Berlin. Rechtsextreme Verdachtsfälle, verschwundene Munition: Verteidigungsministerin legt mit Spannung erwarteten Bericht über das KSK vor.

Vorerst bleibt Brigadegeneral Markus Kreitmayr im Amt. Er ist Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr – und am Montag in Calw Gastgeber von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Ein delikater Besuch. Denn am Vorabend hatte die Ministerin entschieden, dass gegen ihn disziplinare Vorermittlungen aufgenommen werden. Wegen „Verdachts auf Verletzung der Dienstpflichten im Zusammenhang mit einer Sammelaktion für Munition“.

Für sie sei klar, „dass die Kultur der systematischen Missachtung von Regeln beim Umgang mit Munition“ auch Fragen an die Kommandoebene sowie an die Dienstaufsicht aufwerfe. Wie jeder Soldat habe Kreitmayr – erst seit Ende Juni 2018 Kommandeur – ein faires und transparentes Verfahren verdient.

Rechtsextreme Verdachtsfälle und „Amnestieboxen“ – KSK in der Kritik

Heute will AKK einen Zwischenbericht über die Reformbemühungen beim Verband vorlegen, der schon vor Kreitmayr wegen rechtsextremer Verdachtsfälle für Schlagzeilen sorgte. Der Verlust von Munition war quasi ein Nebenprodukt der Aufklärung. Erst stellte sich heraus, dass beim Verband an die 13.000 Munitionsartikel fehlten, darunter 62 Kilo Sprengstoff und zwei Handgranaten. Dann rief Kreitmayr seine Soldaten auf, abgezweigtes Material straffrei zurückzugeben. Eine „Amnestie“ aber wäre rechtswidrig.

Die Fehlbestände wurden großteils aufgeklärt, sogar mehr Material zurückgegeben als vermisst. Aber als die „Amnestieboxen“ für negative Schlagzeilen sorgten, hatte der Fall eine solche Dimension angenommen, dass auch die Disziplinargewalt von Kreitmayrs Vorgesetztem, dem Kommandeur der Division Schnelle Kräfte, Generalmajor Andreas Hannemann, an ihre Grenzen stieß. Er übergab den Fall an die Ministerin. Hintergrund: Munitionsaffäre: Ministerin Kramp-Karrenbauer unter Druck

Es gibt einfache und gerichtliche Disziplinarmaßnahmen. Im Normalfall verhängt der Vorgesetzte eine Strafe, zum Beispiel Arrest. Über eine Gehaltskürzung, ein Beförderungsverbot, Degradierung oder gar Entfernung aus dem Dienst kann nur ein Truppendienstgericht befinden. Bei einem General entscheidet die Ministerin, ob Ermittlungen eingeleitet werden.

Annegret Kramp-Karrenbauer kämpft um ihr Amt

Im Sommer 2020 hatte AKK 60 Maßnahmen für eine Reform angekündigt, damals mit Blick auf rechtsextremistische Vorfälle. Am Montag sollten die Soldaten vor der Öffentlichkeit aus erster Hand erfahren, wie es weitergeht.

Dass Munition fehlt, war beim KSK besonders beunruhigend. Zum einen hatte der 2017 verhaftete Terrorverdächtige Franco A. über eine Chatgruppe Kontakte zur Prepperszene, zu der auch ein KSK-Soldat gehört, genannt „Hannibal“. Zum anderen hat die Polizei Anfang 2020 in Sachsen auf dem Privatgrundstück eines KSK-Soldaten ein Waffenversteck mit Munition und Sprengstoff ausgehoben.

Hier massenhaft KSK-Munition, dort mit der Prepperszene dankbare Abnehmer – so wird verständlich, warum Kreitmayr im Frühjahr 2020 mit dem „Amnestie“-Angebot persönlich ein so hohes Risiko einging und warum die Bundeswehrführung bis zu Generalinspekteur Eberhard Zorn lange Zeit so tat, als wäre das eine Randfrage. Lesen Sie hier: Wehrbeauftragte kritisiert Skandal um Waffenamnesie

Die Ministerin wurde erst 2021 alarmiert. Für die Militärs lag der Fokus darauf, die Umtriebe aufzuklären und den Verdacht auszuräumen, dass mit ihrer Munition eine rechte Untergrundarmee ausgerüstet wird.

Das KSK gehört wie die vielen Beschaffungsskandale, die Frage einer Drohnenbewaffnung oder die Nachfolge des G36-Gewehrs zu den Problemen, die Kramp-Karrenbauer von ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) geerbt hat. AKK ist seit Anfang des Jahres nicht mehr CDU-Vorsitzende und kann sich ganz auf die Truppe konzentrieren. Sie hat Freude an der Aufgabe, kandidiert für den Bundestag und will sich für eine unionsgeführte Bundesregierung als Verteidigungsministerin empfehlen.

Annegret Kramp-Karrenbauer im Porträt

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    Annegret Kramp-Karrenbauer braucht Befreiungsschlag

    Aber die Werbung in eigener Sache will ihr einfach nicht gelingen. Das KSK – ein einziger Morast. Das Gezerre um die Nachfolge für das Standardgewehr G36 eignet sich noch weniger, um Führungsstärke zu demonstrieren; der Streit wird vor Gericht zwischen den konkurrierenden Waffenschmieden ausgetragen. Ernüchternd verlaufen auch die Haushaltsberatungen. Wegen der Kosten der Pandemie muss das Verteidigungsressort mit weniger Geld auskommen als erhofft.

    Angeblich müssen 15 Rüstungsprojekte verschoben oder aufgegeben werden. Die Entwicklung nimmt den Lauf, den Generalinspekteur Eberhard Zorn, ein gelernter Kaufmann, vorausgesehen hat: „Es wird sicher einen Kassensturz nach Corona geben. Ich denke, wir müssen danach unsere militärischen Zielvorstellungen noch einmal überprüfen.“

    Die Glücklose hat Nehmerqualitäten, spürt den Profilierungsdruck und kämpft einen Bedeutungsverlust an. Sie würde gern die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen, ist aber von den USA abhängig. Gerade bot sie wieder an, mit der Bundeswehr eigene Impfzentren zu eröffnen. Das Problem ist nur, dass darüber nicht sie, sondern der Gesundheitsminister zu entscheiden hat. Umso wichtiger wäre ein Befreiungsschlag beim KSK.