Berlin. Der Bundestag wächst und wächst. Damit schießen auch die Kosten in die Höhe. So viel Geld müssen die Steuerzahler künftig aufbringen.

Mit Beginn der neuen Legislaturperiode tritt am 26. Oktober auch der bisher größte Bundestag in der Geschichte Deutschlands zusammen. In der vergangenen Legislatur lag die Zahl der Abgeordneten bereits bei 709 und damit weit über der Normgröße von 598, die eigentlich im deutschen Wahlgesetz vorgesehen ist. Nach der Bundestagswahl kommen nun noch einmal 26 Mandatsträger hinzu. In der kommenden Wahlperiode werden somit 735 Abgeordnete die Geschicke des Landes lenken. Dabei hatte Deutschland schon vor der Wahl das größte Parlament einer westlichen Demokratie – nur vom Nationalen Volkskongress in China wird es noch übertroffen.

Bund der Steuerzahler für Deckelung im Bundestag bei 500 Mitgliedern

An der stetig zunehmenden Größe des Bundestags wird die Kritik indessen immer lauter. Dabei spielt nicht nur die Frage nach der politischen Handlungsfähigkeit eines so großen Parlaments eine Rolle, auch über die stetig steigenden Kosten herrscht Unmut. Denn die werden vom Steuerzahler getragen. Die Zahlen: Im Bundeshaushaltsplan für das laufende Jahr sind etwas mehr als eine Milliarde Euro für den Etat des Bundestags vorgesehen.

Zum Vergleich: 2012 gab der Bundestag noch gut 674 Millionen Euro aus. Im Etat inbegriffen sind allerdings sämtliche anfallenden Kosten, also auch relativ konstante Ausgaben, etwa für Liegenschaften. Kritischer sind die aktiven mandatsbezogenen Kosten für die Abgeordneten, denn diese steigen praktisch linear mit der Größe des Bundestags.

XXL-Bundestag: Zusätzliche Abgeordnete kosten 78 Millionen Euro

Laut einer aktuellen Berechnung des Bundes der Steuerzahler (BdSt) kosten 735 Parlamentssitze in der kommenden Legislaturperiode insgesamt 410 Millionen Euro mehr, als ein Parlament mit der gesetzlichen Normgröße von 598 Sitzen veranschlagen würde. Demnach ergeben sich für die zusätzlichen 26 Abgeordneten, um die der Bundestag nun wächst, Mehrkosten von knapp 78 Millionen Euro in der kommenden Legislatur.

Der BdSt ist eine der lautesten Stimmen im Streit um den immer größer werdenden Bundestag. Der Verein prognostiziert einen weiteren Anstieg der Parlamentskosten in den kommenden Jahren und fordert in einer Petition eine Deckelung des Bundestags bei 500 Mitgliedern. Mehr als 375.000 Menschen haben bereits unterschrieben. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage sprach sich zudem eine deutliche Mehrheit von über 90 Prozent der Befragten für eine gesetzliche Obergrenze bei der Anzahl der Abgeordneten aus.

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Der Bundestag selbst möchte sich zu den entstehenden Mehrkosten bislang nicht äußern. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne man noch keine belastbaren Angaben machen. Auch könne ein Durchschnittswert pro Mandat „aufgrund der Vielzahl der potentiell einzubeziehenden Berechnungsfaktoren“ gar nicht seriös ermittelt werden, teilte man auf Anfrage unserer Redaktion mit.

Berlin: Zu wenig Platz im Regierungsviertel

Während die Kosten für das Parlament steigen, wird der Platz im Berliner Regierungsviertel immer geringer. Denn für eine derart hohe Anzahl an Abgeordneten und deren Mitarbeitern sind die Parlamentsgebäude nicht ausgelegt. Im Jahr 2019 hatte der amtierende Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble für Aufruhr gesorgt, als er bekanntgab, mit Blick auf die Bundestagswahl 2021 zur Sicherheit ein Genehmigungsverfahren für Bürocontainer beantragt zu haben. Zum Einsatz kamen solche Notlösungen bislang nicht, stattdessen soll 2022 ein Erweiterungsbau des Parlamentsgebäudes Marie-Elisabeth-Lüders-Haus fertig werden. Die Umbaumaßnahme ist bereits seit 2010 im Gange, ihre Fertigstellung verzögerte sich mehrmals.

