Greiz. Mobile Impfteams verabreichen Corona-Impfstoffe derzeit in Pflegeheimen. Wie arbeiten sie genau? Ein Interview mit einem Impfteam-Chef.
In ganz Deutschland fahren mobile Impfteams in Pflegeheime, um Seniorinnen und Senioren gegen das Coronavirus zu impfen. Sebastian Sommerfeld, 38, betreibt mit einem Partner ein privates Rettungsdienstunternehmen im thüringischen Landkreis Greiz – und fährt auch selbst mit in die Heime. Im Interview spricht er über die herausfordernde Arbeit, euphorische Momente in Seniorenheimen und wie er persönlich mit Impfskeptikern umgeht.
Herr Sommerfeld, mit welchem Gedanken sind Sie heute morgen aufgewacht?
Sommerfeld: Zumindest habe ich zum Glück nicht gleich an Corona-Impfungen gedacht. Die Tage sind gerade enorm gefüllt: Neben der Arbeit im mobilen Impfteam fallen ja noch allerlei andere Tätigkeiten in der Firma an, die so nebenherlaufen. Wir müssen uns um neue Richtlinien kümmern. Unser Team muss jetzt zum Beispiel zwei Mal in der Woche getestet werden. Viel Zeit habe ich morgens nicht…
Wie sieht denn ein typischer Tag im mobilen Impfteam aus?
Sommerfeld: Im Schnitt treffen wir uns morgens um 8 Uhr vor der Einrichtung. Unsere Rettungsambulanz kommt mit zwei Personen. Vor dem Heim haben wir dann unser "Rendezvous" mit einem Arzt und meist einer Krankenpflegerin. Zusammen geht es dann in das Heim, wo uns die Pflegeleitung in einen größeren Raum bringt, in dem wir unsere "Impfstrecke" aufbauen können. Dazu gehören vier Stationen: die Anmeldung, die Arztaufklärung, das Impfen selbst und die Abmeldung.
Die Heime sind oft sehr gut vorbereiten und haben im Vorfeld schon alle Dokumente zusammen, zum Beispiel müssen die Angehörigen einen Anamnesebogen ausfüllen, die Einrichtung muss im Vorfeld einen Laufzettel erstellen, wer alles geimpft wird. Wenn alles glattläuft, können wir um 9 Uhr starten. Es ist alles ein Teamwork: Und da sind wir den Mitarbeitern der Kassenärztliche Vereinigung Thüringen sehr dankbar, die eine sehr gute Vorbereitung treffen. Durchschnittlich schaffen wir dann 130 Bewohner am Tag. Gestern haben wir sogar 212 geschafft, aber das war eine Zweitimpfung und die gehen meist schneller. Gegen 20 Uhr war ich dann gestern Zuhause. Es gab aber schon Tage, an denen es bis 23 Uhr ging.
Der Arzt klärt auf, Krankenpflegerin oder Krankenpfleger setzen die Spritze: Was machen Sie?
Sommerfeld: Wir bringen das ganze Equipment mit, also etwas die Spritzen und Desinfektionsmittel, und sind für die ganze digitale Dokumentation zuständig: Wer wurde zu welcher Uhrzeit geimpft, wie war die Körpertemperatur zu diesem Zeitpunkt, in welchen Arm ging die Spritze? Alles wird vermerkt. Bei, zweiten Besuch befragen wir die Bewohner außerdem auf Grundlage eines Zehn-Fragen-Katalogs, ob sie irgendwelche Nebenwirkungen hatten.
...und berichten viele von Nebenwirkungen?
Sommerfeld: Wir haben bisher rund 320 Personen ein zweites Mal geimpft und konnten diese Leute also befragen. Wir hatten darunter einen Bewohner, der über Kopfschmerzen und Gliederschmerzen geklagt hat und Grippe-ähnliche Symptome geschildert hat. Was wir immer mal wieder haben, ist, dass die Geimpften von einem "schweren Arm" sprechen. Aber das hat man bei anderen Impfungen wie Tetanus ja auch. Schlimmere Impfreaktion haben wir nicht beobachtet. Und man kann wirklich sagen: 95 Prozent der Leute berichten von überhaupt keinen Nebenwirkungen.
Haben viele Menschen in den Altenheimen Angst vor der Impfung?
