Berlin. Arbeitsminister Hubertus Heil spricht über die Altersvorsorge und warum er Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung holen will.

Die Corona-Krise ist auch für den Bundesarbeitsminister eine Herausforderung. Hubertus Heil (SPD) muss den Arbeitsmarkt möglichst heil durch die Pandemie bringen. Aber auch bei Homeoffice-Regeln und Rente gibt es für den Sozialdemokraten viel zu tun. Wir trafen ihn zum Interview.

Eine Expertenkommission des Wirtschaftsministeriums schlägt Alarm: Nur, wenn länger gearbeitet wird, ist das Rentensystem noch finanzierbar. Wann werden Jüngere bis 68 arbeiten müssen?

Hubertus Heil: Das ist der falsche Weg und mit mir wird es das auch nicht geben. Ein Bauarbeiter, der mit 16 in die Ausbildung kommt, müsste ein halbes Jahrhundert plus zwei Jahre arbeiten, bis er in Rente gehen darf. Das geht in vielen Berufen nicht.

Die Lebensarbeitszeit ist bereits verlängert worden. Wir haben eines der höchsten Renteneintrittsalter in Europa. Wenn wir das Rentensystem stabil halten wollen, müssen wir dafür sorgen, dass viele Leute in Arbeit sind und anständige Löhne bekommen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (48) im Foyer des Bundesarbeitsministeriums in Berlin.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (48) im Foyer des Bundesarbeitsministeriums in Berlin. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Wir leben zwar immer länger, aber wir arbeiten nicht länger?

Heil: Eine starre allgemeine Erhöhung des Rentenalters ist lebensfremd und ungerecht. Einige Unternehmen setzen ja teilweise sogar auf großzügigere Vorruhestandsregeln, damit Firmen älteres Personal abbauen können. Ich bin für flexible Übergänge in den Ruhestand, etwa nach 45 Versicherungsjahren ohne Abschläge.

Das Wichtigste ist, dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrem Erwerbsleben gesund bleiben und durch Weiterbildung auch nicht den Anschluss verlieren.

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Funktioniert dann noch die Grundregel, dass die Jüngeren für die Älteren zahlen?

Heil: Ja, so funktioniert das Umlagesystem, und es ist viel stabiler, als oft behauptet wird. Richtig ist, dass zwischen 2025 und 2040 geburtenstarke Jahrgänge in Rente kommen. Aber wir können die Rente stabil halten, wenn möglichst viele Menschen im erwerbsfähigen Alter in Arbeit sind und es eine anständige Lohnentwicklung gibt. Das heißt, die Sicherheit der Rente entscheidet sich maßgeblich am Arbeitsmarkt. So können wir Sicherheit im Alter für alle Generationen organisieren.

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Dagegen geht eine weitere Erhöhung des Rentenalters klar zulasten der Jüngeren. Sie betrifft ja nicht die Rentnerinnen und Rentner von heute. Wer sagt, ein höheres Rentenalter befreie die Jungen von finanziellen Lasten, der verschweigt, dass die Jungen dadurch noch länger arbeiten müssen.

Ihre Partei will, dass für die Stabilisierung des Systems auch Selbstständige und Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen sollen. Wann soll das kommen?

Heil: Eine Lehre aus der Pandemie ist, dass wir vor allem Soloselbstständige besser absichern müssen, nicht nur bei der Rente. Das gilt etwa auch, wenn sie plötzlich den Job verlieren. Wir brauchen eine Art Sicherungsgeld für Soloselbstständige, das über die Bundesagentur für Arbeit organisiert wird, ähnlich wie das Arbeitslosengeld. Auch bei der Altersabsicherung muss sich etwas ändern. Das ist ein Vorhaben für die nächste Legislatur.

Ab wann sollen auch Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen? Das bedeutet ja, das Pensionssystem abzuschaffen.

Heil: Generell finde ich es richtig, darüber nachzudenken, im Laufe der Zeit alle in einer Erwerbstätigenversicherung zu vereinen. Wenn das beschlossen werden sollte, wird es aber in sehr langen Übergangsfristen ablaufen.

Bei Corona gehen die Inzidenzen zwar zurück, aber es droht die Verbreitung des aggressiveren Delta-Virus. Wie müssen Arbeitnehmer davor geschützt werden?

Heil: Die sinkenden Inzidenzen sind erfreulich. Daran haben auch die Arbeitsschutzregelungen der letzten Monate einen Anteil. Aber wir müssen wachsam sein. Deswegen werden wir nächste Woche im Kabinett einige der Regeln über den Sommer hinaus verlängern.

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Arbeitgeber müssen ihren Mitarbeitern also weiterhin Tests anbieten, auch Abstandsregeln und Maskenpflicht bleiben vielfach in Kraft. Aber es gibt Lockerungen, etwa bei den Quadratmeterbegrenzungen.

Und die Homeoffice-Pflicht?

Heil: Sie gehört nicht dazu und läuft zum 30. Juni aus. Die Pflicht, Homeoffice anzubieten oder zu nutzen, ist im Sommer in dieser Schärfe nicht mehr aufrechtzuerhalten. Viele Beschäftigte haben auch Lust, ihre Kollegen endlich mal wiederzusehen. Sollte sich wider Erwarten die Pandemie aber wieder verschlimmern, können wir kurzfristig wieder solche Regeln in Kraft setzen.

Welche Homeoffice-Lehren ziehen Sie aus der Pandemie?

Heil: Viele Menschen wollen zumindest ein paar Tage im Monat die Möglichkeit nutzen, im Homeoffice zu arbeiten. Dafür will ich den Beschäftigten, bei denen das betrieblich möglich ist, rechtlich den Rücken stärken. Es geht mir nicht um Zwang, sondern um Freiwilligkeit. Gleichzeitig darf das nicht zur Entgrenzung der Arbeit im Privatleben führen. Auch im Homeoffice muss mal Feierabend sein.

Wird es vor der Wahl noch ein Gesetz zum Homeoffice geben?

Heil: Mit der CDU nicht. Sie lebt bei der Arbeitswelt noch in der Vergangenheit. Dabei ist mein Gesetzentwurf für mobiles Arbeiten fertig.