Berlin. Die Homeoffice-Pflicht läuft Ende des Monats aus. Doch für die Rückkehr ins Büro gibt es Regeln. Was Beschäftigte jetzt wissen müssen.

  • Die Corona-Neuinfektionen gehen zurück, die Öffentlichkeit kehrt langsam zur Normalität zurück - auch in der Arbeitswelt
  • Ende Juni läuft die Bundesnotbremse und somit auch die Homeoffice-Pflicht aus
  • Ist es das Ende des Homeoffice? Wir beantworten alle Fragen

Mit dem Sommer kehrt die Normalität in großen Schritten zurück: Erstmals seit September sank am vergangenen Wochenende die Sieben-Tage-Inzidenz im bundesweiten Schnitt auf unter zehn Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Vieles, was vor wenigen Wochen dank Corona-Pandemie noch undenkbar schien, ist zurückgekehrt. Die Biergärten sind voll, zur Fußball-Europameisterschaft gibt es sogar erste Public-Viewing-Veranstaltungen, auch die Kultur blüht wieder auf, Konzerte und Theatervorstellungen sind zurück.

Nicht nur in der Freizeit ist die Normalität spürbar. Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steht die Rückkehr ins Büro bevor. In eineinhalb Wochen ist die Homeoffice-Pflicht passé. Dann läuft die sogenannte Bundesnotbremse aus, die als Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes einheitliche Regelungen für Deutschland vorgesehen hatte und die die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtete, ihren Beschäftigten die Arbeit von zu Hause zu ermöglichen. Unsere Redaktion beantwortet die wichtigsten Fragen:

Müssen Beschäftigte ab dem 1. Juli zurück ins Büro?

Die Bundesnotbremse mit ihren deutschlandweit einheitlichen Regelungen gilt ab einer Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Die Homeoffice-Pflicht ist davon aber nach Angaben einer Sprecherin aus dem Bundesarbeitsministerium losgelöst – sie gilt unabhängig von der jeweiligen Inzidenz bis zum 30. Juni.

Noch eineinhalb Wochen lang müssen Arbeitgeber es ihren Beschäftigten also ermöglichen, weiterhin von zu Hause zu arbeiten – sofern es ihre Arbeit zulässt, sie also beispielsweise nicht in der Produktion, Pflege oder ähnlichen Berufen tätig sind, die Präsenz am Arbeitsplatz erfordern.

Zum 1. Juli gilt die Pflicht nicht mehr. Ob Beschäftigte zurück ins Büro müssen, hängt dann auch vom individuellen Arbeitsvertrag ab, sagt Kaja Keller, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Gansel. „Viele haben eine feste Betriebsstätte im Arbeitsvertrag vereinbart. Ist das der Fall, darf der Arbeitgeber die Rückkehr ins Büro anordnen“, sagt Keller. Wer dagegen eine Vereinbarung über mobile Arbeit geschlossen hat, die über die pandemische Lage hinausgeht, müsse nicht ins Büro.

Welche Sicherheitsvorschriften gelten im Büro?

Unabhängig von der auslaufenden Bundesnotbremse verhandelt die Bundesregierung derzeit über die Verlängerung der sogenannten Corona-Arbeitsschutzverordnung, die ebenfalls zum 30. Juni ausläuft.

Sie regelt beispielsweise den Mindestabstand von 1,50 Metern zu Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz. Pro Person müssen nach aktueller Regelung zudem zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen, Betriebe müssen Arbeitsgruppen bilden und ihren Beschäftigten mindestens zweimal pro Woche einen Corona-Test anbieten.

Am kommenden Mittwoch wird das Bundeskabinett über eine Verlängerung der Arbeitsschutzverordnung beraten. Geplant ist, dass das verpflichtende Testangebot sowie die Abstands- und Maskenregeln verlängert werden, bei den Quadratmeterbegrenzungen soll es Lockerungen geben. Laut Arbeitsrechtlerin Keller gilt: „Können die Schutzmaßnahmen im Büro nicht eingehalten werden, dann muss es dem Mitarbeiter ermöglicht werden, weiter in einer sicheren Umgebung arbeiten zu können.“

Kaja Keller ist Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Gansel Rechtsanwälte in Berlin
Kaja Keller ist Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Gansel Rechtsanwälte in Berlin © Gansel Rechtsanwälte Rechtsanwalts-AG

Dürfen Beschäftigte auch dann zurück ins Büro, wenn der Arbeitgeber weiter Homeoffice anordnet?

