Berlin. Im Kampf gegen Corona gibt es zu wenig Serum, die Produktion stockt. Diese Fragen haben Bund und Länder beim Gipfeltreffen besprochen.
- Das Impfen gegen Corona geht in Deutschland nicht schnell genug voran
- Bundeskanzlerin Angela Merkel traf sich am Montag den Länder-Chefinnen und -Chefs sowie Vertretern der Impfstoff-Hersteller zum Krisengipfel
- Was sind die größten Probleme derzeit? Warum geht es bei den Corona-Impfungen nicht schneller voran? Was wurde beim Gipfel besprochen? Ein Überblick
Fünfeinhalb Stunden hatten sie zusammengesessen – die Bundeskanzlerin, mehrere Ministerinnen und Minister, die Regierungschefs und -chefinnen der Länder, Vertreter von zehn Impfherstellern und mehrere Verbandsvertreter. Dafür war das Ergebnis überschaubar. „Aufschlussreich“ und „einen guten Impuls“ nannte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der abschließenden Pressekonferenz den Impfgipfel. Er habe „auf einen gemeinsamen Informationsstand“ gebracht. Einen großen Erkenntnisgewinn brachte er hingegen nicht.
Die nationale Impfstrategie soll um einen Impfplan ergänzt werden, den Spahn mit den Länderministern bis zum nächsten Bund-Länder-Gipfel erarbeiten soll. In ihm sollen die bereits bekannten Liefertermine festgehalten und weitere basierend auf bisherigen Lieferungen per Modellierung errechnet werden – unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien. So sollen die Länder mehr Planungssicherheit bekommen.
Angela Merkel hält an Impfzusage bis Ende des Sommers fest
Merkel brachte am Abend unter anderem eine Impfung in Arztpraxen ins Gespräch. Auch Spahn nennt in einem Schreiben, das sein Ministerium den Bundesländern im Vorfeld des Gipfeltreffens geschickt hatte und welches unserer Redaktion vorab vorlag, erstmals einen konkreten Zeitpunkt, wann die Impfungen zusätzlich zu den Impfzentren auch in den Arztpraxen durchgeführt werden sollen.
Der Wechsel ergebe Sinn, wenn „von Impfstoffen, die nach ihrer Beschaffenheit für den Transport und die Lagerung in Arztpraxen“ geeignet seien, eine ausreichende Menge für mindestens drei Millionen Impfungen pro Woche zur Verfügung stünden, heißt es in dem Papier. Die etwa 50.000 dafür in Frage kommenden Praxen könnten nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mehr als fünf Millionen Impfungen pro Woche vornehmen, schrieb das Ministerium.
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Angela Merkel erneuerte auch das Versprechen, bis Ende des Sommers jedem Bundesbürger über 18 ein Impfangebot machen zu können. Zudem solle die Zeit zwischen erster und zweiter Impfung nicht wie in Großbritannien gestreckt werden, um mehr Dosen für die Erstimpfung zu haben. Die wichtigsten Punkte, die sonst noch besprochen wurden:
Impfstoff-Mangel: Deutschland und EU haben zu wenig bestellt
In den vergangenen Wochen hatte es mehrfach Kritik an der Verhandlungsstrategie die EU-Kommission zum Kauf der Corona-Impfstoffe gegeben. Beim Impfgipfel verteidigte die EU-Kommission ihre Linie bei der Beschaffung der Vakzine nun. Man habe gemeinsam mit den 27 EU-Staaten gehandelt und die bestmöglichen Verträge mit den Herstellern geschlossen, erklärte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Montag.
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Bis jetzt seien 18,5 Millionen Impfdosen ausgeliefert und mehr als 12 Millionen davon verabreicht worden. Das Ziel, bis zum Ende des Sommers 70 Prozent der Erwachsenen in der Europäischen Union gegen Covid-19 zu impfen, sei erreichbar, bekräftigte sie. Die EU sei bereit, Herstellern beim schnellen Aufbau ihrer Produktion und Auslieferung von Impfstoff zu helfen, um Engpässe zu bewältigen.
Doch fügte sie hinzu: „Ich rufe alle Firmen auf, Verlässlichkeit in ihren Lieferplänen und Transparenz für alle EU-Staaten zu garantieren.“ Gesundheitsausschuss des Bundestags macht der EU dagegen weiterhin Vorhaltung und will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) noch einmal einladen, um offene Fragen zur Impfstoffbeschaffung zu klären.
Impfstoff-Hersteller halten Lieferzusagen nicht ein
Rund zwei Milliarden Impfdosen hat die EU 2020 bei sechs Impfstoffherstellern bestellt – eigentlich genug für die 450 Millionen EU-Bürger. Das Problem: Bei mehreren Herstellern kam es zu Verzögerungen bei der Entwicklung, weil sich die Impfstoffe nur als wenig oder gar nicht wirksam erwiesen.
