Düsseldorf. Präsident Putin fordert, der Westen soll russisches Gas nur noch in Rubel zahlen. Technisch kein Problem, meint ein Forscher: Aber politisch.

Im Krieg in der Ukraine ist auch Deutschland Ziel einer weiteren Drohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die russischen Gas-Lieferungen sollen künftig in Rubel bezahlt werden, nicht mehr in Dollar oder Euro. Der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Jens Südekum wertet dies als eine weitere Eskalation des Wirtschaftskriegs zwischen dem Westen und Russland. Auch für Russland aber sei dieser Schritt nicht ungefährlich, meint Südekum.

„Das ist eine Machtprobe von Putin“, sagt Südekum, Professor an der Heinrich-Heine Universität (HHU) in Düsseldorf und seit 2020 Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums. Technisch gesehen würde es nur um eine Umstellung von Zahlungsabläufen gehen, die für westliche Banken handhabbar wäre. Doch politisch sei Putins Forderung nach Rubel brisant, meint Südekum.

Russisches Gas nur noch für Rubel? Forscher: Westen soll „hart bleiben“

„Bundeskanzler Olaf Scholz hat erst am Mittwoch im Bundestag deutlich gemacht, dass wir auf russisches Gas noch länger angewiesen sind.“ Putin habe dann - „nicht zufällig“, glaubt Südekum - ebenfalls am Mittwoch, seine Anweisung an die russische Regierung bekannt gemacht, von Russland gegenüber „unfreundlichen Staaten“ keine Zahlungen in Dollar oder Euro mehr für die Gaslieferungen zu akzeptieren.

„Es spricht viel dafür, hart zu bleiben“, meint Südekum. Das Verlangen nach Rubeln sei „eindeutig ein Vertragsbruch“, sagt der Wirtschaftsprofessor am Institute for Competition Economics der HHU. Die betroffenen Staaten - neben Deutschland alle weiteren EU-Staaten, Großbritannien aber auch die USA - sollten „nicht vor Putin einknicken“ und an Zahlung in den vertraglich vereinbarten Währungen festhalten.

Stopp der Gaslieferung hätte auch für Russland Folgen

Eine Woche habe die russische Zentralbank Zeit, die Umstellung von Devisen- und Rubelzahlungen festzulegen, verkündete Putin am Mittwoch. Ziel ist es, den Wechselkurs des Rubels zu stärken, der wegen der Wirtschaftssanktionen des Westens in Folge des russischen Einmarsches in der Ukraine erheblich gelitten hat.

Putin soll versichert haben, dass Russland weiterhin Gas liefern wolle. Würde Russland seine Gaslieferungen einschränken oder gar stoppen, würde das jedoch auch für Russland ökonomisch schwerwiegende Folgen haben, glaubt Südekum. Putin bliebe auf seinem Gas schlicht sitzen, „weil man Deutschland und die westlichen Gas-Kunden nicht einfach kurzfristig durch andere ersetzen kann, wie etwa China“, sagt Südekum. Eine Gas-Pipeline ins bevölkerungsreichste Land der Welt etwa gibt es bis dato nicht, sagt Südekum.

Wirtschaftswissenschaftler: „Putin testet uns“

„Putin testet uns“, glaubt Südekum. Käme es jedoch zum Gas-Stopp aus Russland, wären die Folgen bei uns deutlich: „Ich erwarte keine Massenarbeitslosigkeit bei uns“, meint Südekum. Aber die Industrie würde massiv getroffen und müssten ihre Produktion runterfahren. „Und wir alle müssten uns einschränken beim Energieverbrauch“, sagt der Wirtschaftsprofessor.

„Wir können von Glück reden, dass die Heizperiode bei uns jetzt zu Ende geht“, sagt Südekum. Doch bis zum nächsten Winter bleiben nur wenige Monate, die genutzt werden müssten, um Gasspeicher so gut es geht zu füllen - und Energie zu sparen: Autofreie Sonntage und ein Tempolimit auf Autobahnen wären dann kein Tabu mehr, glaubt Südekum.

Doch auch für die Bevölkerung in Russland stehe einiges auf dem Spiel, meint er: „Wenn in Russland die Devisen aus den Gaslieferungen in den Westen ausbleiben, hat das massive Auswirkungen auf den Lebensstandard dort“, sagt Südekum. Westliche Importe verschwänden vollständig aus den Regalen, die Bevölkerung gerade in den Metropolen wie Moskau oder Sankt Petersburg „wird leiden“, glaubt der Professor. Sein Fazit: „Putin ist dabei, den Lebensstandard in Russland komplett zu ruinieren.“

>>> Hintergrund: Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung von diesem Donnerstag kommen 36 Prozent des in der EU verbrauchten Erdgases aus Russland; in Deutschland liege der Anteil bei 55 Prozent. Allerdings sei daran auch zu erkennen, dass Russland abhängig sei von der EU bzw. von Deutschland, sagt der Ökonom Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts: 71 Prozent russischen Gases fließen nach Europa. Wenn diese Lieferungen wegbrächen, „hat Russland ein Problem“, meint Fuest.

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