Münster. Mitglieder des U-Ausschusses zur Flutkatastrophe 2021 fühlten sich schlecht informiert. Zu Recht, stellt das Verfassungsgericht fest.

Das von Ina Scharrenbach (CDU) geführte Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitales hat im sogenannten Aktenstreit gegen die Landesverfassung verstoßen. Das hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen am Dienstag entschieden. Drei Abgeordnete der SPD-Opposition hatten in Münster geklagt, weil sie sich bei der Arbeit im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II (PUA) zur Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 schlecht informiert fühlten.

Scharrenbach in der Kritik: Nur zehn Seiten Informationen zu einer historischen Katastrophe

Das Ministerium hatte nur zehn Aktenseiten zur Verfügung gestellt, die sich ausschließlich auf die drei Tage während des Starkregens mit 49 Toten und 13 Milliarden Euro Schäden bezogen hatten. Die Parlamentarier hatten auch Akten mit Informationen zu dem Zeitraum danach bis September erwartet. Weil die nicht geliefert wurden, fühlten sie sich in ihrer Kontrollfunktion eingeschränkt.

Zu Recht, wie die Verfassungsrichter jetzt klargestellt haben. Der Ausschuss habe den Auftrag gehabt, mögliches Fehlverhalten während der Hochwasserkatastrophe zu untersuchen. Das Ministerium sei dem Anspruch der Aktenvorlagen für das Recht der Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses nicht nachgekommen, urteilte der Verfassungsgerichtshof.

Gericht rügt komplette Fehleinschätzung der Ministerin zum Untersuchungsauftrag des Ausschusses

Nach Einschätzung des Gerichts lag die Ministerin mit ihrer Meinung, der U-Ausschuss könne nur die wenigen Tage des eigentlichen Flutgeschehens beleuchten, absolut daneben. In der Urteilsbegründung steht: „Bei der Auslegung des Beweisbeschlusses ergibt sich, dass der Untersuchungsauftrag zeitlich nicht auf den Zeitraum bis zum Abfließen der Wassermassen beschränkt ist, sondern die Zeit vom 9. Juli bis zum 9. September 2021 erfasst.“ Dieser Zeitraum sei durch den Landtag im Einsetzungsbeschluss sogar explizit festgehalten worden. „Insbesondere spricht der historische Kontext gegen die von der Antragsgegnerin vorgenommene zeitliche Einschränkung“, heißt es dort weiter.

In der Einleitung der Urteilsbegründung steht, dass Ministerin Scharrenbach den Beweisbeschluss des U-Ausschusses „ nur unzureichend erfüllt“ und dadurch die Rechte der Ausschussminderheit verletzt habe

SPD zum Urteil: „Der Arrgoganz der Macht wurden heute eindeutige Grenzen gesetzt“

„Heute ist ein guter Tag für die parlamentarische Demokratie. Mit seiner Entscheidung hat das Landesverfassungsgericht die Rechte der Abgeordneten gestärkt und der Regierungswillkür von Frau Scharrenbach klaren Einhalt geboten. Der Arroganz der Macht wurden heute eindeutige Grenzen gesetzt“, sagte am Mittag René Schneider, Sprecher der SPD im U-Ausschuss zur Hochwasserkatastrophe in einer ersten Reaktion auf das Urteil.

„Die Gewaltenkontrolle ist ein hohes Gut unserer Demokratie. Es kann auch durch die Interpretation und Wortakrobatik einer Ministerin nicht ausgehebelt werden. Diese unmissverständliche Botschaft hat Signalwirkung für die Arbeit laufender und künftiger Untersuchungsausschüsse in und außerhalb von NRW“, sagte er weiter. Scharrenbach müsse nach diesem „Verfassungsbruch“ auf das „Feld des demokratischen Fairplays“ zurückkehren. Sie habe lange genug Foul gespielt und das Parlament missachtet. Sie müsse nun dem U-Ausschuss schnell die fehlenden Akten übermitteln.

FDP-Landeschef Höne: „Scharrenbach ist verfassungsrechtlich angezählt“

FDP-Landesparteichef Henning Höne sagte dieser Redaktion: „Ministerin Scharrenbach ist jetzt verfassungsrechtlich angezählt. Sie muss ihr Verhalten gegenüber dem Parlament grundlegend ändern.“

„Das ist ein schwarzer Tag für die Ministerin und ein Sieg für die Rechtsstaatlichkeit“, erklärte Hönes Partreikollege Werner Pfeil, rechtspolitischer Sprecher der Liberalen im Landtag, kurz nach dem Urteil. „Mit ihrer Aktenblockade ist Ministerin Ina Scharrenbach vor dem Verfassungsgerichtshof spektakulär gescheitert. Scharrenbach hat verfassungswidrig gehandelt, indem sie eine eigene Auslegung des Einsetzungsbeschlusses vorgenommen hat.“

Die Ministerin habe damit die Aufklärung behindert und den Abschlussbericht verzögert, sagte der FDP-Politiker weiter. „Aufgabe des Untersuchungsausschusses war und ist es, Fehler von Regierungsverhalten festzustellen, das zu zahlreichen Toten in NRW geführt hat.“ (mit dpa)

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