Beim Gipfel hatten die Hersteller deutlich gemacht, dass bei der Impfstoffherstellung derzeit eine Planungssicherheit über mehrere Quartale hinaus nicht möglich sei. Teilnehmern zufolge kam es dabei zu einem kleinen Schlagabtausch zwischen dem Finanzvorstand von Biontech, Sierk Poetting, und den beiden Ministerpräsidentinnen Manuela Schwesig und Malu Dreyer. Poetting wies den Einwand, eine Impfstoffknappheit hätte mit mehr finanziellen Mitteln verhindert werden können, mit den Worten zurück: „Mit mehr Geld draufwerfen wäre wohl nicht viel mehr rausgekommen.“ Man hätte die Produktion nicht viel früher und viel mehr hochfahren können.
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Corona-Impfung: Terminvergabe läuft nur schleppend
Die Schwierigkeiten vieler Älterer und Angehöriger von Risikogruppen, einen Impftermin zu ergattern, sorgt nach wie vor für viel Verdruss in der Bevölkerung. Laut einer Analyse des Gesundheitsministeriums gab es allein zwischen dem 1. Januar und dem 20. Januar bis zu 6,8 Millionen Anrufe bei der bundesweiten Impfhotline 116117.
Insbesondere zu Beginn der Vergabe von Impfstoffterminen sei es „in bestimmten Bundesländern zu massiven Engpässen in der Auslastung“ der Hotline gekommen. Dabei hätten mancherorts die Landeskapazitäten „nicht annähernd zur Bewältigung des Volumens der Anrufenden“ ausgereicht.
Berlins Bürgermeister Müller sagte zu dem Chaos bei Impfterminen: Es sei in einer Pandemie "zu akzeptieren", wenn man einmal öfter bei einer Hotline anrufen müsste. Für Senioren, Medizinpersonal und andere, die auf ihren Impftermin warten, sicher ein schwacher Trost. Lesen Sie hier: So kommen Sie an einen Termin für die Corona-Impfung.
Impf-Reihenfolge gerät durcheinander
Der am Freitag von der EU-Kommission zugelassene Impfstoff von Astrazeneca darf in Deutschland nicht an über 65-Jährige verimpft werden. Dazu hatte die Ständige Impfkommission geraten, weil es im Vorfeld zu wenig Testpersonen aus dieser Gruppe gegeben hatte. In Italien ist das Serum sogar nur für Erwachsene bis 55 Jahren empfohlen.
Die Altersbeschränkung bringt die Impfreihenfolge durcheinander: Laut Impfplan sollen zunächst Menschen über 80 geimpft werden. Mit dem Impfstoff von Astrazeneca sollen nun jedoch zunächst Beschäftigte unter 65 in der Pflege, auf Intensivstationen, in Notaufnahmen und bei Rettungsdiensten geimpft werden. Diese Gruppen stehen bereits in der jetzigen Impfreihenfolge neben den Über-80-Jährigen und Pflegeheimbewohnern auf Platz eins. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte schon vor Beginn der Beratungen erklärt, bislang fehlten von Astrazeneca ausreichend Erprobungsdaten für höhere Altersgruppen.
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Für die Zeit, bis diese Daten von dem Unternehmen nachgeliefert würden, werde die Impfpriorisierung daher entsprechend geändert. Beim medizinischen Personal oder den Beschäftigten in der Pflege gebe es viele 18- bis 64-Jährige, die nun schneller ein Angebot für eine Corona-Schutzimpfung mit dem Mittel von Astrazeneca bekämen. Wenn diese geimpft seien, kämen die Risikogruppen in dieser Altersgruppe dran. Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben und ebenfalls in die höchste Prioritätsgruppe fallen, erhalten dagegen weiterhin die Mittel von Biontech/Pfizer und Moderne.
In einem Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Neufassung der Impf-Verordnung, welcher unserer Redaktion vorlag, wird grundsätzlich an der bisherigen Priorisierung in vier Gruppen und deren Reihenfolge festgehalten.
Kritik am Impfgipfel-Treffen
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch nannte den Gipfel einen „Impfplacebo“. „Heute hätte es einen klaren Plan der Bundesregierung gebraucht, wie sie Deutschland aus dem Impfdesaster führen will“, sagte Bartsch unserer Redaktion: „Das Ergebnis ist vor allem eine Beruhigungspille an die Bevölkerung.“
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte die Ergebnisse als unzureichend. „Die Bund-Länder-Konferenz war die Steigerung des Unverbindlichen. So kommt Deutschland nicht aus der Pandemie-Lethargie heraus“, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Verantwortliches Handeln der Politik bedeute auch, die Menschen „mit der sich abzeichnenden Realität vertraut zu machen“. Er verdeutlichte: „Wir alle müssen uns wohl darauf einstellen, dass die Impfungen weder die dauerhafte Immunität garantieren, noch die Weitergabe des Virus verhindern können.“