Berlin/Düsseldorf. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik kommt es zu Kürzungen von Politikergehältern - in den Bundesländern, wo die Abgeordneten-Diäten an die Entwicklungen der allgemeinen Einkommen gekoppelt sind. NRW ist deshalb nicht davon betroffen.

Die Bundestagsverwaltung lebt derzeit in einer Art Vakuum. Das neue Parlament ist gewählt, tagt aber noch nicht. Man kümmert sich in Berlin um die Anordnung der Stuhlreihen und die der Computer. Brisantere Themen lauern allenfalls in Parkposition. Von außen, aus den Ländern, drängen sie jetzt aber überraschend schnell heran: Mehrere Landtage bereiten die „Anpassungen” der Abgeordnetendiäten vor, die regelmäßig mit öffentlicher Erregung verbunden sind und sich auch auf die Debatte im Bundestag auswirken.

Doch diesmal ist – erstmals in der Nachkriegsgeschichte – alles anders. Die Diäten in den Ländern werden nicht steigen, sie sind im Sinkflug. Dort, wo wie bei den Landtagen in Stuttgart, München, Wiesbaden und Hannover die Abgeordnetenentschädigungen an die Entwicklung von Arbeitnehmereinkommen des Vorjahres gebunden sind, kommt es wahrscheinlich zu Kürzungen der Politikergehälter.

Abgeordnete reagieren gelassen

Eine Premiere. Es ist ein Automatismus, der in guten Zeiten zugunsten der Politiker-Portemonnaies wirkt. Jetzt aber sind die Zeiten schlecht.

Um 0,4 Prozent werden wegen der Krise die allgemeinen Einkommen zurückgehen, sagen die Experten der Wirtschaftsforschungsinstitute. Das Statistische Bundesamt hat errechnet, dass in den ersten beiden Quartalen der Index der Einkommen einschließlich der Zusatzleistungen in die Knie ging. Am Jahresende könnte es ähnlich aussehen.

Unter diesen Vorzeichen haben die Statistiker in Baden-Württemberg ihren Abgeordneten ein Minus informell angekündigt – und die reagieren gelassen: „So können die Leute sehen, dass der Landtag kein Selbstbedienungsladen ist”, findet der Fraktionsvize der Grünen in Stuttgart, Franz Untersteller.

Zubrot für 622 Parlamentarier

Tatsächlich ist die Lage in den genannten Bundesländern zunächst nicht eins zu eins auf den Bundestag zu übertragen. Das Berliner Parlament hat sich 2006 ausdrücklich gegen die Ankoppelung an die allgemeine Gehaltsentwicklung entschieden – und für eine Orientierung an der Gehaltsgruppe 6 höherer Beamte und Richter. Sie folgen damit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Die 622 Parlamentarier können danach 2010 mit einem Zubrot rechnen. Jedoch ist auch richtig: Der Bundestag muss innerhalb eines halben Jahres neu entscheiden, wie er in der Wahlperiode mit den Diäten umgeht. Und da könnte die Entwicklung in Ländern wie Bayern und Baden-Württemberg öffentlichen Druck erzeugen, auch den Bundestagsabgeordneten die Gehälter zu kürzen.

Gefeit davor ist erstmal das NRW-Landesparlament. Die 187 Abgeordneten können sich auf eine Steigerung ihrer Monatsbezüge von 9756 auf 9979 Euro zum 1. Januar 2010 freuen. Allerdings hätten sich die Politiker ihre Diäten bereits zum 1. Juli dieses Jahres um 2,28 Prozent erhöhen können. Wegen der Finanzkrise hatten sie aber den Aufschlag von 223 Euro pro Monat um ein halbes Jahr verschoben.

Lob vom Bund der Steuerzahler

Der Bund der Steuerzahler lobte sie dafür – und für ihr System: Jeweils im Mai übermittelt das Landesamt für Statistik die entscheidende Prozentzahl – bisher mit einem Plus, nicht mit einem Minus versehen. Denn der Zahlenmix, der dabei berücksichtigt wird, ist anders als zum Beispiel im Süden. Renten, allgemeine Löhne, Beamtenbezüge und Leistungen für Hartz IV-Empfänger werden mit einbezogen und auch die allgemeine Preisentwicklung. Nur 50 Prozent errechnen sich aus der allgemeinen Einkommensentwicklung.

Ihre Bezüge selbst zu kürzen, steht ihnen allerdings jederzeit frei. Frühestens jetzt ab Mitte 2010.