Berlin. Armin Laschet erklärt im Interview, wie er die Wahl doch gewinnen will – und wieso er die SPD als Gefahr für Deutschland sieht.

  • Am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt
  • Armin Laschet ist der Kanzlerkandidat der Union
  • Im Interview erklärt der CDU-Chef, was ihn vom SPD-Kandidaten Olaf Scholz unterscheidet – und welche Politik er in puncto Corona, Drogen und Migration verfolgen will

Noch drei Wochen bis zur Bundestagswahl, und der Wind hat sich gedreht. Im Interview mit unserer Redaktion sagt Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet, wie er regieren will - wenn er es noch schafft.

Die SPD zieht in den Umfragen davon - daran hat auch das TV-Triell der Kanzlerkandidaten nichts geändert. Haben Sie noch einen Joker, um die Trendwende zu schaffen?

Armin Laschet: Das ist kein Spiel. Es geht um unsere Zukunft, um die Sicherheit und den Wohlstand der Menschen. Das ist es, wofür wir kämpfen. Ein Linksbündnis gefährdet den Aufschwung.

Also eine Rote-Socken-Kampagne 2.0.

Laschet: Nein. Vor 27 Jahren war das eine gelungene Kampagne. Jetzt geht es um den gesunden Menschenverstand: CDU und CSU haben ein Zukunftskonzept für Deutschland. Und dieses Konzept verbinden wir mit Köpfen wie dem Zukunftsteam, das ich vorgestellt habe, und unseren weiteren Fachleuten in den einzelnen Themen. Wir machen Team-Wahlkampf, denn wir können stolz auf unsere Fachleute in Regierung, Fraktion und auch außerhalb sein.

Und bei der SPD? Da verstecken sich Frau Esken und Kevin Kühnert hinter roten Scholz-Plakaten. Damit niemand merkt, dass Olaf Scholz nur an ihrer Leine regieren dürfte. Was mit ihnen droht, ist klar: ein Anschlag auf unseren Wohlstand. Erst recht mit der Linken. Raus aus der Nato, Verfassungsschutz abschaffen, Teile der deutschen Wirtschaft verstaatlichen - trotzdem ist die SPD offen für ein Bündnis. Das ist nicht akzeptabel.

Olaf Scholz ist es gelungen, sich als wahren Erben der Ära Merkel darzustellen. Wie erklären Sie sich das?

Laschet: Das behaupten Sie. Angela Merkel selbst sieht es anders und hat sich klar von ihm abgegrenzt. Olaf Scholz hat der Bundeskanzlerin in der großen Koalition das Leben schwergemacht und stand oft auf der Bremse. Er blockiert in Krisenzeiten eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr, um dem linken Flügel seiner Partei zu gefallen. Und zeigt jetzt die Merkel-Raute. Das ist schon etwas sehr plump.

Wollen Sie denn an die Merkel-Jahre anknüpfen - oder haben Sie eine andere Vision für Deutschland?

Laschet: Angela Merkel hat das Land hervorragend durch vier Weltkrisen geführt: Finanzkrise, europäische Schuldenkrise, Flüchtlingskrise und zuletzt die Pandemie, die viele Defizite unseres Staats für alle sichtbar gemacht hat. Genau das will ich besser machen. Ein Weiter-so wird es nicht geben.

Welche Defizite meinen Sie?

Laschet: Unser Land ist nicht modern genug. Auf vielen Ebenen. Wir sind zu langsam – Bahnstrecken, Stromtrassen, Brücken, High-Speed-Internet im ländlichen Raum. Planen, Genehmigen und Umsetzen ist bei uns zu kompliziert geworden, wir verwalten uns zu Tode. Von den Gesundheitsämtern bis zu Schulen – selbst wenn Geld für digitale Ausstattung da ist, wird es nicht abgerufen, weil alles viel zu kompliziert ist. Das werden wir mit einer unionsgeführten Bundesregierung ändern und gleichzeitig die Errungenschaften der Merkel-Ära fortführen.

Und: Es gab ein fatales Hin und Her zwischen verschiedenen Ministerien bei der Afghanistan-Frage. Hier brauchen wir dringend einen Nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt.

CSU-Chef Söder hat ausgeschlossen, dass die Union als Juniorpartner der Grünen in eine Bundesregierung eintritt. Schließen Sie auch eine große Koalition unter Führung der SPD aus?

Laschet: Ich spekuliere nicht. Wir tun alles, um auf Platz eins zu sein. Sonst bekommen wir eine andere Republik.

