Essen. Das Scheitern der Corona-Teststrategie ist eine Kapitulation auf der ganzen Linie. Dass PCR-Tests fehlen, ist nicht der schlimmste Mangel.

Man kann Yvonne Gebauer nicht für alles verantwortlich machen. Dafür, dass die PCR-Testkapazitäten im Angesicht der Omikron-Wand nicht ausreichen und das bisherige Lolli-Test-System an den NRW-Schulen deshalb in sich zusammenfällt, kann die Schulministerin nichts. Sehr wohl kann sie aber etwas für die wiederholt chaotisch anmutende Kommunikation – oder für das, was man „Kommunikation“ nennen möchte.

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Nach fast zwei Jahren Pandemie lässt sich an der FDP-Politikerin festmachen, was unser Grundproblem in Deutschland zu sein scheint: Während die Inzidenzen nach oben explodieren, bleibt die Lernkurve erstaunlich flach. Wir fahren nur auf Sicht und planen nicht vorausschauend. Wir setzen uns nicht mutig an die Spitze der Bewegung, sind nicht kreativ und konsequent, sondern warten ängstlich ab. Und wir sagen uns nicht gegenseitig die Wahrheit. Erst haben wir zu wenig Masken, dann zu wenig Impfstoff, jetzt zu wenig Testkapazität. Was uns aber vor allem fehlt, sind Politikerinnen und Politiker, die Führungsverantwortung übernehmen.

Huch, was ist denn hier los?

Man stelle sich nur eine Sekunde lang Frau Gebauer vor, wie sie im Büro ihres Ministeriums von der Nachricht kalt erwischt wird, dass die Pooltests in den Schulen plötzlich nicht mehr durch Einzel-PCR-Tests überprüft werden können: „Huch, was ist denn hier los? Damit war ja gar nicht zu rechnen!“ Ist das ein realistisches Szenario? Kann es so viel Naivität im Regierungsapparat des größten deutschen Bundeslandes geben? Ja, kann es, lautet die ernüchternde Antwort. Darf es aber nicht. Führung hätte bedeutet, anhand vorhandener Modellierungen vorherzusehen, dass dieser Engpass auf uns zukommt, und rechtzeitig zu reagieren: Was bedeutet das für die Schulen? Und wie vermitteln wir das Eltern, Schülern und Lehrern in ruhiger, geordneter Art und Weise?

Jetzt bleibt Gebauer und in der Konsequenz auch dem Ministerpräsidenten nur noch, uns eine Kapitulation auf der ganzen Linie in chaotischer Weise als Strategiewechsel zu verkaufen. Denn natürlich ist es eine Kapitulation. Eine rasche Lolli-Test-Auswertung war das Rückgrat dafür, dass die Landesregierung am Präsenzunterricht festhalten konnte. Positive PCR-Pooltests nun nur noch mit den deutlich unzuverlässigeren Antigentests verifizieren zu wollen, ergibt schlicht keinen Sinn.

Mindestens ein Kind atmet Omikron aus ...

Was passiert eigentlich, wenn ein Pool-Test positiv ausfällt (und spätestens in zwei Wochen dürften nahezu alle Pooltests positiv ausfallen), mittels Antigentest aber kein positiver Schüler herausgefiltert werden kann? Findet dann Unterricht statt, wohl wissend, dass mindestens ein Kind in der Klasse Omikron-Viren verbreitet? Tägliche Schnelltests in der Schule für alle – dem ließe sich noch etwas abgewinnen.

Es wäre an der Zeit, die Wahrheit zu sagen: Wer den Präsenzunterricht weiter durchziehen möchte, wofür es gute Gründe gibt, der nimmt die Durchseuchung aller Schülerinnen und Schüler in Kauf. Und in diesem Fall müssen die Eltern das Recht haben, ihre Kinder nach individueller Entscheidung aus dem Unterricht herauszunehmen – beispielsweise dann, wenn Vorerkrankungen in der Familie eine Infektion als zu riskant erscheinen lassen. Berlin macht es vor und hat die Präsenzpflicht vorübergehend aufgehoben.