Bei allem Druck auf das Regime sollte die Politik auch das russische Volk im Blick behalten. Die Menschen dort könnten Putin stürzen.
Der militärische Kampf um die Ukraine wird immer härter – und die Welt fragt sich besorgt: Wie kann dieser Krieg beendet werden? Welche Szenarien für eine Lösung ohne Waffen gibt es überhaupt?
Die Antworten, die man auf diese Fragen geben kann, sind ernüchternd. Die ukrainische Staatsführung wird vom Volk erkennbar breit unterstützt und nicht aufhören, das Land zu verteidigen. Mit den Worten „Ich brauche keine Mitfahrgelegenheit, ich brauche Munition“ hat der Präsident Wolodymir Selenskyi ein amerikanisches Angebot zur Flucht ins Exil vom Tisch gefegt.
Die Ukraine ist im Recht – und solange Selenskyj noch handeln kann und sichtbar bleibt, wird der Widerstand weitergehen und mit internationaler Hilfe lange andauern.
Aber auch Russlands Präsident, der nur noch in Macht-Kategorien denkt, wird niemals zurückziehen und als Verlierer vom Kampfplatz gehen. Das wäre nicht nur militärisch, sondern auch politisch sein Ende. Daher wird Wladimir Putin den Druck mit Waffen zwangsläufig erhöhen, noch mehr Opfer produzieren und die Gefahr eines sich ausweitenden internationalen Konflikts erhöhen.
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Russische Zivilgesellschaft muss unterstützt werden
Der Schlüssel zum Ende des Krieges liegt in ganz anderen Händen. Er liegt beim russischen Volk, ohne das Putin eine lange, verlustreiche Schlacht nicht führen kann. Bei aller neuen Euphorie für Waffenlieferungen an die Ukraine – die deutsche Politik darf parallel die Unterstützung und Information der russischen Zivilgesellschaft nicht aus den Augen verlieren. Sie muss gesehen und unterstützt werden. Dort gibt es Signale, die Hoffnung machen.
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Trotz strengstem Verbot wagen sich immer mehr junge Russen zu Demonstrationszügen in die Öffentlichkeit. Wissenschaftler wie der Leiter der russischen Weltklimarat-Delegation, Oleg Anissimow, entschuldigen sich öffentlich für den russischen Überfall und riskieren damit mindestens ihre Karriere. Russische Eishockey- und Fußballstars im Ausland distanzieren sich von Wladimir Putin.
Sie alle brauchen große Foren und Unterstützung, um noch stärker wirken zu können. Daher ist es auch so wichtig, die harten Sanktionsmaßnahmen zu erklären, denn sie treffen nicht nur eine reiche Kaste, sondern ganz besonders das Volk. Russinnen und Russen müssen Zugang zu verlässlichen Informationen erhalten, um zu wissen, warum ihr Geldautomat keine Rubel mehr ausgibt.
Aus einzelnen Demonstrationen kann eine Bewegung werden
Nur mit kluger Unterstützung einer friedlichen Opposition kann aus einzelnen Demonstrationen eine Bewegung werden, die am Ende vielleicht stärker ist als alle Repressionsmittel des Kreml.
Wladimir Putin hat vor 32 Jahren erlebt, wie eine friedliche Revolution in der DDR die regierende Kaste entmachtet hat. Natürlich sind Putin und Lawrow von anderem Kaliber als Honecker und Krenz. Aber welche Kraft ein enttäuschtes und ungeduldiges russisches Volk entwickeln kann, hat in der jüngeren Geschichte der gescheiterte Putsch im August 1991 gezeigt.
Massen gingen damals in Moskau und Leningrad auf die Straßen, sicherten so Gorbatschows Reformen und brachten Boris Jelzin an die Macht. Die Wut der eigenen Leute ist das, was Putin am meisten fürchten muss. Nur so ist seine Desinformationskampagne zu erklären, mit der er 115 Millionen Russinnen und Russen vorgaukelt, man müsse einen Aggressor per Friedensmission „entnazifizieren“. Diese Lügen verfangen im Westen nicht, das weiß Putin genau. Sie sind nach innen gerichtet und sollen das Volk bei der Stange halten.
Werden diese Lügen von einer Mehrheit entlarvt, ist Russlands Präsident seinem politischen Ende einen großen Schritt näher gerückt.
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