Berlin. Der Präsident der Bundesärztekammer zeigt Mängel der Alltagsmasken auf. Zur Galionsfigur der Maskengegner will er aber nicht werden.
- Im TV-Talk bei Markus Lanz am Mittwochabend ging es mal wieder um die Corona-Pandemie
- Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, meinte, dass Masken das Coronavirus nicht aufhalten könnten
- Weitere Highlights hatte der Talk trotz Gästen wie Richard David Precht oder Frank Thelen nicht zu bieten: Er geriet mehr zu einem aufgezogenen Palaver zur Lage der Nation, das alles und nix wirklich behandelte
Wer hätte das gedacht, dass der Präsident der Bundesärztekammer von Alltagsmasken nicht viel hält. Markus Lanz am allerwenigsten: „Das ist ein Punkt, über den man heute nicht mehr diskutieren sollte“, wiederholte er, perplex, und meinte sicher nicht nur die tausend wissenschaftlichen Studien als Beleg, auch die gefühlt 100 „Lanz“-Sendungen, in denen der Masken-Streit schon Thema war.
Aber Klaus Reinhardt, erst seit Ende Mai im Amt, blieb bei seiner persönlichen Meinung: „Im Nahverkehr ja, wo es eng ist auch. Aber ich bin nicht überzeugt, dass Masken das Virus aufhalten können.“ Erst recht nicht, wenn sie – wie der kleine Blick ins Leben zeige – halbfeucht getragen oder eine Woche nicht gewaschen wurden. Lesen Sie dazu: Corona: Wie muss ich Mundschutz und Maske richtig tragen?
„Lanz“ – Das waren die Gäste:
- Richard David Precht: Philosoph, Bestseller-Autor
- Frank Thelen: Unternehmer, Investor
- Gabriele Krone-Schmalz: Autorin, Journalistin und Historikerin
- Dr. Klaus Reinhardt: Mediziner, Präsident der Bundesärztekammer
Nun hatte sich Klaus Reinhardt schon im März mit dem Coronavirus infiziert und danach vorbildlich Antikörper entwickelt, wie ein Test bewies, so dass er inzwischen „weder gefährdet noch gefährlich“ war. So musste er sich um täglich steigende Infektionszahlen keine Sorgen mehr machen, tat es auch nicht im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems: „Es besteht kein Grund zur Panik.“ Auch interessant: Weniger Corona-Antikörper: Folgen für Impfstoff-Wirkung?
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„Lanz“: Bundesärztekammer-Chef will nicht „Galionsfigur der Maskengegner“ sein
Wo er sich angesteckt hatte, konnte nicht geklärt werden, gab er auch zu. Was Markus Lanz natürlich zu der lästerlichsten Bemerkung veranlasste, die sich anbot: „Ich ahne, warum …“, versetzte er ironisch. Lesen Sie auch: Corona: So einfach macht man sich Mundschutz selbst
Von Hause aus Arzt und immer noch einmal pro Woche während der regulären Sprechstunden in seiner Bielefelder Praxis zu finden, wollte der Präsident der Bundesärztekammer mit seiner Argumentation aber auf etwas anderes hinaus. Und bekam gerade noch so die Kurve, um eventuell ein weiteres Mal zu „Lanz“ eingeladen zu werden: Er wolle sich keineswegs „zur Galionsfigur der Maskengegner“ machen, erklärte er. Lesen Sie auch: „Lanz“: Corona-Genesene appelliert an Masken-Verweigerer
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Maskenpflicht: Klaus Reinhardt warnt vor „Kollateraleffekten“
„Ich will nur, dass man darüber nachdenkt, dass die ständige Vermummung mit einer Gesellschaft etwas macht.“ Die Kollateraleffekte dürften nicht unterschätzt werden: Wenn also Kinder ständig nur von Erwachsenen umgeben seien, die sich hinter einem Stück Stoff versteckten. Oder psychisch Kranke. Oder Ärzte, die einen Patienten ganz sehen müssten, um ihn richtig zu diagnostizieren. „In den 70er Jahren gab es ein Vermummungsverbot, jetzt haben wir ein Vermummungsgebot,“ echauffierte er sich fast.
Wie man’s macht, ist‘s auch wieder falsch.
Dabei hatte sich Markus Lanz doch gleich zu Beginn auf ein interessantes „Rededuell meinungsstarker Männer“ gefreut, als er mit Richard David Precht und Frank Thelen zwei vorgebliche Antipoden vorstellte. Beide wohnhaft auf verschiedenen Visionsplaneten, aber auch selten um ein Wort verlegen, wie sie es jeweils einzeln schon mehrfach bei „Lanz“ vorgeführt hatten.
