Berlin. Die Koalitionsparteien könnten Cannabis legalisieren. Verkaufsort dürften dann Apotheken werden. Die sind davon nicht völlig überzeugt.

Cannabis erlebt derzeit einen Höhenflug. Die Niederlande pflegen seit längerem einen liberalen Umgang mit der Droge, mehrere Bundesstaaten in den USA haben die Droge mittlerweile legalisiert. Immer mehr Länder wagen den Schritt. Zuletzt kündigte etwa Luxemburg an, den Anbau und Konsum von Marihuana zu Hause künftig zu erlauben. Auch hierzulande zeichnet sich nach der Bundestagswahl eine Trendwende ab: Viele erwarten, dass Cannabis unter einer Ampelregierung in der kommenden Wahlperiode legalisiert wird. Kann also bald jeder Erwachsene in der Apotheke Gras kaufen?

Bereits seit 2017 ist die Abgabe von Cannabis aus medizinischen Gründen in Deutschland erlaubt. Die Droge findet beispielsweise öfters als Schmerzmittel bei Schwerkranken Anwendung. Die Kosten für eine Cannabis-Therapie werden von den Krankenkassen übernommen – allerdings nur, wenn es nachweislich keine andere wirksame Behandlungsmethode gibt. Das muss jeder Arzt, der seinen Patienten Marihuana als Arzneimittel verschreiben will, belegen.

Kein freier Cannabis-Verkauf ohne Beratung

Bisher wurde das hierfür verwendete Cannabis aus dem Ausland importiert, da der Bund zunächst eine Cannabisagentur für den inländischen Anbau und Vertrieb aufbaute. Im Juli dieses Jahres begann dann der staatlich organisierte Verkauf der Droge. Über das Portal www.cannabisagentur.de können Apotheken medizinisches Cannabis in pharmazeutischer Qualität vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beziehen.

Doch könnten bald auch kerngesunde Kunden die getrockneten Hanfblüten in der Apotheke erwerben, ganz ohne Rezept und rein zum Genuss? Zumindest scheinen politisch die Weichen gestellt, um einen Weg des Krauts in die Legalität freizumachen. SPD, Grüne und FDP, die derzeit gemeinsam am Verhandlungstisch sitzen und eine Regierung zu bilden versuchen, sprechen sich für eine Legalisierung und kontrollierte Abgabe des Rauschmittels aus, wenn auch in unterschiedlicher Form.

FDP und Grüne wollen einen "Verkauf in lizensierten Fachgeschäften", während die SPD eine "regulierte Abgabe" an Erwachsene erst einmal in Modellprojekten testen will. Allen drei potenziellen Regierungsparteien ist dabei wichtig, dass mit dem Verkauf auch entsprechende Beratungsangebote einhergehen, um unter anderem über die Folgen des Konsums aufzuklären. Und wo gäbe es dafür bessere Voraussetzungen als in der Apotheke des Vertrauens?

Cannabis braucht sicheren Vertriebsweg

So sprach sich FDP-Chef Christian Lindner kürzlich gegenüber dem Sender Bild TV dafür aus, dass interessierte Konsumenten "beispielsweise in einer Apotheke nach gesundheitlicher Aufklärung eine Menge für den eigenen Gebrauch erwerben dürfen". Einen Verkauf in sogenannten "Coffeeshops", wie es etwa in den Niederlanden der Fall ist, lehnte Lindner dagegen eher ab. Es gehe ihm um "Kriminal- und Gesundheitsprävention", nicht um "die Legalisierung eines Rechts auf Rausch".

Ähnliche Vorbehalte äußert auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Bei Cannabis handle es sich um ein schwieriges Thema, denn Drogen gehörten grundsätzlich nicht in die Apotheke, hieß es von der Vereinigung auf Anfrage unserer Redaktion. Andererseits müsse ein sicherer Vertriebsweg gewährleistet werden, sollte der Konsum zu Genusszwecken legalisiert werden. "Das heißt einerseits, dass Kunden geschützt werden müssen, aber auch eine flächendeckende Versorgung sichergestellt werden muss", teilte man weiter mit.

"Es muss klare Vorgaben für Apotheken geben, unter anderem Abgaberegeln mit einem hohen Schutzniveau für Jugendliche." Daneben sei noch offen, wie hoch die Nachfrage nach dem Rauschmittel letztendlich sein würde und wie sich entsprechend benötigte Mengen der Pflanze sicher anbauen ließen. Trotz vieler offener Fragen sei die ABDA jedoch gesprächsbereit, sollten die Legalisierungsbestrebungen konkreter werden.

Cannabis-Freigabe ist umstritten

Die Freigabe von nichtmedizinischem Cannabis ist höchst umstritten. Nicht nur in der Politik, wo vor allem die konservativen Unionsparteien eine Legalisierung vehement ablehnen, brennt die Debatte aktuell. Auch Mediziner sind sich in der Frage uneinig. So warnte der Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters, Rainer Thomasius, vor einer Legalisierung: "Länder wie die USA, Kanada und Portugal, die Cannabis legalisiert haben, zeigen, dass der Konsum im Zusammenhang mit der Legalisierung um etwa 30 Prozent steigt und die damit verbundenen psychischen Störungen um etwa 25 Prozent höher liegen als in Staaten ohne Legalisierung", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Hingegen begrüßte der Vorsitzende der Ostdeutschen Arbeitsgemeinschaft Suchtmedizin, Peter Jeschke, gegenüber der "Mitteldeutschen Zeitung" eine mögliche kontrollierte Freigabe von Cannabis. Durch sie könne der illegale Handel eingedämmt werden, bei dem der Stoff oft mit synthetischen Drogen, Opiaten oder Heroin versetzt sei. Auch Jeschke forderte in diesem Zusammenhang fachkundige Beratungsangebote sowie ausreichenden Jugendschutz.

In der Theorie bieten Apotheken demnach gute Voraussetzungen für den Verkauf von Cannabis, vor allem da mit den Pharmazeuten fachkundiges Personal bereits vorhanden wäre. Bis Cannabisprodukte freiverkäuflich in den Apothekerregalen stehen werden, gilt es jedoch noch einige Hürden zu überwinden und viele offene Fragen zu klären. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Ampelparteien in einem Koalitionsvertrag auf eine gemeinsame Regelung zur kontrollierten Abgabe des Stoffs einigen können. Im jüngst von den Parteien vorgelegten Sondierungspapier gab es zu dem Thema jedenfalls noch keine Angaben.