Vizekanzler Laschet - ist das für Sie denkbar?

Laschet: Nochmal: Das Beste für Deutschland ist, wenn die Union die Regierung und den Kanzler stellt.

Aber Sie schließen Rot-Schwarz nicht aus.

Laschet: Wir werden es verhindern.

Welches Wahlergebnis trauen Sie sich zu?

Laschet: Unser Ziel ist, dass gegen CDU und CSU keine Mehrheit gebildet wird.

Wollen Sie auch Stimmen von der AfD zurückgewinnen?

Laschet: Die AfD hat Stimmen aus allen politischen Lagern bekommen – nicht selten auch von früheren Wählern der Linken. Wir werden diese Wahl in der Mitte gewinnen. Gegenüber der AfD gilt: Klare Kante. Bekämpfen und Abgrenzen.

Was bedeutet das für die Flüchtlingspolitik?

Laschet: Wir wollen nur die aufnehmen, die wirklich schutzbedürftig sind. Wir müssen den Schutz der Außengrenzen weiter verbessern. Und anders als unsere Wettbewerber stehen wir dazu, dass wir Gefährder und Straftäter konsequent abschieben wollen.

Würden Sie Straftäter in das Afghanistan der Taliban abschieben?

Laschet: Das richtet sich nach den Lageberichten des Auswärtigen Amts, für jedes Land der Welt übrigens. Danach ist die Abschiebung nach Afghanistan derzeit ausgesetzt.

Wie viele Flüchtlinge vom Hindukusch sollte Deutschland aufnehmen?

Laschet: Zahlenspekulationen sind ein falsches Signal. Es geht um Menschen: Unsere Ortskräfte, Frauen, die besonders gefährdet sind - Politikerinnen, Journalistinnen, Künstlerinnen und viele andere. Sie sollten wir aufnehmen.

Ist Deutschland in den vergangenen Jahren sicherer oder unsicherer geworden?

Laschet: In Nordrhein-Westfalen haben wir Einbruchskriminalität und Gewaltkriminalität durch konsequente Null-Toleranz-Politik zurückgedrängt. Für die Union steht fest: Wir brauchen in ganz Deutschland starke Sicherheitsbehörden, um die Bürger zu schützen. Im rot-rot-grünen Berlin bekommt man den Eindruck, für die Links-Regierung sei die Polizei das Problem, nicht die Kriminellen und Extremisten. Das ist fatal. Wir brauchen mehr Respekt denn je für unsere Polizei- und Rettungskräfte, die immer öfter im Einsatz attackiert werden.

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Interview mit unserer Redaktion.
Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Interview mit unserer Redaktion. © Reto klar / Funke Foto Services

Was ist die größte Bedrohung für die Sicherheit der Bürger?

Laschet: Für das Sicherheitsempfinden der Menschen ist es zwingend, dass man sich in Deutschland überall sicher bewegen können muss. Rechtsfreie Räume darf es nicht geben. Typisches Beispiel: Clan-Kriminalität. Da hat man dreißig Jahr lang gesagt hat: ja, hat sich eingebürgert, kann man nicht ändern. Von wegen! Kriminelle Clans haben die Absicht zu zeigen: Wir dominieren die Straße, die Viertel und wir herrschen über die Menschen. Das darf der Staat ebenso wenig dulden wie Parallelgesellschaften.

Ich habe vor ein paar Tagen unserer Einheit Clan-Kriminalität in Essen nochmal den Rücken gestärkt. Inzwischen kommen Ermittler aus Schweden, aus Spanien um sich anzusehen, wie wir das gemacht haben. Durch vernetzte Finanz- und Ordnungsbehörden, mit einer Politik der 1000 Nadelstiche. Sonst geht es uns wie Schweden, wo Clans mittlerweile mit Langfeuerwaffen unterwegs sind.

Neben dieser Art der Kriminalität steht auch der islamistische Terrorismus vor einer neuen Phase nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan.

Wie kann Deutschland sich wappnen? Die Nato-Truppen sind aus Afghanistan abgezogen…

Laschet: Durch Druck auf die Taliban – zuallererst, um die Ausreise gefährdeter Gruppen und die Einhaltung menschenrechtlicher Mindeststandards zu erreichen. Afghanistan hängt schon sehr von internationaler Hilfe ab. Die müssen wir an Bedingungen knüpfen.

Plädieren Sie dafür, an der Seite der Taliban die IS-Terroristen zu bekämpfen?

