Mainz. Der Ärztetag in Mainz nimmt seinen Beschluss zur Kostenerstattung zurück. Damit sind die Ärzte in einem großen Konflikt im Gesundheitswesen zurückgerudert. Geplant war, dass auch gesetzlich Versicherte den Arztbesuch zunächst aus eigener Tasche bezahlen.

Die deutschen Ärzte haben im Konflikt um die künftige Gestaltung des Gesundheitssystems ein Stück weit den Rückzug angetreten. Auf dem Ärztetag in Mainz hoben die Delegierten nach den massiven Protesten der vergangenen Tage am Donnerstag einen Beschluss auf, in dem sie die generelle Einführung des Kostenerstattungsprinzips forderten. Eine Umsetzung hätte bedeutet, dass auch gesetzlich Versicherte den Arztbesuch zunächst aus der eigenen Tasche bezahlen und die Kosten anschließend mit ihrer Krankenkasse abrechnen müssten.

«Der Ärztetag hat noch einmal darüber nachgedacht», sagte Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe. Es sei durchaus sinnvoll, das Thema nochmals zu durchdenken. Es gebe viele Menschen, die aufgrund von Armut oder Behinderung ohnehin in schwierigen Verhältnissen lebten. Denen könne man es nicht zumuten, beim Arzt in Vorleistung zu treten. Der Ärztetag hob daher den am Dienstag gefassten Beschluss wieder auf und überwies das Thema an den Vorstand der Bundesärztekammer. Diese soll nun entscheiden, ob das Thema auf dem Ärztetag im kommenden Jahr erneut aufgerufen wird.

Nicht nur gute Erfahrungen in Frankreich

«Kostenerstattung ist nicht das Allheilmittel», sagte Hoppe. Erfahrungen mit dem Erstattungsprinzip in Frankreich hätten gezeigt, dass nicht alles gut funktioniere. Das Angebot einer deutschen Krankenkasse, freiwillig die Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, werde zudem kaum genutzt. Die Patienten in Deutschland seien es seit Jahrzehnten gewohnt, dass ärztliche Leistungen direkt mit der Krankenkasse abgerechnet würden. Eine Umstellung auf Kostenerstattung würde «von der Bevölkerung als kleine Revolution angesehen».

Nicht angetastet wurde dagegen der ebenfalls vom Ärztetag gefasste Beschluss, im deutschen Gesundheitswesen «eine stärkere finanzielle Eigenbeteiligung» der Patienten einzuführen. Die Mediziner beklagen eine Unterfinanzierung des Systems und eine spürbare Verschlechterung der Versorgung in den vergangenen Jahren.

Ärztepräsident Hoppe hatte sich für eine «Priorisierung» ärztlicher Leistungen ausgesprochen. Danach sollen die gesetzlichen Kassen nur noch die Bekämpfung ernster Krankheiten bezahlen, sofern die Politik nicht deutlich mehr Geld ins Gesundheitswesen leitet. Die Beschlüsse des Ärztetages und Hoppes Äußerungen lösten in den vergangenen Tagen einen Sturm der Entrüstung aus. (ap)