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Kurzfristig soll ein weiterer Büroneubau aus Holzmodulen Abhilfe schaffen: Der Bau „Luisenblock West“ befindet sich in der Endphase und soll im Dezember in Betrieb gehen. Mit ihm werden den Abgeordneten 400 zusätzliche Büros zur Verfügung stehen. Ob das langfristig ausreicht, ist jedoch noch unklar. Die Frage, ob in Zukunft noch weitere Neubauten erforderlich sein werden, um dem XXL-Parlament Herr zu werden, lässt der Bundestag auf Anfrage unserer Redaktion offen. Insgesamt umfasse das den Fraktionen zur Verfügung stehende Kontingent an Büroflächen 3520 Raumeinheiten. Diese seien in der Regel 18 Quadratmeter groß. Immerhin ergibt sich daraus eine stattliche Gesamtfläche von gut 63.000 Quadratmetern.

Bund der Steuerzahler kritisiert „XXL-Baustelle“ im Regierungsviertel

Der Bund der Steuerzahler zeigt für die Neubauten indes wenig Verständnis. Der 70 Millionen Euro teure Bau des „Luisenblock West“ zeige, „welche Konsequenzen das verkorkste Wahlrecht für die Steuerzahler hat“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des BdSt, unserer Redaktion. „Mit einem vernünftigen Wahlrecht und einem Bundestag mit einer Sollgröße von 598 oder weniger Abgeordneten wäre dieser Neubau gar nicht nötig gewesen. Der neue XXL-Bundestag sorgt dafür, dass das Regierungsviertel zur XXL-Dauerbaustelle wird.“

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Bundestag: Darum wird das Parlament immer größer

Für das Wachstum des Bundestags sind vor allem zwei Faktoren verantwortlich: das Entstehen von Überhangmandaten und die daraus folgende Erteilung von Ausgleichsmandaten. Laut dem Wahlforscher Robert Vehrkamp wurde die große Anzahl der Ausgleichsmandate hauptsächlich von der CSU verursacht: Die Überhangmandate der bayerischen Unionspartei hätten zu insgesamt 126 Ausgleichsmandaten geführt, sagte Vehrkamp.

Eine nachhaltige Lösung des Problems wird nur in einer umfassenden Wahlrechtsreform gesehen. Auch parteiübergreifend besteht kaum Zweifel, dass das derzeitige Wahlrecht reformbedürftig ist. Im vergangenen Jahr konnte sich die Bundesregierung unter CDU/CSU und SPD so zu einer ersten Anpassung in zwei Schritten durchringen. Kritiker bemängeln jedoch, dass diese „Mini-Reform“ kaum Auswirkungen auf die Größe des Parlaments habe. So wurden bei der diesjährigen Bundestagswahl erstmals einige Direktmandate mit Listenplätzen der Partei in anderen Ländern verrechnet. Auch wurden bis zu drei Überhangmandate jeweils einer Partei nicht ausgeglichen. Für die nächste Bundestagswahl 2025 ist zusätzlich eine Verringerung der Wahlkreise (und somit der Direktmandate) von aktuell 299 auf 280 vorgesehen.

Bisherige Reform so gut wie wirkungslos - neue Regierung könnte nachbessern

Es bleibt abzuwarten, ob eine wirkungsvollere Wahlrechtsreform von einer künftigen Regierung mit potentieller Beteiligung von Grünen und FDP auf den Weg gebracht wird. Beide Parteien hatten bereits 2019 gemeinsam mit der Linken deutlich einschneidendere Änderungen gefordert und zeigten sich entsprechend enttäuscht vom Ergebnis der Verhandlungen.

Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion der Grünen, bezeichnete die 2020 verabschiedete Reform als „Trauerspiel“: „Die Wahlrechtsreform ist weder fair, sie ist weder verfassungsgemäß noch tritt sie der Absicht, den Bundestag zu verkleinern, in irgendeiner Art und Weise nahe“, resümierte Haßelmann im Bundestag. Ein Eilantrag von Grünen, FDP und Linken zur Aussetzung der Wahlrechtsreform wurde im August vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt.