Berlin. Cannabis wird legal, die Ampel will es so. Unser Überblick zeigt aber: Bis der Joint durch Deutschland geht, sind viele Fragen offen.
Der Joint wird durch Deutschland gehen. Die Ampel-Koalition hat sich auf eine Freigabe von Cannabis geeinigt. Das ist – nach Jahrzehnten der Verbote – ein Meilenstein in der deutschen Drogen- und Gesundheitspolitik. Künftig wird Cannabis rechtlich auf derselben Ebene stehen wie Alkohol und Tabak. Noch aber ist vieles zur Legalisierung unklar. Wir haben die Fakten zusammengetragen.
Was steht zu Cannabis im Koalitionsvertag?
Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es unter dem Punkt „Drogenpolitik“: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ Dadurch werde die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet.
Weiter heißt es im Koalitionsvertrag, die neue Bundesregierung wolle das Gesetz nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen „evaluieren“, also bewerten. Nach welchen Gesichtspunkten diese Bewertung erfolgen soll ist noch nicht bekannt. Ein Kriterium dürfte aber die Einhaltung des Jugendschutzes sein. Wenn zu viel „Bundes-Gras“ auf deutschen Schulhöfen landet, wird schnell Schluss sein mit der Legalisierung. Lesen Sie außerdem: Koalitionsvertrag vorgestellt: Keine Pause für die Ampel
Wann kommt die Freigabe?
Ein Datum für die Freigabe von Cannabis gibt es bislang noch nicht. Allzu schnell wird es aber nicht gehen. Die neue Bundesregierung soll in der Nikolauswoche vereidigt werden und kann dann mit ihrer Arbeit beginnen. Ganz oben auf der Agenda der Ampel steht aber die Bewältigung der Corona-Krise, die zunächst viele Kapazitäten binden wird. Ob sie es wollen, oder nicht: Der Erfolg der Ampel-Regierenden um einen Kanzler Olaf Scholz wird in den ersten 100 Tagen an den Infektionszahlen und der Hospitalisierungsrate gemessen werden – nicht an verkauften Kilogramm Gras.
Für einen groben Zeithorizont bis zur Freigabe hilft zu wissen: Gesetzgebungsverfahren dauern in Deutschland im Schnitt rund 175 Tage. Wenn die Ampel ihr Gesetz nach vier Jahren auswerten will, bleibt ihr innerhalb der Legislaturperiode also nicht viel Zeit, um die Freigabe durch den Bundestag zu bringen.
Die Koalitionsparteien müssten dafür nach dem Jahreswechsel mit der Gesetzgebung beginnen. Realistisch erscheint, dass ein neues Gesetz zur Freigabe von Cannabis frühestens im Frühjahr 2022 ins Parlament kommt – damit könnte die Legalisierung im Herbst desselben Jahres Gesetz sein. Das könnte Sie interessieren: Wie klimaschädlich ist der Anbau von Cannabis?
Wer darf Cannabis kaufen?
Dazu ist bereits der Koalitionsvertrag überaus deutlich: Cannabis wird an Erwachsene verkauft werden dürfen, also an Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Ob das dann auch für ausländische Staatsangehörende gilt, ist noch nicht klar. In Luxemburg etwa bestimmt künftig der Pass, ob Cannabis legal konsumiert werden darf. In Kanada hingegen dürfen auch Touristinnen Gras kaufen und rauchen.
Wo darf ich Cannabis kaufen?
Der Verkauf von Cannabis soll in lizensierten Geschäften erfolgen. Was das heißt, wird sich im laufe des Gesetzgebungsverfahrens zeigen. Bislang waren vor allem die Apotheken in Deutschland als Verkaufsorte im Gespräch. Die dürfen bereits jetzt Cannabis zu medizinischen Zwecken verkaufen, der Vertriebsweg ist dort bereits etabliert.
Wer darf Cannabis anbauen?
Der Eigenanbau von Cannabis soll in Deutschland offenbar weiterhin verboten bleiben, was der Deutsche Hanfverband deutlich kritisiert. „Es sei nicht erkennbar, warum Cannabis anders behandelt werden sollte als Tabak und Alkohol, für die der Gesetzgeber die Möglichkeit der Eigenproduktion gestattet“, heißt es in einer Mitteilung des Verbands.
Woher künftig legal verkauftes Gras in Deutschland stammen wird, ist noch nicht klar. Allerdings gibt es für medizinisches Cannabis legale Bezugsquellen. Für die ist die am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) errichtete Cannabisagentur zuständig. Die BfArM wiederrum untersteht dem Bundesgesundheitsministerium.
Sie kontrolliert Anbau, Ernte, Verarbeitung, Qualitätsprüfung, Lagerung, Verpackung und Abgabe an Apotheken. Der Anbau wiederum erfolgt durch Unternehmen, die in einem europaweiten Ausschreibungsverfahren ausgewählt und von der Cannabisagentur beauftragt wurden. Herstellung, Lagerung und Auslieferung liegen bei den Anbaubetrieben beziehungsweise einer vom BfArM beauftragten Logistikfirma.
