Berlin. Nach der Wirtschaftskrise rechnet Frank-Walter Steinmeier mit einem drastischen Anstieg des Ölpreises. Der Vizekanzler wirbt für einen ökologischen Umbau und erneuerbare Energien. Derweil befindet sich der Ölpreis im Computerhandel unter anderem wegen spekulativer Käufe im Sinkflug.
Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier erwartet nach der Krise einen dramatischen Anstieg der Ölpreise. Nötig sei deshalb ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz, sagte der SPD-Kanzlerkandidat am Montag in Berlin. Er beschwor die globalen Chancen der deutschen Wirtschaft, wenn die Politik jetzt die Weichen richtig stelle.
Seine Erwartung eines neuerlichen Ölpreisanstiegs begründete Steinmeier damit, dass viele Förderländer ihre Aktivitäten zur Erforschung und Erschließung neuer Quellen zurückgefahren hätten. Es dauere lange, im Falle eines Aufschwungs wieder an frühere Mengen heranzukommen. Deshalb sei dann ein überproportionaler Anstieg des Ölpreises zu erwarten.
«Ausrüster der Welt»
«Es gibt keine Alternative: Alle Kräfte müssen in erneuerbare Energien», sagte Steinmeier. «Aber nicht nur das, sie müssen auch in Effizienztechnologien. Und nur dann können wir uns von dem Trend, wie ich ihn eben beschrieben habe, ein kleines Stück abkoppeln.»
Kaum ein anderes Land habe so gute Chancen wie Deutschland, von einer Effizienzrevolution und einem «Grünen Aufschwung» zu profitieren. «Ich will, dass wir zum Ausrüster der Welt für neue Produkte werden», sagte Steinmeier. «Das ist die Arbeit von morgen.» Er betonte, dass das internationale Klimaabkommen, das im Dezember in Kopenhagen abgeschlossen werden soll, Deutschland helfen würde, grüne Produkte in der Welt abzusetzen. Jetzt komme es darauf an, die richtige Richtung einzuschlagen, fügte Steinmeier an: «Wir brauchen grünes Wachstum. Aber es kommt nicht von alleine. Wir müssen es pushen, gemeinsam mit den Unternehmen.»
Chance nach Umbruch
Steinmeier sprach auf der Konferenz «Green Recovery». Zu diesem Thema hatte er zusammen mit Umweltminister Sigmar Gabriel ein Strategiepapier entworfen. Darin heißt es, nötig sei eine Strategie für langfristiges kohlenstoffarmes, ressourceneffizientes und faires Wirtschaftswachstum. «Eine wirtschaftliche Umbruchsituation eröffnet die Chance für eine nachhaltige Neuordnung», heißt es in dem Papier.
Auch Gabriel verwies darauf, dass Umwelttechnologie derzeit ein «Stabilitätsanker der deutschen Wirtschaft und der Schlüssel für einen neuen Wirtschaftsaufschwung» sei. Die von ihm 2005 gestartete «ökologische Industriepolitik» ziele nicht nur auf den Aufbau und die Stärkung neuer, zukunftsträchtiger Wirtschaftszweige, sondern auf die Modernisierung der gesamten Wirtschaft.
Schröder verteidigt Atomausstieg
Auf der Konferenz erinnerte der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder daran, dass es vor zehn Jahren die rot-grüne Regierung gewesen sei, die die Energiewende mit dem Erneuerbare Energien Gesetz eingeleitet habe. Auch der Atomausstieg, den er ausdrücklich seinem damaligen Kanzleramtschef Steinmeier zuschrieb, sei richtig gewesen.
Schröder lobte das Krisenmanagement der jetzigen Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel. «Ich stehe nicht an zu sagen, dass die gegenwärtige Regierung das alles in allem achtbar gelöst hat», sagte er. Er bezog dies vor allem auf die Rettung des Finanzsektors.
Ölpreis aktuell im Sinkflug
Der Ölpreis ist derweil deutlich gefallen: Am Montag kostete ein Barrel (159 Liter) Rohöl im Computerhandel 68,33 Dollar. Das sind fast 5 Dollar weniger als der vor einigen Tagen erreichte Jahreshöchststand von 73,23 Dollar. Allein am vergangenen Freitag fiel der Preis um fast 2 Dollar, am Montag nochmal um über einen Dollar. Ölhändler erklärten den Rückgang unter anderem damit, dass der Preis trotz voller Lagertanks zuletzt stark gestiegen war, auch wegen spekulativer Käufe. Jetzt rückt die schwache Wirtschaftslage wieder mehr in den Blickpunkt.
Erst vergangenen Woche hatte der Energiekonzern BP die Einschätzung abgegeben, dass der jüngste Anstieg des Ölpreises auf mehr als 70 Dollar keinen Bestand haben werde. «Schon im kommenden Jahr könnte der Ölpreis wieder gewaltig unter Druck geraten, sagte BP-Chefökonom Christof Rühl vergangene Woche der Zeitung «Die Welt». Der Ölpreis war nach seinem Rekordhoch im Sommer vergangenen Jahres von über 140 Dollar pro Fass bis Jahresbeginn 2009 auf nur noch etwa 34 Dollar eingebrochen. In den vergangenen drei Monaten verdoppelte sich der Preis jedoch wieder auf rund 70 Dollar.