Berlin. Wahlkampf-Experte Julius van de Laar erklärt das Erfolgsrezept von Donald Trump – dabei sieht er eine Parallele zu Barack Obama.
Julius van de Laar ist Kampagnen-Berater und US-Experte. 2008 und 2012 arbeitete er in den USA an den Obama-Kampagnen mit. Für unsere Redaktion analysiert er jede Woche den Wahlkampf in den USA.
Herr van de Laar, was war für Sie in den vergangenen Tagen der wichtigste Moment in den USA?
Julius van de Laar: Zum einen drehen sich die Umfragen zumindest leicht. Die Öffentlichkeit weiß mittlerweile, wer die beiden Kandidaten sind. Die Leute beschäftigen sich mehr und mehr mit diesem Wahlkampf. Das ist eine gute Nachricht für Joe Biden. Zum anderen sieht man, dass Geld auch in diesem Wahlkampf eine sehr große Rolle spielt: Trump ist in der Lage, seine Kaution zu bezahlen und die Biden-Kampagne ist extrem effektiv, was das Geldeinsammeln betrifft. Auch wenn die neuen Daten für das erste Quartal 2024 erst in ein paar Tagen vorliegen – allein an dem einen Abend, an dem Biden mit Barack Obama und Bill Clinton am Broadway aufgetreten ist, hat er 26 Millionen Dollar eingenommen. Das ist etwa so viel, wie SPD oder CDU im kompletten Bundestagswahlkampf ausgeben. Klar ist auch: Wenn man so einen fantastischen Abend hat, gibt man diese Zahlen gern an die Presse.
Wie sieht es auf der Gegenseite bei Trump aus?
Mäßig. Wie viel haben Trump und die Republikanische Partei derzeit zur Verfügung? Zusammen sind es Stand Februar 2024 ca. 45 Millionen Dollar. Bei Joe Biden und den Demokraten waren es rund 100 Millionen Dollar. Das liegt aber auch daran, dass Trump sehr viel Geld ausgegeben hat, unter anderem für seine Gerichtsprozesse. Die Republikaner stecken voll im Vorwahlkampf. Wenn Trump nach Iowa fliegt und dort an mehreren Tagen Veranstaltungen abhält, kostet ihn das pro Tag 500.000 Dollar. Die Biden-Kampagne kann sich das derzeit sparen und ist finanziell deshalb aktuell vorn.
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Trump hat erneut von einem Blutbad gesprochen, dieses Mal im Zusammenhang mit Bidens Migrationspolitik. Was bezweckt er damit, so häufig dieses Wort zu verwenden?
Er sieht, wie viel mediale Aufmerksamkeit sein Auftritt in Ohio erzeugt hat und dass so etwas seine Anhänger noch stärker mit ihm zusammenschweißt. Bei Trump muss man verstehen: Es gibt einen Sockel an Wählerschaft, der relativ hoch ausfällt. Sein Wählerpotential hat aber auch einen Deckel, der begrenzt, wie viele Wählerinnen und Wähler er überhaupt erreichen kann. Die Wahlbeteiligung in den USA fällt traditionell gering aus. Wenn Trump es schafft, jeden potenziellen republikanischen Wähler zur Urne zu bewegen – auch diejenigen, die in den vergangenen Jahren nicht wählen gegangen sind – und sein Kreuz für den 77-Jährigen zu setzen, hat Trump eine echte Chance, die Wahl erneut zu gewinnen.
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Was braucht es dafür noch?
Das erfordert, dass die Wähler stark mobilisiert und motiviert sind. Die Politikforschung zeigt, dass extreme Sprache dabei helfen kann, die Basis zu mobilisieren. Deswegen greift Trump auf solche Bilder zurück. Natürlich weiß er, dass er damit auch moderate Wähler vergrätzt. Die Umfragen sind ziemlich deutlich: 2019 hat das Harris Institute gefragt, wie extreme Rhetorik bei den Leuten ankommt. 64 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner sagten, sie hielten das nicht für angemessen. 2022 waren es nur noch 49 Prozent. Der Trend zeigt: Wir erleben eine Verrohung des politischen Diskurses – und das ist Teil der Strategie Donald Trumps. Sein Kalkül lautet: Weil es bei dieser Wahl für unser Land um alles geht, muss ich zu solchen Worten greifen. Das ist sein Verständnis.
Was denken Sie über das kürzlich von Trump geteilte Video? Es zeigte einen Truck, auf dem das Bild eines gefesselten und geknebelten Joe Biden aufgedruckt war?
Ich finde so etwas entsetzlich und wünschte, dass Inhalte und Ideen in der politischen Kommunikation im Vordergrund stünden. Letztlich geht es bei so was darum, den politischen Gegner zu entmenschlichen. Man sieht Ähnliches immer wieder bei Trump. Eine solche Rhetorik soll rechtfertigen, dass man zu extremen Mitteln greift. Die Herangehensweise der Trump-Kampagne ist: Wir brauchen euch alle, jeden Einzelnen, weil es um das Fortbestehen unserer Republik geht – das geht einher mit der Blutbad-Bemerkung. Es zeigt auch, wie sehr einige Trump-Unterstützer radikalisiert sind.
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
Bei der Obama-Kampagne von 2008 ging es auch um den Appell, das Land zu verändern...
Richtig. In der Kampagne geht es immer um Kontrast. Kampagnen sind generell immer die Axt, nie das Skalpell. 2008 steckte das Land in der größten Finanzkrise seit der Großen Depression. Dazu kam der Krieg im Irak, und Afghanistan – jeden Tag starben Soldaten. George W. Bush und die Republikaner waren für acht Jahre katastrophaler Politik verantwortlich. Obama konnte sich als absolute Kehrtwende inszenieren. Ein wichtiger Gedanke dazu: Obamas „hope and change“ ist eigentlich genau das, wofür auch Trump steht. Seine Botschaft „Make America great again“ ist für die Hälfte des Landes das Versprechen von Hoffnung und Wandel.
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Wie sehr hilft es Joe Biden, dass Obama sich jetzt mit ihm gezeigt hat?
Das hilft ihm sehr. Obama ist nach wie vor der beliebteste Politiker der Demokraten. 66 Prozent der Demokraten sagen, sie wünschen sich keine zweite Amtszeit von Joe Biden. Wenn nun der Über-Demokrat kommt, seine schützende Hand auf Joe Biden legt und sagt: Das ist genau der Richtige für diesen Moment – dann ergibt sich für Biden ein Halo-Effekt, er profitiert von Obamas Strahlkraft. Dann kommen vielleicht auch diejenigen „nach Hause“, die jetzt noch unsicher sind. Natürlich hilft es auch, einen Abend mit Obama zu veranstalten und 26 Millionen Dollar einzunehmen. Aber: Wenn der vergleichsweise immer noch relativ junge Obama (62 Jahre alt; Anm.d.Red.) dynamisch und mit seinem „swag“ lässig die Treppen hochläuft, wirkt der 81-jährige Biden gleich noch mal 15 Jahre älter – und das ist ein Problem.
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