Laschet: Nein. In der aktuellen Phase bauen wir Druck auf, um sie selber vom Schlimmsten abzuhalten. Und wir beobachten genau, ob internationaler Terrorismus in Afghanistan wieder Fuß fasst – hierzu ist enge europäische und westliche Abstimmung zwingend.

Eine zentrale Einnahmequelle der Taliban ist der Drogenanbau. Fürchten Sie eine Zunahme der internationalen Drogenkriminalität?

Laschet: Natürlich besteht die Gefahr, dass Drogenhandel zunimmt und damit auch der Geldfluss für die Taliban. Wir erwarten von der neuen Regierung in Kabul, dass sie sich an internationales Recht hält – das bedeutet, den Drogenanbau zu unterbinden. Aber wer jeden Tag die Nachrichten verfolgt, sieht, mit welcher Art von Regime wir es dort zu tun haben.

Sind Sie Verfechter einer Null-Toleranz-Politik auch beim Drogenkonsum?

Laschet: Ja.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung will den Besitz geringer Mengen von Cannabis für den Eigenbedarf nicht mehr als Straftat verfolgen. Irritiert Sie das?

Laschet: Mein Grundprinzip ist: Keine Legalisierung von Drogen. Die gesundheitlichen Schäden für Einzelne, gerade für junge Menschen, und die negativen Auswirkungen auf Familie und Gesellschaft sind zu groß.

Haben Sie selbst mal Cannabis oder andere Drogen ausprobiert?

Laschet: Nein.

Wenn Sie Kanzler werden, Herr Laschet: Wer wird mehr, wer weniger Geld in der Tasche haben?

Laschet: Ludwig Erhard hat gesagt: Wohlstand für alle. Das ist heute so aktuell wie damals – doch wir kommen nur mit neuem, nachhaltigem Wachstum gut aus der Pandemie heraus. Das bedeutet: Keine Steuererhöhungen. Steuererhöhungen würgen alles ab. Nochmal: Wer Steuererhöhungen will, plant einen Anschlag auf Wohlstand und Arbeitsplätze.

Keine Steuererhöhungen – machen Sie das zur Koalitionsbedingung?

Laschet: Die künftige Koalition muss ökonomisch sinnvoll handeln. Deshalb darf sie keine Steuern erhöhen. Das wäre Gift für alle. Wir müssen vielmehr erreichen, dass jede und jeder arbeiten kann, dass die Kurzarbeit beendet ist, Menschen aus der Arbeitslosigkeit herauskommen und dann alle am Wohlstand teilhaben.

Klingt märchenhaft. Warum wollen Sie die Steuern für Gutverdiener senken?

Laschet: Der Solidaritätszuschlag wurde für einen bestimmten Zweck eingeführt und wenn dieser Zweck erfüllt ist, kann die Politik nicht einfach sagen: Ist uns egal. Das hat etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun und ist verfassungsrechtlich geboten. Daher wollen wir den Soli für alle abschaffen. Aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit wollen wir dann für kleine und mittlere Einkommen die Steuern senken, nicht für hohe Einkommen.

Wo soll das Geld herkommen?

Laschet: Durch Aufschwung statt Abschwung. Die Lehre vor der Pandemie war: Wenn die Wirtschaft brummt, hat der Staat mehr Geld. Das hat Rot-Grün schon vergessen, obwohl es erst zwei Jahre her ist. Diese Mehreinnahmen wollen wir unter anderem für Entlastungen einsetzen.

Wann wird die Schwarze Null – der ausgeglichene Staatshaushalt – wieder ein Markenzeichen der Union?

Laschet: Erstmal müssen wir die Schuldenbremse einhalten. In der Pandemie gibt es Ausnahmen. Aber nachhaltig zu sein, wie es das Grundgesetz vorgibt, muss unsere Finanzpolitik prägen. Insofern müssen wir sehr schnell zur Schuldenbremse zurückkehren.

Söder stellt die Schuldenbremse in Frage. Hat er etwas falsch verstanden?

Laschet: In den Steuer- und Finanzfragen sind sich Markus Söder und ich einig. Wir stehen zur Schuldenbremse.

Wie lange kann sich Deutschland leisten, Corona-Hilfen an Unternehmen zu zahlen?

Laschet: Die Wirtschaft beginnt gerade sich zu berappeln. Wenn das gelingt, werden auch die pandemisch bedingten Wirtschaftshilfen enden. Umso mehr darf man jetzt keine Steuern erhöhen. Die Pläne der SPD würgen den zarten Aufschwung ab.

