Düsseldorf. Immer mehr Menschen verunglücken bei Drogen-Unfällen Das Land NRW warnt: Die Cannabis-Legalisierung könnte furchtbare Folgen haben.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat die Cannabis-Legalisierungspläne des Bundes mit Blick auf die Verkehrssicherheit scharf kritisiert: „Ich bin kein Prophet. Aber die Legalisierung wird zu mehr Unfalltoten führen“, sagte Reul am Montag bei der Vorstellung der Verkehrsunfallstatistik für 2023. Der Cannabis-Inhaltsstoff THC schränke die Fahrtüchtigkeit stark ein. „Die Straße darf kein Coffee-Shop werden, wo man seinen Rausch auslebt“, so der Minister weiter.
Die Zahl der Verunglückten bei Unfällen unter dem Einfluss von Drogen stieg zuletzt in NRW von 951 auf 1170. Im Vergleich zu 2020 und 2021 hat sich die Zahl dieser Verunglückten fast verdoppelt. Im Zusammenhang mit Drogenkonsum starben im vergangenen Jahr zehn Verkehrsteilnehmer, im Vorjahr waren es fünf.
Cannabis-Gefahr im Straßenverkehr: „Das scheint in der Berliner Politik keinen zu interessieren“, warnt Reul
Reul warf der Bundesregierung vor, mehr Verkehrstote durch Drogenkonsum in Kauf zu nehmen: „Das scheint in der Berliner Politik keinen zu interessieren.“ Für die Polizei bedeute die Cannabis-Legalisierung einen „wahnsinnigen Kontrollaufwand“.
Insgesamt gab es im Jahr 2023 rund 640.000 Verkehrsunfälle auf nordrhein-westfälischen Straßen. Das ist eine Zunahme um 4,5 Prozent zum Vorjahr. Die Polizei registrierte aber einen Rückgang von zwölf Prozent bei den Schwerverletzten. 450 Menschen haben 2023 in NRW im Straßenverkehr ihr Leben gelassen (Vorjahr: 452). 101 davon waren Fußgänger(Vorjahr: 65).
Die Lage: Eine Trendwende ist nicht in Sicht in NRW
„Die Entwicklung bei den Unfällen ist alles andere als eine Trendwende“, sagte die Leiterin des Verkehrsreferates im Innenministerium, Maria del Carmen Fernandez Mendez. Von der „Vision Zero“, also vom Fernziel, die Zahl der Verkehrstoten auf null zu senken, sei man noch weit entfernt. Auch das selbst gesteckte Ziel in NRW, die Zahl der Verkehrstoten bis 2030 um 30 Prozent zu verringern, sei in Gefahr. „Wir sind da nicht im Zielkorridor“, warnte Fernandez Mendez.
Illegale Rennen: Das Problem wird trotz harter Strafen immer größer
Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei 2.144 verbotene Kfz-Rennen in NRW und damit so viele wie noch nie. 526 davon endeten mit einem Verkehrsunfall. Das ist laut dem Innenministerium die höchste Zahl seit der Einführung des Straftatbestands. Seitdem die verbotenen Kfz-Rennen erfasst würden, steige die Zahl von Jahr zu Jahr, obwohl es Präventionsarbeit in Schulen und härtere Strafen für Raser gebe. Im vergangenen Jahr wurden drei Menschen in NRW bei illegalen Rennen getötet. „Die harten Strafen haben sich leider nicht auf das Verhalten ausgewirkt“, resümiert Fernandez Mendez.
Herbert Reul versprach, den Kontrolldruck auf Raser hochzuhalten: „Die ziehen wir raus.“ Fahrzeug- und Navi-Daten würden ausgelesen, Führerscheine und Fahrzeuge nach illegalen Rennen umgehend eingezogen.
