Berlin/Güstrow. Der junge CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor will Landesparteichef werden. Die Korruptionsvorwürfe gegen ihn wiegen aber schwer.
Wirft er hin? Oder setzt er alles auf eine Karte und tritt im nächsten Jahr als Herausforderer von SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern an? Der CDU-Politiker Philipp Amthor ist binnen kurzer Zeit vom konservativen Shooting-Star zum Problemkind seiner Partei geworden.
Der 27-jährige Bundestagsabgeordnete steht wegen seiner Nebentätigkeit und Lobbyarbeit für das New Yorker IT-Unternehmen Augustus Intelligence massiv in der Kritik. Er bezeichnete diese Tätigkeit inzwischen als Fehler und hat die Zusammenarbeit nach eigenen Angaben beendet. Die ihm eingeräumten Aktienoptionen habe er zurückgegeben.
Anfragen unserer Redaktion zu Details seiner Tätigkeit bei der Firma, die mit künstlicher Intelligenz groß rauskommen will, und den Zeitpunkt der Rückgabe der Aktienoptionen, lässt er unbeantwortet.
Philipp Amthor: Für Augustus Intelligence jettete er durch die Welt
Dabei gibt es viele offene Fragen. Wer bezahlte Flüge nach New York, Übernachtungen und Essen? Amthor, der Junge aus der Kleinstadt Torgelow im Landkreis Vorpommern-Greifswald, wo die AfD bei der Europawahl fast 22 Prozent abräumte, jettete dank Augustus durch die Welt. Atlantik statt Ostsee, glitzernde Managerwelt statt Klinkenputzen auf der heimatlichen Scholle. Wollte da einer größer sein als er wirklich ist?
Augustus Intelligence, wo der gestürzte Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg noch im März als „President“ firmiert haben soll, könnte sich als Fata Morgana entpuppen. Das legen jedenfalls Recherchen der „Zeit“ nahe.
Reporter waren im New Yorker One World Trade Center, wo die Firma im 77. Stockwerk rund 600 Quadratmeter gemietet hat. Die Empfangsdamen haben schon lange keinen mehr gesehen. Wer die Notrufnummer von Augustus Intelligence wählt, landet auf einem Anrufbeantworter.
Philipp Amthors Traum ist gefährdet
Am Donnerstag veröffentlichte die US-Firma auf ihrer Homepage eine Stellungnahme zur „deutschen Medienberichterstattung“, ohne den Namen Amthor zu erwähnen. Augustus befinde sich in einer Art Tarnkappen-Modus („Stealth Mode“), um Wettbewerber abzuhängen. Dies sei übliche Praxis im Wagniskapitalbereich bei Unternehmensgründungen in der Frühphase – vor allem in den USA.
Mit aktuell rund 80 Mitarbeitern wachse das Start-up signifikant. „Das Unternehmen ist zu 100 Prozent von privaten Investoren finanziert, hat keine öffentlichen Schulden und erfüllt selbstverständlich sämtliche anwendbaren Regelungen und Steuervorschriften“, heißt es weiter. Amthor hilft das nicht wirklich. Sein Traum, CDU-Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern und vielleicht 2021 jüngster Ministerpräsident zu werden, ist akut gefährdet.
Nach dem Verzicht von Landesjustizministerin Katy Hoffmeister vor rund zehn Tagen ist Amthor der einzige Bewerber für diesen Posten. Zahlreiche Kreisverbände sprachen ihm in dieser Woche ihr Vertrauen aus.
Wolfgang Waldmüller, Generalsekretär der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, sagte nach einer Beratung des Kreisverbands Ludwigslust-Parchim, es sei über alle Details der Vorwürfe gesprochen worden, Amthor habe umfangreich Auskunft gegeben. Auf die Frage, ob mit weiteren Enthüllungen zu rechnen sei, habe Amthor mit Nein geantwortet.
Auf Druck der Fraktion muss Amthor U-Ausschuss verlassen
An diesem Freitagabend will der CDU-Landesvorstand in Güstrow das weitere Vorgehen zur Wahl eines neuen Chefs festlegen. Amthor, der nicht dem Vorstand angehört, war bereits vor den Vorwürfen als Gast zur Sitzung geladen worden. Seine Parteifreunde im Nordosten erwarten, dass er sich ausführlich erklärt. Im Anschluss ist ein Pressestatement geplant – ob Amthor sich selbst äußern wird, ist nicht klar.
Als er am Dienstag in der Bundestagsfraktion auftauchte, machte er öffentlich betont gute Miene, äußerte sich aber nicht, auch nicht intern. Die Unionsspitze hielt sich mit öffentlichen Vorwürfen zurück und verweist darauf, dass Amthor Fehlverhalten eingeräumt habe.
Dennoch musste er auf Druck der Fraktionsspitze infolge der Vorwürfe seinen Platz im Bundestags-Untersuchungsausschuss zum islamistischen Anschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin räumen. Denn: Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, der vor dem Ausschuss befragt werden soll, steht nach Recherchen des „Spiegel“ ebenfalls in Kontakt mit Augustus Intelligence.
Generalstaatsanwalt prüft Verdacht der Bestechlichkeit
In der CDU wird der Fall Amthor mit Unbehagen betrachtet – auch aus der Sorge heraus, was die Vorwürfe mit ihm persönlich machen könnten. „Er hat einfach Mist gemacht“, sagte der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, „Focus online“.
„Man darf nicht seinen Briefbogen als Abgeordneter verwenden, wenn man um Unterstützung für ein Unternehmen bittet, dem man geschäftlich verbunden ist.“ Er bedaure sehr, was passiert sei, weil er Amthor „als Menschen, als Abgeordneten und auch als Typ“ schätze. „Ich hoffe, dass er die Sache aufklärt und seine politische Arbeit danach fortsetzen kann.“
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Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin prüft nach „Spiegel“-Informationen, ob ein Anfangsverdacht der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern vorliegen könnte. Erst wenn ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet werden soll, muss der Immunitätsausschuss des Bundestages informiert werden. Das ist bei Amthor dem Vernehmen nach (noch) nicht der Fall.
Auch die Bundestagsverwaltung ist bereits aktiv geworden. Dort hat man Erfahrung mit einzelnen Abgeordneten, die es mit dem Anzeigen von Nebentätigkeiten und Zuwendungen nicht so genau nehmen. In Berlin sollen um die 5000 Lobbyisten aktiv sein. Licht ins Dunkel könnte ein Lobbyregister bringen. In eine öffentlich einsehbare Datenbank müssten sich Unternehmens- und Verbandsvertreter eintragen lassen.
Grünen-Politikerin fordert Lobbyregister
Die Grünen-Politikerin Britta Haßelmann kritisiert, dass die Koalition hier auf Zeit spiele. So solle es eine öffentliche Anhörung zum Lobbyregister erst Anfang Oktober geben: „Zu lange hat sich vor allem die Union geweigert, überhaupt das Problem mangelnder Transparenz anzuerkennen, dabei ist nicht erst seit den Fällen Strenz und Amthor klar, wir brauchen ein gesetzliches Lobbyregister und klarere Regeln.“
Ob sich Amthor strafbar gemacht hat, prüft die Justiz. Auf jeden Fall hat der junge Abgeordnete, der Landesvater werden will, politischen Instinkt vermissen und sich von Aufenthalten in New York verführen lassen. Warum er nicht sofort persönlich an die Öffentlichkeit ging, bleibt rätselhaft.