Berlin. Politiker sind im Netz häufig Beschimpfungen und Hass ausgesetzt. Einige sind ganz besonders häufig betroffen, wie eine Analyse zeigt.

Hass im Netz wurden lange Zeit nur als Phänomen der Online-Welt betrachtet. Dabei können die Beleidigungen in sozialen Netzwerken zu sehr realen Problemen werden: Beschimpfungen und Hetze können sich durch Likes und schnelles Teilen wie ein Lauffeuer verbreiten. Das sorgt für ein Klima, in dem schlimmstenfalls nicht nur sogenannte Todeslisten erstellt, sondern auch vorsätzlich Straftaten begangen werden.

Politiker und Politikerinnen werden besonders häufig zur Zielscheibe von Beleidigungen im Netz. Fälle wie die Ermordung des CDU-Regierungspräsidenten Walter Lübcke in Kassel, zeigen die furchtbaren Konsequenzen, die ein in den sozialen Netzwerken geschürtes Umfeld des Hasses und der Beschimpfungen erzeugt.

Zahlenmäßig oft beleidigt – über Laschet, Merkel und Co. wird aber auch am meisten getwittert

Mahnende Präzedenzfälle haben in den letzten Jahren nicht viel an der Art der Kommunikation in Social Media verändert. Spitzenpolitiker sind besonders auf Twitter weiter häufig Ziel von Beleidigungen. Einige trifft es aber härter als andere, wie eine aktuelle Untersuchung von VICO Research & Consulting, einem führenden Unternehmen im Bereich Social-Media-Monitoring, herausgefunden hat. Das Ergebnis der von der Informationsplattform Betrugstest.com in Auftrag gegebenen Analyse liegt unserer Redaktion vor.

Guckt man sich die absolute Zahl der Beiträge an, die beleidigende Ausdrücke oder Schimpfwörter enthalten, so schlägt Armin Laschet, Angela Merkel (beide CDU) und Markus Söder (CSU) am meisten Hass entgegen. Zu den drei Unionspolitikern wird allerdings generell am meisten getwittert. Ein spannenderes Bild ergibt sich beim Blick auf die „Beleidigungsquote“: Wie viele der Posts zu einem Politiker enthalten Beleidigungen?

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Philipp Amthor mit höchster Beleidigungsquote wegen Korruptionsaffäre

Das Negativ-Ranking führt hier der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor an. Der junge Politiker musste sich zuletzt Korruptionsvorwürfen stellen – mit der Folge, dass er in jedem dritten Tweet (34 Prozent) zu seiner Person beleidigt wird. In nahezu zwei Dritteln der Hass-Posts wird Amthor als korrupt bezeichnet, häufig fallen auch die Begriffe „dumm“, „käuflich“ oder „Idiot“. So gut wie alle Beleidigungen stehen im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre.

Philipp Amthor (CDU) hat oft mit Beleidigungen in sozialen Netzwerken zu kämpfen.
Philipp Amthor (CDU) hat oft mit Beleidigungen in sozialen Netzwerken zu kämpfen. © dpa

Auf Platz zwei bis fünf der Politiker mit der höchsten Beleidigungsquote folgt Spitzenpersonal der AfD. Die Beleidigungen, die hier deutlich im Vordergrund stehen, sind „Nazi“ und „Faschist“. Im Zusammenhang mit der Co-Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, fallen auch häufig die Begriffe „Nazi-Schlampe“ und „Nazi-Kuh“.

Beleidigungen gegen Politiker: Kontext unterscheidet sich zwischen Parteien

Für die Analyse wurde die deutschsprachige Twitter-Kommunikation zu 91 deutschen Spitzenpolitikern und -politikerinnen auf Bundes- oder Landesebene untersucht. Im Zeitraum vom 29. März bis 29. April 2021 kamen dabei 1.464.284 Beiträge zusammen.

Allgemein zeigt die Untersuchung auf, dass sich der Kontext der Beleidigungen zwischen den einzelnen Politikern und ihren Parteien stark unterscheidet: Während bei einigen ein konkretes Ereignis wie der „Kampf“ um die Kanzlerkandidatur zwischen Söder und Laschet oder die Korruptionsaffäre um Amthor der Auslöser ist, werden besonders die Vertreter der AfD für ihre Politik im Allgemeinen beschimpft.

Meistbeleidigtes Mitglied der SPD ist laut der Analyse Bundesaußenminister Heiko Maas, der sich in 13 Prozent der Tweets über ihn Beschimpfungen anhören muss. Auch elf Prozent der Beiträge zu SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach enthalten Beleidigungen.

Werden Politiker mit unauffälligem Namen seltener im Netz beleidigt?

Auffällig ist, dass besonders Politikern von FDP, Linke und Grünen deutlich seltener Hass im Netz entgegenschlägt. Das gilt sogar für die Kanzlerkandidaten: So enthielten nur sechs Prozent der Tweets zu Annalena Baerbock im Frühjahr Beleidigungen, dasselbe gilt für Finanzminister Olaf Scholz.

Frieden im Twitter-Feed scheinen aber vor allem die Politiker zu haben, die unauffällige Namen tragen: Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) bewahrt ihr landläufiger Nachname wahrscheinlich häufig davor, im Netz direkt zur Zielscheibe zu werden. Im Beobachtungszeitraum wurden die beiden Politiker in nur einem beziehungsweise zwei Prozent der Beiträge zu ihnen beleidigt.

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