Keine Sonderregeln zum Kurzarbeitergeld über den Jahreswechsel hinaus?

Laschet: Das müssen wir Ende des Jahres beurteilen. Ziel muss die schnelle Rückkehr zur normalen Wirtschaft sein. Der Staat kann nicht auf Jahre diese großen Leistungen erbringen.

Bleibt es bei Ihrem Versprechen: Nie wieder Lockdown?

Laschet: Es muss gelingen, Lockdowns zu verhindern – insbesondere für Geimpfte. Sie leisten Eigenschutz und viel für die Solidargemeinschaft und dürfen keine Nachteile erleiden. Beschränkungen darf es für sie nicht mehr geben. Ob neue Pandemien über uns hereinbrechen oder neue Mutationen den Impfschutz durchbrechen, kann niemand jetzt vorhersehen.

Wie wollen Sie die Impfskeptiker überzeugen?

Laschet: Wir leisten Aufklärung. Diejenigen, die jetzt auf den Intensivstationen liegen und ihr Leben verlieren, sind ganz überwiegend Menschen ohne Impfschutz.

Eine Impfpflicht bleibt ausgeschlossen?

Laschet: Es gibt keine Impfpflicht. Was es gibt, ist die Eigenverantwortung jedes einzelnen. Wir verhindern, dass das Gesundheitssystem überlastet wird. Doch wir können einem Menschen nicht jedes Lebensrisiko abnehmen.

Sollen Arbeitgeber das Recht haben, ihre Angestellten zu fragen, ob sie geimpft sind?

Laschet: Aus Gründen der Betriebssicherheit sollte es Arbeitgebern erlaubt sein, sich nach Impfungen in der Belegschaft zu erkundigen - natürlich unter der Voraussetzung, dass diese Informationen vertraulich bleiben. Leider war das im Bund mit der SPD für alle Unternehmen nicht zu machen. Immerhin haben wir aber erreicht, dass die Arbeitgeber in besonders sensiblen Bereichen ein Auskunftsrecht bekommen, also in Kitas, Schulen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Angesichts der aktuellen pandemischen Lage ist das aus Sicht des Infektionsschutzes auch absolut notwendig.

Wie denken Sie über Unternehmen, die den Impfnachweis zur Eintrittskarte ins Büro machen?

Laschet: Es gibt keine Impfpflicht, auch nicht durch die Hintertür. Deshalb sollte der Staat hier keine Vorgaben machen. Ich teile den Wunsch von Unternehmen und Beschäftigten nach bestmöglichem Gesundheitsschutz. Deshalb sollten Betriebe und Tarifparteien individuell Lösungen finden, die Vertraulichkeit und Entscheidungsfreiheit respektieren.

Fußballclubs wie der 1. FC Köln lassen nur Geimpfte und Genesene ins Stadion. Vorbildlich?

Laschet: Es ist in Ordnung, dass der 1. FC Köln das so macht. Aber die Politik sollte nicht allen Vereinen ihre Konzepte vorschreiben. Jeder muss für den Gesundheitsschutz sorgen – wie, das ist seine Sache.

Hamburg setzt fast alle Corona-Auflagen für Restaurants, Theater oder Museen außer Kraft - sofern nur Geimpfte und Genesene anwesend sind. Warum schließen Sie sich in Nordrhein-Westfalen nicht an?

Laschet: Wir haben ein anderes Modell. Und wir müssen auch dafür sorgen, dass sich Leute weiter testen lassen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine besonders hohe Testquote bei Kindern, in den Betrieben und in Testzentren. Das würde wegfallen. Und auch in Hamburg gibt es ja nicht nur Begeisterung. Wenn ein Restaurant oder eine Diskothek für sich die 2G-Regel aufstellt, ist es in Ordnung – und bei uns auch möglich. Als staatliche Vorgabe finde ich es falsch.

Wie wollen Sie verhindern, dass ein weiteres Schuljahr mit Schulschließungen endet?

Laschet: Ich bin ein leidenschaftlicher Anhänger des Präsenzunterrichts. Frankreich hat es fast die ganze Zeit geschafft, die Schulen offenzuhalten. In Nordrhein-Westfalen hatten wir sie auch länger auf als anderswo. Mit Maskenpflicht, PCR-Lollitests und den allgemeinen Hygieneregeln ist das auch für uns auch weiter zu schaffen.