Journalistin bei „Lanz“ beklagt Niedergang der Debattenkultur
Tatsächlich geriet der Mittwoch-Talk dann aber mehr zu einem aufgezogenen Palaver zur Lage der Nation, das alles und nix wirklich behandelte. Und dem allein Gabriele Krone-Schmalz bescheinigen wollte, dass „anständig gestritten“ wurde – also „ohne sich gleich an die Gurgel zu gehen“.
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Inzwischen ergraut, aber immer noch mit strengem, unverwechselbaren Spitzpony, wirkte die einzige Diskutantin der Runde sowieso ein bisschen wie eine pensionierte Oberschullehrerin, wenn sie monierte, wie sich die allgemeine Debattenkultur inzwischen verändert habe. Zum Schlechten, sowieso.
Gerade hatte die ehemalige Moskau-Korrespondentin der ARD und erste westliche Korrespondentin, die Michael Gorbatschow interviewte, das Buch „Respekt geht anders“ geschrieben, in dem sie Deutschland als Hysteriker-Land bezeichnete: Leute würden einander weder zuhören noch auf das Gesagte eingehen. Und andere gleich mit Etiketten versehen, wenn ihnen die andere Meinung nicht geheuer sei.
Gabriele Krone-Schmalz: „Und das führt dann leicht zu Gewalt“
„Was mir Sorge macht“, erklärte sie, „ist, dass wichtige Themen gar nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft diskutiert, sondern an die Ränder abgeschoben werden“, erläuterte sie und nannte Europa, Weltklima und Rassismus als Beispiele.
Das sei fatal und führe zu nichts, wenn politische Themen immer nur moralisch aufgeheizt würden: „Wenn Menschen immer nur in Katastrophenszenarien denken, führt das zu einer gewissen Radikalisierung, was wiederum dazu führt, dass sich einige ermächtigt fühlen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Und das führt dann leicht zur Gewalt.“
Richard David Precht mochte ihr in Teilen Recht geben: Es nerve ihn auch, wie sich die Linken auf ihre Rolle als Sprachpolizei eingeschossen hätten. Und wie sie sich „auf lexikalischer Ebene verkämpfen“, selbst wenn es gut gemeint sei: „So etwas macht unnötig viele Schlachtfelder auf, die man eigentlich nicht bräuchte.“ Schließlich entscheide nicht die Wortebene über eine Bedeutung, sondern der Sprechakt als solcher.
Richard David Precht erklärt bei „Lanz“ sein Hadern mit der Digitalisierung
Aber eigentlich war Precht bei „Lanz“, weil er in seinem neuen Buch „Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens“ aufgeführt hatte, warum er mit dem rasanten Fortschreiten der Digitalisierung so haderte. Lesen Sie auch: Künstliche Intelligenz: Wie Deutschland um Anschluss kämpft
Es ginge ihm nicht um einzelne Personen, wie zum Beispiel Jeff Bezos, den er in seiner privaten Einschätzung nur als Psychopathen sehen könne. Es ginge ihm um das System: Wenn ein Internet-Monopolist wie Amazon dem Einzelhandel den Saft abdrehe, dann werde die Stadt – die Polis – belanglos. „Das ist keine glückliche Zukunftsperspektive.“
Wer anders als Frank Thelen, Ex-Investor in der Vox-Show „Die Höhle der Löwen“ und Berufsoptimist, mochte ihm da widersprechen. Dabei waren beide in der Einschätzung dieses Dramas gar nicht so weit von einander entfernt, aber wohl bei den Lösungsvorschlägen: „Wir haben tolle Unis, tolle Köpfe, aber bei der Marktkapitalisierung sind wir abgeschlagen“, analysierte der und forderte mehr Investitionen in noch nicht verteilte Zukunftstechnologie-Felder.
Frank Thelen über Elon Musk: „Geld ist ihm wirklich egal“
„Wir brauchen drei, vier Tech-Konzerne, damit wir relevant bleiben“, ergänzte er. Und „coole Köpfe“ auch, wie Elon Musk: „Er ist vielleicht ein schwieriger Mensch. Aber er will dem Planeten etwas Gutes tun. Geld ist ihm wirklich egal“, beteuerte der bekennende Fan des Tesla-Magnaten, den er persönlich kennengelernt hatte.
Ach, wirklich? Da wollten selbst Markus Lanz die Tränen kommen, erklärte er grinsend. Und alle anderen lachten über soviel verkannten Idealismus mit.
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