Beschäftigte müssen der Weisung ihres Arbeitgebers nachkommen – dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber ihnen aufträgt, weiter von zu Hause zu arbeiten. Allerdings gibt es ein Schlupfloch, erklärt Rechtsanwältin Keller: „Wenn konkret im Arbeitsvertrag steht, dass das Betriebsgebäude das Bürogebäude ist und dort die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen erfüllt werden können, dann muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer begründen können, warum eine Rückkehr nicht möglich ist.“

Was gilt für den Anfahrtsweg ins Büro?

Die Technische Universität Berlin und die Berliner Charité kamen im März in einer Studie zu dem Schluss, dass die Fahrt mit Bus, U-Bahn und Tram sicher sei. Auch die Gefahr einer Ansteckung in der Bahn soll laut einer Charité-Studie gering sein.

Trotzdem sehen es viele Arbeitgeber derzeit lieber, wenn ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Auto oder dem Fahrrad zum Arbeitsplatz kommen. Bestimmen könne der Arbeitgeber die Art, wie man zum Arbeitsplatz komme, nicht, sagt Arbeitsrechtlerin Keller. Er könne aber Empfehlungen abgeben. Formuliere der Arbeitgeber eine direkte Dienstanweisung, den öffentlichen Personennahverkehr zu meiden, dann müsse er über eine Kompensation nachdenken, sagt Keller – etwa die Übernahme der Parkplatzkosten oder der Leihgebühr für Mietfahrräder.

Warum wird die Homeoffice-Pflicht nicht verlängert?

„Die Pflicht, Homeoffice anzubieten oder zu nutzen, ist im Sommer in dieser Schärfe nicht mehr aufrechtzuerhalten“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Interview mit unserer Redaktion. Viele Beschäftigte hätten auch Lust, ihre Kollegen wiederzusehen.

Dabei hätten große Teile der SPD die Homeoffice-Pflicht gern verlängert, sie stießen damit aber bei CDU/CSU auf Widerstand. Das sorgt bei Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), für Unverständnis. „Noch sind wir nicht durch mit der Pandemie und es ist erwiesen, dass das Infektionsrisiko in geschlossenen Räumen deutlich höher ist“, sagte Piel unserer Redaktion. „Die Homeoffice-Regelungen hätten verlängert werden müssen.“

Was ist die Position der Arbeitgeber?

Die Arbeitgeber reagieren erleichtert auf das Aus der Homeoffice-Pflicht. „Die deutsche Wirtschaft begrüßt das Auslaufen der Verordnung zum Homeoffice, da dieser bürokratische Aktionismus ein überflüssiges Einmischen der Politik war“, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA), unserer Redaktion. Zuvor hatte bereits der Bundesverband der Industrie (BDI) ein Ende der Homeoffice-Pflicht gefordert.

Wie geht es mit dem Homeoffice nach der Pandemie weiter?

Immer wieder hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in den vergangenen Monaten gegen den Widerstand der Union den Vorstoß unternommen, einen gesetzlichen Anspruch für mobile Arbeit durchzusetzen, auch einen Gesetzentwurf gibt es.

Im Gespräch mit unserer Redaktion verlieh er dem Ansinnen Nachdruck. „Viele Menschen wollen zumindest ein paar Tage im Monat die Möglichkeit nutzen, im Homeoffice zu arbeiten“, sagte Heil. Es gehe nicht um Zwang, sondern um Freiwilligkeit.

Eine klare Absage erteilt Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, den Plänen. „Ein gesetzlicher Anspruch auf mobiles Arbeiten ist überflüssig und schädlich“, sagte Steiger unserer Redaktion. „Die Politik kann den Unternehmen am Ende einer so tiefgreifenden Krise nicht noch mehr aufladen.“ Arbeitgeber hätten von sich aus ein Interesse, attraktive Arbeitsbedingungen anzubieten, um attraktiv für Fachkräfte zu bleiben, argumentiert Steiger.

Auch der Mittelstand lehnt eine gesetzliche Regelung strikt ab. „Die Ausnahme darf nicht zur Regel werden“, sagte Markus Jerger, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), unserer Redaktion. Dass es bis zur Bundestagswahl doch noch mit einem Gesetz klappen könnte, glaubt auch Hubertus Heil nicht mehr.