Fußgänger leben gefährlich in NRW
101 der 450 im Straßenverkehr Getöteten waren Fußgänger (im Vorjahr: 65), jedes zweite Opfer war im Seniorenalter. In etwa der Hälfte dieser Todesfälle hätten die Opfer den Unfall selbst verursacht, so Reul. Zum Beispiel, weil sie bei Rot über die Ampel gegangen oder angetrunken gewesen seien. Helle, gut sichtbare Bekleidung könne Leben retten, sagte der Minister. In Ländern in denen bei Dunkelheit Reflektoren getragen werden müssten, zum Beispiel in Finnland und in Tschechien, sei die Zahl der Unfälle mit Fußgängern stark gesunken. Herbert Reul möchte aber keine Pflicht zum Tragen von Reflektoren.
Roman Suthold, verkehrspolitischer Sprecher des ADAC in NRW, sagte: „Die Unfallstatistik des Landes NRW zeigt, dass die schwächsten Verkehrsteilnehmer, nämlich die Fußgänger, stärker geschützt werden müssen. Städte und Kommunen sollten hierzu ein zusammenhängendes Fußwegenetz entwickeln und die Anzahl der Querungsanlagen prüfen. Zu große Umwege verführen dazu, die Straße an unsicheren Stellen zu queren. Hindernisse an Kreuzungen müssen konsequent beseitig werden, um gute Sichtbeziehungen zwischen Fußgängern und Kraftfahrzeugen sicherzustellen.
Sprunghafter Anstieg bei den Unfällen mit E-Scootern
E-Scooter gehörten weiter zu den „Sorgenkindern im Straßenverkehr“, so Reul. Zwischen 2021 und 2023 hätten sich die offiziell registrierten Unfälle mehr als verdoppelt auf zuletzt 2115. Vier E-Scooter-Fahrer starben im vergangenen Jahr in NRW. Diese Roller seien keine Spielgeräte, sagte der Minister. Wer sie alkoholisiert fahre, der riskiere den Führerschein.
Radfahrer: Weniger Unfälle, auch unter den Pedelec- und E-Bike-Fahrern
Im vergangenen Jahr starben in NRW 36 Radfahrer bei Unfällen – 16 weniger als im Jahr 2022. Die Zahl der tödlichen Unfälle bei den Pedelc-Fahrern sank um 18 Prozent auf 40. Reul nannte hier aber einen „Wermutstropfen“: Unter den getöteten Radfahrern seien besonders viele Seniorinnen und Senioren. Radunfälle seien überwiegend „selbst verschuldet“ gewesen, bei den Pedelecs war oft ein zu hohes Tempo die Unfallursache. Reul appellierte an die Elektro-Radfahrer, Trainingsangebote zu nutzen. „Riskieren Sie nicht, sich den wohlverdienten Lebensabend durch einen Unfall zu zerstören“, so Reul.
Motorradunfälle: Weniger Tote, weniger Verletzte im vergangenen Jahr
Bei den Verkehrsunfällen mit Verletzten sinken die Zahlen im vierten Jahr in Folge. 2019 waren es 3.659 Unfälle. 2023 wurden nur 2.821 aufgenommen. 57 Menschen sind im Jahr 2023 bei einem Unfall mit dem Motorrad ums Leben gekommen, im Jahr davor waren es 62. Experten raten zu einem behutsamen Start in die Motorradsaison.
Unfallflucht: Besonders nach Todesfällen sucht die Polizei die Täter mit großem Aufwand
„Unfallflucht ist keine Kleinigkeit, sondern eine Straftat“, betonte Reul. In Fällen von Unfallflucht kamen im Jahr 2023 insgesamt 15 Menschen ums Leben. 13 Todesfälle habe die Polizei aufklären können. Die Tatorte würden von der Polizei akribisch nach Spuren abgesucht.
Es kann jeden treffen: Der Schmerz der Hinterbliebenen
Erstmals zeigte die Landesregierung vor der Unfallstatistik Videos von Bürgerinnen und Bürgern, die bei Verkehrsunfällen einen geliebten Menschen verloren haben. „An ihrem 14. Geburtstag musste ich meine Tochter beerdigen“, sagte zum Beispiel eine Mutter. „Der Täter bekam drei Jahre und zehn Monate Haft. Ich habe lebenslänglich“, berichtet eine Frau, deren 18-jährige Tochter von einem Raser zu Tode gefahren wurde. „Das, was diesen Menschen widerfahren ist, kann jedem von uns passieren“, sagte Herbert Reul