Sommerfeld: Die Leute, die wir impfen, haben sich ja vorher dazu entschieden. Daher bekommen wir das gar nicht mit und sehen die Menschen, die sich dagegen entscheiden, nicht. Wir schätzen aber, dass sich ungefähr 90 Prozent der Bewohner eines Heimes im Schnitt für den Impfschutz entscheiden. Seltener gibt es den Fall, dass der Gesundheitszustand es nicht zulässt: Eine Bewohnerin hatte multiresistente Keime und dazu eine große Wundfläche am Körper, die entzündet war. Da sagte der Doktor, dass ihm das zu heiß wäre, wenn das Immunsystem schon alle Hände voll zu tun hat. Es wird also nicht blind drauflosgeimpft. Bei der großen Mehrheit der Menschen beobachten wir aber, dass sie total positiv gestimmt sind wegen der Impfung.
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Die Menschen sind erleichtert, dass endlich die Impfung kommt?
Sommerfeld: Mehr als das. Es herrscht eine regelrechte Aufbruchsstimmung. Wir hören ganz oft: "Jetzt können wir endlich wieder raus!" Oder: "Nun dürfen wir endlich wieder Besuch bekommen!" Viele Senioren erfasst fast schon eine Euphorie. Und diese überträgt sich auch auf die Pflegeteams und die Ärzte, die bei den Impfungen dabei sind. Das ist eine ganz besondere hoffnungsvolle Atmosphäre! Und wir als Impfteams werde wirklich häufig reizend umsorgt. Es gibt Kaffee und Kuchen – und manchmal wird für uns auch eine Pizza bestellt. Insgesamt sind alle getragen von diesem tollen Gefühl: Jetzt geht es nach vorne, jetzt haben wir endlich etwas um dieses Virus zu bekämpfen. Ich denke, da kann fast jeder mitfühlen: Wer sehnt sich nicht danach, endlich mal wieder mit seiner Familie essen zu gehen, ohne dass er gleich etwas Illegales macht.
Trotzdem gibt es auch Impfskeptiker. Wie begegnen sie Zweiflern?
Sommerfeld: Ich glaube, in der Sache muss man einfach ehrlich sein. Ja, es stimmt, dass wir natürlich nicht sagen können, ob oder welche Langzeitwirkungen die Impfungen haben. Das liegt einfach in der Natur der Sache. Dann muss man abwägen: Sollte man den Impfschutz höher stellen als die rein theoretischen Langzeitwirkungen? Ich persönlich sage ja. Aber ich kann natürlich niemanden dazu zwingen, diese Meinung zu übernehmen.
Ich versuche aufzuklären, viele Mythen sind ja widerlegt. Das RKI hat da zum Beispiel einen sehr schönen Aufklärungsbogen erstellt, in dem etwa drinsteht, dass der Impfstoff eben nicht in die DNA eindringt. Trotzdem wird es sicherlich wie bei anderen Impfungen auch einige Probleme und kleine Nebenwirkungen geben. Damit muss sich auch beschäftigen, aber es ist in meinen Augen eben kein Argument gegen eine Impfung.
Kritiker sagen, dass der Schutz der Altenheime gescheitert ist. Vor allem hier sind Menschen gestorben. Wie bewerten Sie das?
Sommerfeld: Wir haben allein in Thüringen 30.000 Heimbewohner. Es ist wichtig, dass der Impfstoff jetzt wirklich schnell geliefert wird. Denn wenn in Heimen Fälle auftreten, verbreiten sie sich wie Lauffeuer. Es gibt mittlerweile extrem viele Schutzmaßnahmen in Heimen. Aber: Irgendjemand macht immer einen klitzekleinen Fehler, da ist das Virus erbarmungslos.
Nun kommen auch noch die Mutationen dazu, die wir im Blick behalten müssen. Wir arbeiten am absoluten Limit – und trotzdem sind wir zu langsam. Im Grunde bräuchten wir doppelt so viele Teams. Aber es fehlt eben nicht nur an geeignetem Personal, sondern leider auch an Impfstoff. Während wir in den vergangenen Wochen sieben Tage die Woche durchgearbeitet haben, haben wir in der letzten Woche nur drei Tage gearbeitet.
Sie haben Frau und drei Kinder. Sprechen Sie zu Hause über Ihre Arbeit?
Sommerfeld: Wenig, wir versuchen das nicht groß zu thematisieren, sondern erhalten uns noch ein Stück Normalität. Die Kinder merken es ja ohnehin, wenn sie im Kindergarten und der Schule Maske tragen müssen. Mit meiner Frau hingegen rede ich eher auf professionelle Weise über das Thema. Sie arbeitet in einer Klinik im administrativen Bereich. Am Wochenende fahren wir aber zu zweit in die Pflegeheime und sie hilft bei der Dokumentation – dann haben wir endlich mal Zeit miteinander.
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