Berlin. Beim Kommando Spezialkräfte wurde jahrelang Munition gestohlen. Zieht die Verteidigungsministerin den Kommandeur zur Rechenschaft?

In der „Munitionsaffäre“ ist jetzt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) gefordert. Sie persönlich muss entscheiden, ob gegen den Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte (KSK), Brigadegeneral Markus Kreitmayr, ein schwerwiegendes Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Heute soll sie vor dem Verteidigungsausschuss im Bundestag Farbe bekennen. Müssen jetzt Köpfe rollen?

Kreitmayr übernahm das Kommando 2018. Er sollte Missstände beseitigen und einen „Kulturwandel“ einleiten, nachdem rechtsextreme Verdachtsfälle den gesamten Verband in Verruf gebracht hatten.

13.000 Schuss Munition wurden abgezweigt

Bei der Aufklärung stieß Kreitmay darauf, dass 13.000 Schuss Munition fehlten. Die KSK-Kaserne in Calw wurde durchkämmt - ergebnislos. Daraufhin startete der Kommandeur am 24. März 2020 eine Fundaktion: Wer Munition zurückgab, wurde nicht erfasst und ging straffrei aus. Im Ergebnis war es wie eine Amnestie. Oder doch eher Starvereitelung? Längst nahm die Staatsanwaltschaft Tübingen Vorermittlungen auf.

Dass Munition fehlt, kommt in der Truppe vor. Was die Generalität alarmierte, war zum einen das Ausmaß des Fehlbestands, die schiere Menge, zum anderen das besondere Umfeld. 2017 hatte der Terrorverdächtige Franco A. über eine Chatgruppe Kontakte zur „Prepperszene“, zu der auch ein KSK-Soldat gehörte, genannt „Hannibal“. Außerdem hatte die Polizei Anfang 2020 in Sachsen auf dem Privatgrundstück eines KSK-Soldaten ein Waffenversteck mit Munition und Sprengstoff ausgehoben.

Lesen Sie auch: Sprengstoff und Waffen bei KSK-Soldat in Sachsen entdeckt

Rechtsextreme Verdachtsfälle und Verbindungen zur Prepperszene

Hier massenhaft KSK-Munition, dort mit der Prepperszene dankbare Abnehmer – so musste es aussehen. In der Szene tummeln sich Waffennarren und Verschwörungstheoretiker. „Prepper“ legen Vorräte für den Katastrophenfall an und bereiten sich schon mal darauf vor, sie notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen.

Kreitmayr sah sich in einem Dilemma. Einerseits wollte er das KSK reformieren und die fehlende Munition möglichst schnell wieder beschaffen. Andererseits war die Lösung - die Sammel- oder Amnestieboxen, die er aufstellen ließ - fragwürdig. Er macht sich angreifbar.

„Amnestieboxen“ kennen die Soldaten aus Afghanistan

Eine Amnestie kann in Deutschland nur das Parlament beschließen. „Amnestieboxen“ kennt der Verteidigungsausschuss-Vorsitzende Wolfgang Hellmich (SPD) aus Truppenbesuchen in Afghanistan. Dort ist es bei vielen Streitkräften üblich, dass die Soldaten nach einer Patrouillenfahrt nicht verwendete e Munition in eine „Amnestiebox“ (so heißen sie wirklich) werfen. Möglicherweise hat sich Kreitmayr an diese Praxis erinnert.

Als er nach zwei Monaten seinen direkten Vorgesetzten einweihte, befahl der Kommandeur der Division Schnelle Kräfte, Generalmajor Andreas Hannemann, die Aktion zu stoppen und meldete die Vorfälle weiter nach oben: An den Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais. Der erstattete einen Tag später wiederum Generalinspekteur Eberhard Zorn am Telefon Bericht.

Jetzt kommt es direkt auf Krampf-Karrenbauer an

Nun wurde eine Generalinventur angeordnet. Eine Kompanie wurde im Sommer aufgelöst, mit 60 Maßnahmen sollte der Verband reformiert werden. Kramp-Karrenbauer sprach davon, dass das KSK auf Bewährung stehe.

Die Munitionsamnestie aber wurde nachrangig verfolgt. Mehr noch: Weder die Ministerin noch das Parlament wurden informiert. Publik wird die „Amnestie“ nur, weil der Unteroffizier, bei dem im Sachsen Waffen gefunden worden waren, sie vor Gericht erwähnt.

In der Folge gerät auch Kramp-Karrenbauer unter Druck. Vorfälle seien „auf allen Ebenen“, von Kreitmayr bis hoch zur Ministerin ,,erklärungsbedürftig“, mahnt die Wehrbeauftragte Eva Högl.

Für einfache Disziplinarverfahren ist in der Bundeswehr der jeweilige Vorgesetzte zuständig, in KSK-Fall Generalmajor Hannemann. Der gab die Ermittlungen am Montag ab. Er hält ein schwerwiegendes Disziplinarverfahren für nötig – ein Fall für die Militärgerichte. Und bei Generälen entscheidet die Verteidigungsministerin, ob ein solches Verfahren eingeleitet wird. Kramp-Karrenbauer ist gefordert.

Lesen Sie auch:Streit um G-36-Nachfolgegewehr: Zuschlag für Hecker & Koch