Wer kontrolliert die Qualität des Cannabis?
Erklärtes Ziel der Ampel ist es, keinen verunreinigten Stoff in den Verkauf zu bringen. Im Falle von medizinischem Cannabis ist die Cannabisagentur für die Kontrolle zuständig, die anhand von internationalen Richtlinien wie die „Gute Praxis für die Sammlung und Anbau von Arzneipflanzen“ arbeitet und die Qualität sicherstellt.
Kommt Cannabis hingegen aus dem Ausland zum Verkauf nach Deutschland, ist die Bundesopiumagentur zuständig, die ebenfalls am BfArM angesiedelt ist. Ob das BfArM am Ende aber auch für die Qualitätskontrolle von zu Genusszwecken verkauftem Cannabis zuständig sein wird, ist bislang unklar. Möglich wäre, dass hier der gesundheitliche Verbraucherschutz greift – der fällt in den Aufgabenbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Wo darf ich Cannabis konsumieren?
Dazu steht im Koalitionsvertag nichts. Grundsätzlich ist in Deutschland der öffentliche Konsum von legalen Drogen wie Alkohol und Tabak nicht verboten, es können aber Ausnahmen gelten. So war während des Lockdowns im Frühjahr etwa zeitweise öffentliches Trinken untersagt. Tabakrauchen hingegen ist in vielen Bundesländern in Gaststätten oder Clubs verboten, E-Zigaretten oder Verdampfer fallen mangels einheitlicher Gesetzgebung meist unter das Hausrecht.
Vorstellbar ist, dass es den Bundesländern oder den Kommunen überlassen bleibt, anhand des Bundesgesetzes Konsumorte für Cannabis zu definieren. So hatte etwa Bayern im Dezember 2020 unter Berufung auf das Infektionsschutzgesetz ein flächendeckendes Alkoholverbot im Freien erlassen und dann später nach einem Entscheid des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) nachgebessert. Nur an bestimmten Hot-Spots darf ein Alkoholverbot ausgesprochen werden.
Grundsätzlich dürfen Kommunen in Deutschland begründet entscheiden, wo in der Öffentlichkeit getrunken werden darf und wo nicht. Hier zeigte eine Entscheidung des VGH Grenzen kommunaler Entscheidungsgewalt auf. Die Stadt München hatte ein nächtliches Alkoholverbot für den gesamten öffentlichen Raum erlassen, das Gericht kassierte die Regel im September 2020 als unverhältnismäßig. Was für den öffentlichen Konsum von Cannabis als verhältnismäßig gilt, bleibt abzuwarten – und dürfte im Zweifel die Gerichte beschäftigen.
Was ist mit Cannabis am Steuer?
Wie bei Alkohol, so beeinträchtigt auch Cannabis-Konsum die Fahrtüchtigkeit. In Deutschland gilt bislang der Grenzwert von 1 Nanogramm THC (Tetrahydrocannabinol) pro Milliliter Blutserum. Wer mit dieser oder einer höheren Konzentration des high-machenden Wirkstoffs von Cannabis erwischt wird, muss mit Bußgeld und Führerscheinentzug rechnen.
Problematisch am Grenzwert ist, dass er je nach Konsumverhalten sehr schnell überschritten sein kann und auch mehrere Tage nach Konsum noch nachweisbar sein kann, in extremen Fällen sogar bis zu zwei Wochen. Die Fahrtüchtigkeit ist dann aber längst wieder gegeben. Das führt de facto zu einer Ungleichbehandlung von Cannabiskonsumierenden und Alkoholkonsumierenden, da sich Alkohol im Blut wesentlich schneller wieder abbaut.
Die Ampel wird also nicht umhinkommen, einen neuen Grenzwert zu definieren oder einen anderen Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr zu finden. Aktuell ist die Fahrerlaubnis schon nach Konsum geringer Mengen gefährdet. Vorstellbar wäre, dass der Zeitpunkt der Grenzwertüberschreitung eine entscheidende Rolle spielt.
Wer darf Cannabis verkaufen?
Im Moment ist nur Apothekerinnen und Apothekern der Verkauf gestattet. Ob auch Nicht-Pharmazeuten künftig eine Lizenz zum Verkauf von Cannabis erstehen können, bleibt abzuwarten. Sollte dies erlaubt werden, dürfte der Weg zum eigenen Coffeeshop aber lang werden.
Wer in Deutschland zum Beispiel eine Kneipe eröffnen will, braucht dafür eine Genehmigung. Für die muss in der Regel die persönliche Zuverlässigkeit, Sachkunde und die Eignung der Räume nachgewiesen werden. Dazu kommen Ausgaben: Eine Gaststättenerlaubnis schlägt in Bayern etwa mit bis zu 6000 Euro zu buche, plus weitere Kosten für Führungszeugnis und andere Dokumente.
Offen ist auch, ob Online-Handel mit Cannabis in Deutschland möglich sein wird. Zumindest Apotheken aber dürfen Arzneimittel im Internet verkaufen.