktuellen Milliarden-Programme zur Krisenbewältigung wären auch unter den neuen Vorgaben möglich.
DGB warnt vor Schuldenbremse
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat anlässlich der Bundestagsdebatte über die Föderalismusreform II vor der geplanten Einführung einer Schuldenbremse in der Verfassung gewarnt. «Das Vorhaben der Föderalismuskommission II, eine Schuldenbremse in der Verfassung festzuschreiben, ist so schädlich wie absurd», sagte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki den Dortmunder «Ruhr Nachrichten» vom Freitag. «Da werden Mehrheiten von heute genutzt, um künftige Entscheidungsprozesse drastisch einzuschränken», erklärte auch der Chef der Gewerkschaft Verdi, Franz Bsirske. Es gebe sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich erhebliche Bedenken dagegen, «sich mit einer Schuldenbremse selbst zu fesseln».
Koalition hofft auf breite Zustimmung
Die große Koalition hofft dagegen auf eine breite Zustimmung zur Föderalismusreform II. Die beiden Kommissionsvorsitzenden, SPD-Fraktionschef Peter Struck und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), lobten im Bundestag das Ergebnis als «Sternstunde des Föderalismus» und als «Zeitenwende». Die Opposition monierte neben einer falschen Weichenstellung auch, dass die Koalition mit der Schuldenbremse nur den kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden habe.
«Ich bleibe dabei, es handelt sich um eine Sternstunde des Föderalismus», betonte Struck und sagte mit Blick auf die komplizierte Einigung auch zur Schuldenbremse: «Ich bitte sehr und werbe sehr, denn ich glaube, dass es wirklich ein Schritt nach vorne ist. Ich glaube, dass es ein gutes Ergebnis ist für den Bund und für die Länder». Oettinger warnte davor, das Gesetzpaket noch einmal aufzuschnüren. «Rütteln wir nicht an einzelnen Säulen», sagte er und erinnerte daran, dass die Vorlage sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit brauche.
Struck zeigte sich überzeugt, dass es in den kommenden Jahren zu einer dritten Föderalismuskommission kommen werde. Es sei nicht gelungen, die Frage der Neugliederung der Länder zu klären, sagte er und betonte: «16 Bundesländer, so wie wir sie jetzt haben, wird es in 10 oder 15 Jahren nicht geben können. Nehmen Sie das als Vermächtnis eines ausscheidenden Kollegen der Föderalismuskommission mit auf den Weg.»
Die Debatte im Bundestag
Der stellvertretende Kommissionspräsident Ernst Burgbacher (FDP) sah die Kommission als weitgehend gescheitert an. Länderfinanzausgleich, Steuerautonomie, Länderneugliederung - «überall Fehlanzeige», kritisierte er. Die große Koalition sei offenbar «nur zu allerkleinsten Ergebnissen fähig». So seien wesentliche Punkte ausgeklammert worden. Und bei der Schuldenregelung habe man sich nur zu Auflagen für die Bundesländer durchringen können, nicht aber dazu, den Ländern mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Einnahmen zu geben. «Das ist die falsche Weichestellung.»
Die CDU-Finanzexpertin Antje Tillmann verteidigte die Konzentration auf eine Schuldenbremse. Ende des Jahres werde der Schuldenberg der öffentlichen Hände auf 1,7 Billionen Euro wachsen. Das lähme die Gestaltungsmöglichkeit kommender Generationen. «Das alles zeigt, dass wir neue Regeln brauchen, neue Regeln zur Eindämmung von Schulden.» Klar ist auch, dass der Bund mit etwas flexibleren Regeln dieses Geld «keineswegs für Spaßprogramme» ausgegeben könne. Zudem soll erstmals in die Verfassung eine Rückzahlungsverpflichtung festgeschrieben werden.
Linksfraktionschef Gregor Gysi kritisierte, bereits mit der ersten Föderalismusreform seien durch die Aufgabe der gemeinsamen Bildungspolitik die Weichen «hin zum Ellenbogenföderalismus» gestellt worden seien. Mit der jetzt geplanten Schuldenbremse werde den Ländern die Möglichkeit geraubt, künftig eigene Schwerpunkte zu setzen. Gysi sagte voraus, dass das Schuldenverbot ab 2020 für Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein in einer «Katastrophe» ende. Das werde das Bundesverfassungsgericht nicht akzeptieren. Sein Fazit zur Föderalismuskommission: «Die ist so falsch, dass man gar nicht lange darüber zu sprechen braucht.»
Für die Grünen hat die Föderalismuskommission II keine grundlegende Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gebracht. Auch die Einigung zur Schuldenbremse sei falsch, weil zu spät, sagte Fraktionschef Fritz Kuhn. Das heiße, die meisten Länder bräuchten bis 2020 keine Anstrengungen zur Schuldenreduzierung zu unternehmen. Kuhn erinnerte daran, dass 2019 der Solidarpakt II auslaufe und der Länderfinanzausgleich neu verhandelt werde. Angesichts einer jetzt schon absehbar angespannten Finanzsituation würden die Länder in zehn Jahren «das Scheitern erklären».
Der rheinland-pfälzische Finanzminister Ingo Deubel (SPD) nannte die geplante Schuldenbegrenzung für die Länder indes «leistbar». 2011 müsse der Abbau der strukturellen Defizite gestartet werden, denn die gegenwärtigen Defizite seien zuweilen mit der ab 2020 geplanten neuen Schuldenreglung nicht vereinbar. Im Übrigen sollten alle Kritiker nicht vergessen: «Die Haushalte sind in der Vergangenheit vor allem in guten Zeiten ruiniert worden.» (afp/ddp)